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Zum Anschauen und Abkühlen

21-09-2017, 06:00

Betonwüste“ ist das wenig schmeichelhafte Wort, das einem über die Lippen kommt, wenn es darum geht, dichtbebautes Gebiet – etwa im 7. Bezirk – zu beschreiben. Ein Trend, der in den letzten Jahren rasant an Fahrt aufgenommen hat, will Abhilfe schaffen: Die Rede ist von begrünten Fassaden und Dächern. Der Nutzen solcher Bepflanzungen liegt auch abseits von ästhetischen Überlegungen auf der Hand: Besonders in Großstädten sind natürliche Flächen, die Wasser aufnehmen und durch Verdunstung Kühle abgeben könnten, großteils verschwunden. Stattdessen herrschen Oberflächen wie Asphalt und Beton vor, die sich enorm erhitzen und sogenannte „Urban Heat Islands“ bilden. „Messungen in bewachsenen und kahlen Innenhöfen haben gezeigt, dass der Temperaturunterschied bis zu fünf Grad ausmachen kann“, erklärt Jürgen Preiss von der Wiener Umweltschutzabteilung MA 22. „Gebäudebegrünungen verringern den Heizwärmebedarf und schützen die Konstruktion vor Kälte, Hagel, Schlagregen und anderen Witterungseinflüssen. Darüber hinaus ist auch ein schalldämmender Effekt nachweisbar“, fasst Azra Korjenic von der Technischen Universität Wien zusätzliche Vorteile zusammen. Das lässt Fassadenbegründungen auch unter dem Gesichtspunkt langfristiger Kosteneffizienz interessant erscheinen.

Viel Fläche verfügbar

Foto: Getty Images/iStockphoto/yu-ji/IStockphoto.com Jeder dritte Innenhof in Wien ist bereits begrünt. Das Potenzial dafür ist in Wien enorm. Preiss schätzt, dass beispielsweise allein im Textilviertel im 1. Bezirk (Grundfläche etwa 100.000 Quadratmeter) rund  3400 Quadratmeter² strassenseitig begrünt werden könnten. Über genaue Zahlen, wieviel Grün bereits an Wiens Fassaden wächst, kann er nur spekulieren: „Straßenseitig hält sich das derzeit noch in Grenzen, aber man darf die zahlreichen, teilweise üppig bewachsenen Innenhöfe – vor allem auch im 1. Bezirk – nicht vergessen.“ Er geht davon aus, dass derzeit jeder dritte Innenhof im Herzen der Hauptstadt begrünt ist. Was hingegen die Dachbegrünung anbelangt, ist Wien jetzt schon vorbildlich: In Stadtentwicklungsgebieten etwa müssen mindestens 60 Prozent der Dachflächen begrünt werden. Und in Wohnungsgebieten werden bei Neubauten teilweise sogar bis zu 100 Prozent der begrünbaren Dachflächen entsprechend genutzt.

Auch nachträglich bieten sich privaten Eigentümern eine Reihe von Möglichkeiten, etwas mehr Natur auf oder an die Liegenschaften zu lassen: Dachflächenbegrünungen sind auf allen Dächern bis zu einer Neigung von 58 Prozent möglich, wobei schon ab neun ProzentMaßnahmen gegen das Abrutschen zu setzen sind. Grundsätzlich unterscheidet man dabei zwischen extensiver und intensiver Begrünung. Die erste Variante kommt überwiegend mit anspruchslosen, niedrigen Pflanzen aus, die verhältnismäßig wenig Pflege brauchen. Eine Bepflanzung – etwa mit Lavendel, Glockenblumen oder Salbei – ist daher auch auf Garagen oder sogar auf Carports möglich. Ein Leitfaden von die umweltberatung bietet dazu einen umfassenden Überblick. Bei einer extensiven Dachflächenbegrünung hält sich der finanzielle Aufwand zwischen 25 und 35 Euro pro Quadratmeter auch relativ in Grenzen. Im einschlägigen Fachhandel gibt es darüber hinaus auch diverse Do it yourself-Kits. 

Unterschiedliches Preisniveau

Foto: /boroviczeny stephan, . Die Kosten sind bei jeder Begrünung unterschiedlich. Der Aufwand bei einer intensiven Dachbegrünung ist naturgemäß um einiges größer. Dafür kann ein richtiger, begehbarer Dachgarten mit Sträuchern und teilweise sogar Bäumen angepflanzt werden. Natürlich sind da kostentechnisch nach oben hin kaum Grenzen gesetzt: So kann bei einer intensiven Dachbegrünung der Preis pro Quadratmeter von 150 Euro bis zu mehreren Tausend Euro betragen. In jedem Fall ist hier professionelle Unterstützung anzuraten, denn die baulichen Anforderungen darf man nicht unterschätzen.  Nicht zuletzt wird die Baustatik durch eine intensive Dachflächenbepflanzung massiv beeinflusst: 250 Kilogramm und mehr können so pro Quadratmeter auf die Dachkonstruktion drücken. Ob das überhaupt möglich ist, und der Flächenwidmungs- und Bebauungsplan das zulässt, ist vorab beim zuständigen Gemeindeamt zu klären. 

