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Den Euro "wetterfest" machen

21-09-2017, 06:00

"Stürme kommen in der Wirtschaft immer wieder", sagt Markus Beyrer. Unerlässlich sei es daher, so der Generaldirektor des mächtigen Dachverbandes der europäischen Unternehmer "BusinessEurope", sich rechtzeitig dafür zu rüsten – besonders mit Blick auf die Währungsunion, wie es zuletzt auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker gefordert hatte.

KURIER: Welche Initiativen erwarten Sie von der nächsten Regierung in Wien?

Markus Beyrer: Anhand verschiedener Rankings kann man feststellen, dass sich der Wirtschaftsstandort Österreich nicht nach oben bewegt, sondern sich am unteren Rand innerhalb einer gewissen Bandbreite stabilisiert hat. Im jüngsten Global Competitiveness Index des World Economic Forums findet man Österreich auf Platz 19 von 138 Staaten. Im Ease of Doing Business ranking der Weltbank rangiert Österrreich auf Platz 19 von 190 Staaten. Auf Dauer reicht das nicht. Ziel jeder Bundesregierung muss sein, die guten Voraussetzungen zu nutzen, die es in Österreich gibt, um wiedder nach oben zu rücken. Die Chancen dazu sind da.

Welche Impulse kann die nächste Regierung in Deutschland der Wirtschaftsentwicklung in der EU geben?

Wie auch immer die Koalition in Berlin aussehen wird, zeichnet sich eine stabile Entwicklung ab. Und entwickeln sich die Dinge dort kontinuierlich stabil, wird das dem ganzen Kontinent Stabilität geben. Wichtig ist auch ein klarer pro-europäischer Fokus, weil dann Deutschland zusammen mit Frankreich auf europäischer Ebene große Fortschritte machen könnte, die wir sicher brauchen werden.

Sie sprechen dabei die Währungsunion an?

Ganz oben auf der Liste steht ein "Wetterfest"-machen der Währungsunion. Der Euro ist eine der drei Hauptsäulen, die unseren gesamteuropäischen wirtschaftlichen Fortschritt und Wohlstand tragen – neben dem Binnenmarkt und der gemeinschaftlichen Außenhandelspolitik. Vom Gewicht her wird der Euro in einer EU ohne Großbritannien – und da hat EU-Kommissionschef Juncker völlig recht – eine noch eine größere Rolle spielen. Dabei ist ja wie in den Verträgen vorgesehen ganz klar: Es soll kein Land in den Euro gehen, das nicht die Kriterien erfüllt. Gleichzeitig ist es aber auch richtig zu sagen – indem Moment, in dem die Kriterien erfüllt sind, sollte es das Ziel sein, ein Land in den Euroraum aufzunehmen.

Die Forderung nach einer Vertiefung der Währungsunion halten Sie für richtig?

In der Krise hat sich gezeigt, dass der Euro stärker ist, als sich das viele außerhalb Europas gewünscht haben. Aber es zeigte sich auch, dass er ein Stück weit ein "Schönwettermodell" ist. Wir sind jetzt in einer guten Phase, wo sich die Politik stabilisiert hat, wo die Menschen wieder sehen, was sie an Europa haben – das Gegenmodell Brexit hat offenbar zum Nachdenken angeregt – und zudem haben wir ein gutes Wirtschaftsklima. Dieses Zeitfenster müssen wir jetzt nutzen und das Schiff der gemeinsamen Währungsunion so flott machen, dass wir im nächsten Sturm, der sicher wieder einmal kommen wird, besser gerüstet sind.

Und das wäre wie zu erzielen?

Ein Projekt davon: die Bankenunion vollenden. Und letztendlich geht es in Europa darum, eine Balance zu finden zwischen Risiko-Minimierung und Risiko-Teilung. Aus der Sicht der Wirtschaft glauben wir schon, dass am Ende des Tages so etwas wie ein gemeinsamer Topf (Budget) oder eine Euroraum-Finanz-Autorität stehen kann. Allerdings darf das nicht zu einem permanenten und bedingungslosen Transfer führen. Sondern es sollte vielmehr dazu da sein, um externen Schocks zu begegnen wie etwa der Finanzkrise. Dazu müssen in den betroffenen Ländern aber auch tatsächlich Strukturreformen gemacht werden. Alle Transfers müssten an Reformen gebunden sein.

So verhält es sich auch mit der französisch-deutschen Dynamik. Auf deutscher Seite ist man bereit, Schritte zu setzen, wo man bisher skeptisch war, aber nur, wenn die französische Seite zeigt, dass sie dieses Mal in der Lage ist zu liefern. Deswegen ist die Arbeitsmarktreform, die in Frankreich gerade auf dem Wege ist, für Europa ein wesentlicher Punkt.

Foto: Getty Images/iStockphoto/nevarpp/IStockphoto.com Ist eine europaweite Arbeitslosenversicherung für eine funktionierende Währungsunion nicht unumgänglich?

So wie es angedacht war, sind wir skeptisch. Das würde dazu führen, dass diejenigen, die ihre Hausaufgaben in der Arbeitsmarktpolitik machen und Reformen durchführen für jene zahlen, die sie nicht machen. Man darf kein politisches Instrument schaffen, das dazu verleitet, gewisse Dinge nicht zu machen, weil eh jemand anders für mich einspringt.

Wie ist  es zu schaffen, dass  im Zeitalter der Digitalisierung  und angesichts des Dieselskandals in beschäftigungsintensiven Branchen  wie die Automobilindustrie  nicht unzählige Jobs verloren gehen?
Da gibt es zwei Komponenten. Zunächst: Wir müssen starke Beschäftigungsbringer wie die automotive Wertschöpfungskette  wettbewerbsfähig halten.  Wir müssen also die Transformation in diesem Sektor schaffen. Aber der Verbrennungsmotor wird noch lange notwendig sein. Am Ende des Tages wird der Markt über den Mix entscheiden. Der Elektromotor wird nicht das Wundermittel sein, das von heute auf morgen alle Probleme beseitigt. Diese Transformation muss auch finanziert werden, und das wird die Industrie aus jenen Sektoren bestreiten müssen, wo wir weltführend sind.
Und zweitens:  Digitalisierung, das ist die Zukunft, oder vielmehr schon die Gegenwart. Eine Studie  von Roland Berger hat die riesige  Amplitude der Möglichkeiten aufgezeigt: Nutzen wir die Digitalisierung  bestmöglich, können wir in der EU  bis 2025 ein zusätzliches Wertschöpfungspotential von 1.250 Milliarden  Euro  erwirtschaften.  Schaffen es nicht, könnten wir im schlechtesten Fall bis zu 600 Milliarden verlieren, das entspricht zehn Prozent unserer industriellen Wertschöpfungsbasis. Zwischen diesen Polen spielt es sich ab: Goldene Zukunft mit Jobs oder Arbeitslosigkeit und Tränen.  Es ist also eine ganz entscheidende Frage, dass wir diesen Schritt schaffen.

Natürlich werden Jobs wegfallen. Aber gleichzeitig besteht die Möglichkeit, mehr und bessere Jobs zu schaffen.  Das bedeutet aber eine große Umstellung,  beginnend allein bei der Ausbildung. Derzeit haben 40 Prozent der Arbeitskräfte keine Fachausbildung. Für die Jobs der Zukunft aber werden wir zu 90 Prozent im digitalen Bereich geschulte  Fachkräfte benötigen. Wir haben hier  riesigen Nachholbedarf.

Eine weitere Herausforderung – der Brexit. Wie bereiten sich die europäischen Unternehmen auf diese Zäsur vor?

Wir haben eine Task force gegründet und beschäftigen uns laufend damit. Wir müssen uns auch auf die Möglichkeit eines "Cliff-edge"-Szenarios vorbereiten (Ausstieg der Briten aus der EU am 30. März 2019 ohne Abkommen - "hard brexit", Anmerkung). Das wollen wir absolut nicht. Aber so, wie die Dinge derzeit stehen, wäre es naiv, es völlig auszuschließen. Selbst wenn es im Oktober genügend Fortschritte gibt, um in die zweite Phase der Gespräche einzutreten, wonach es derzeit wenig aussieht – ist die Zeit zu kurz, um ein Zukunftsabkommen zwischen EU und London auszuhandeln. Um einen Abgrund zu vermeiden wird eine Übergangszeit deshalb immer wichtiger. Unser britisches BusinessEurope-Mitglied CBI  hat folgenden Vorschlag gemacht: Bis eine endgültige Lösung gefunden ist, soll Großbritannien im Binnenmarkt und in der Zollunion bleiben. Wir unterstützen das  unter der folgenden Bedingung: Die vier Grundfreiheiten der EU bleiben aufrecht, London muss weiter ins EU-Budget einzahlen und den EuGH weiter anerkennen.

Zur Person

Markus Beyrer

Der gebürtige Niederösterreicher (52) ist seit  fünf Jahren Generaldirektor der in Brüssel tätigen, einflussreichen europäischen Vereinigung der Industrie- und Abeitergeberverbände BusinessEurope.  Zuvor war der studierte Jurist und Ökonom von 2004 bis 2011 Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Beyrers Karriere verlief an der Schnittstelle von Politik und Wirtschaft – unter anderem als wirtschaftspolitischer Berater in der schwarz-blauen Regierung von  Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

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