Bei Fassadenbegrünungen kann man es sich dagegen verhältnismäßig einfach machen. Speziell bodengestützte Bepflanzungen – besonders beliebt ist hier etwa der selbstkletternde Veitschi – kosten kaum mehr als den Preis der Pflanze. Da diese Pflanzen selbstständig am Mauerwerk emporwachsen, sind auch keine weiteren baulichen Maßnahmen, wie etwa eigene Klettergerüste, notwendig – ein ausreichend großer Blumentrog genügt. Die weitere Pflege und Wartung beschränkt sich dann lediglich auf regelmäßiges Gießen. Aber auch hier gibt es einige Tücken: Wichtig ist, dass es vor der Bepflanzung keine Risse im Verputz gibt, denn hier kann es durch das Breitenwachstum der Ranken zu regelrechten Absprengungen kommen.

„Vermeiden sollte man jedenfalls Direkt-Klimmer auf baufälligem Putz, die Pflanze könnte mitsamt dem Verputz herunterreißen“, warnt Sophie Jäger-Katzmann von die umweltberatung. Efeu beispielsweise schlägt seine Wurzeln in die Fassade – das wird zum ernsten Problem, wenn man ihn später entfernen will. Fassadengestützte Begrünungen – etwa wie das Gebäude der MA48 im fünften Bezirk – dagegen sind aufwändiger, sowohl was die Anschaffungskosten als auch die laufende Pflege betrifft. „Generell gilt als Faustregel, dass Fassadenbegrünungen an allen statisch tragenden Wänden möglich sind“, so Katzmann. Sie rät aber dazu, immer auch ein statisches Gutachten heranzuziehen, da hier direkt in die Bausubstanz eingegriffen wird. Für Vorab-Infos zum Thema Dach- und Fassadenbegrünung verweist Jäger-Katzmann an GrünstattGrau (Verband für Bauwerksbegrünung).

Eigentümer für Erhaltung Verantwortlich

Foto: /fuchs und neubert Dachbegrünungen werden nach Aufwand gefördert.  Der Aufwand für die Erhaltung der Grünfassade obliegt ausschließlich den Eigentümern, das schließt auch das Gießen von straßenseitigen Fassadenbegrünungen mit ein. „Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Fassadenbegrünung innenhofseitig oder an der Außenfassade stattfindet“, wie Rechtsanwältin Sigrid Räth anmerkt: „Ein Mitgießen, etwa der Stadtgärten, erfolgt nicht. Da es sich um eine gemeinsame Fassade handelt, haben auch alle Miteigentümer entsprechend ihrer Anteile im Grundbuch an den Kosten teilzunehmen.“ Über eine Fassadenbegrünung entscheidet daher die gesamte Eigentümergemeinschaft. Alleingänge eines einzelnen Wohnungseigentümers, der beschließt, etwa vor dem Eingang seiner Erdgeschoßwohnung Efeu anzupflanzen, sind nicht erlaubt. „Gegen eigenmächtige Aktionen kann mit Unterlassungsklage vorgegangen werden“, erklärt Räth. Wer eine Begrünung plant, sollte sich im ersten Schritt immer an die Gemeinde wenden, denn vielerorts werden diese Maßnahmen finanziell unterstützt. In Wien sind die Wiener Stadtgärten (MA42) für Förderungen zuständig. „Wir wollen leicht zugängliche Anreize schaffen“, erklärt Jürgen Preiss das verhältnismäßig simple Fördermodell der Hauptstadt:  Eine begrünte Fassade wird unabhängig von der Flächengröße mit 2200 Euro gefördert. Wer über einen Innenhof verfügt und auch hier bepflanzen möchte, darf sich über einen nochmaligen Zuschuss in derselben Höhe freuen. 

Ein wenig komplexer wird es allerdings bei begrünten Dachflächen. Hier richtet sich die Höhe der Förderung „nach der Höhe in Zentimeter der durchwurzelbaren Aufbaudicke der neu begrünten Dachfläche.“ Heißt konkret: Je mehr Erdreich die Pflanzen am Dach zur Verfügung haben und – damit verbunden – je komplexer die dafür notwendigen Baumaßnahmen sind, desto mehr schießt die Stadt Wien zu – in der Regel acht bis 25 Euro pro Quadratmeter, maximal 2200 Euro. Gemeinsam mit den Förderungen sind zumindest für die Stadt Wien Fassaden und Dachbegrünungen eine sinnvolle und vor allem auch kosteneffiziente Alternative zu Klimaanlagen. Anders als diese Geräte tragen die Bepflanzungen aber auch für das Allgemeinklima in urbanen Zentren etwas bei. Zeit also, dem Grün in der Stadt wieder mehr Vorschub zu leisten.


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