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"Jedes Jahr starten neue Feste"

21-09-2017, 06:00

Es begann 2011, als im Raum Wien Wiesenfeste, die stark an das Münchner Oktoberfest erinnerten, ihre Pforten öffneten. Sechs Jahre später sind manche von ihnen Institutionen mit 100.000 Besuchern und mehr geworden. Die Wiesenfeste haben nicht nur den Zeitgeist auf den Punkt getroffen, sondern sich auch zu einem veritablen Wirtschaftsfaktor entwickelt. "Die Leute haben eine Freude, ein Bewusstsein für ihr eigenes Land zu bekommen und ihre Verwurzelung zu spüren", sagt Christian Feldhofer, geschäftsführender Gesellschafter des Wiener Wiesn-Festes.

Ein erfolgreiches Wiesenfest braucht laut Feldhofer Authentizität, künstlerische Vielfalt und Qualität bei Speisen und Getränken. Dann rollt auch der Euro. An die 350.000 Besucher gehen in den drei Wochen bei der Wiener Wiesn ein und aus und sorgen für einen Umsatz von zehn Millionen Euro.

450 bis 650 Mitarbeiter – je nach Tag und Programm – sind für deren Unterhaltung zuständig. 250 und damit mit Abstand am meisten arbeiten in der Gastronomie, 100 bis 150 Künstler treten auf und 70 Personen arbeiten als Securitys. Der Rest sind Techniker, Reinigungskräfte und Mitarbeiter im Management und Merchandising.

Viel Geld für Trachten

Die Umwegrentabilität liegt laut Feldhofer bei 20 Millionen Euro. Sechs Millionen werden für Bekleidung – fast ausschließlich Trachten – ausgegeben, zwei Millionen Euro bleiben in der Hotellerie und je eine Million bei Transportunternehmen und im Handel. Das Abgabenvolumen an Bund, Länder und Gemeinden liegt bei fünf Millionen Euro. "Das sind stolze Summen, wenn man bedenkt, dass es diese Art von Festen vorher nicht gab", sagt Feldhofer.

Von Anfang an dabei

Für Unternehmer ist das Fest eine willkommene Werbefläche: "Seit sieben Jahren ist Gösser Partner und Namensgeber für das größte Festzelt auf der Kaiserwiese", sagt Markus Liebl, Generaldirektor der Brau Union Österreich. Das Wiener Wiesn-Fest werde in Österreich immer mehr zu einer fixen Größe. Und auf einer solchen sieht sich Gösser gut positioniert.

Auch Wiesbauer ist von Anfang an dabei. "Zu einem klassischen Wiener Familienbetrieb, wie wir das sind, passt das gut", sagt Thomas Schmiedbauer, Geschäftsführer von Wiesbauer. Der Trend gehe Richtung Dirndl und Lederhose, da sei Wiesbauer mit seinen rustikalen Produkten am richtigen Ort.

Ein wahrer Renner

"Es werden jedes Jahr neue Oktoberfeste gestartet und bestehende ausgebaut", sagt Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes der Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich. Diese Feste im Herbst hätten sich zu einem wahren Renner entwickelt. "Die Verbindung mit der Volksfestatmosphäre und den Schaustellern ist eine willkommene Abwechslung", sagt Pulker. Der Rückzug in Brauchtum und Tradition sei in Zeiten wie diesen modern geworden. In einem Zelt zu sitzen und einen gebratenen Ochsen zu essen, sei etwas anderes, als ein Gasthausbesuch. Das sei ein richtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Indem man diese Tradition aus Bayern übernommen habe, habe man eine Lücke gefüllt, die schon seit längerem bestanden hatte. Die Erfahrungen mit den Veranstaltern sind positiv. "Mit ihnen haben wir nicht die Probleme wie mit den Vereinsfesten", sagt Pulker. Vereine würden oft ohne Genehmigung und Registrierkassen Feste durchführen. Bei den Oktoberfesten sei dagegen alles nachvollziehbar und die Mitarbeiter angestellt.

Mit 16.000 Gästen und  700-Zeltsitzplätzen ist das „Kiritog Bierzelt in Altaussee“ zwar nicht das größte Wiesenfest in Österreich, in einer Disziplin ist es aber unerreicht: 600 Fässer Bier werden in zweieinhalb Tagen geleert. Das ist pro Kopf und Sitzplatz mehr, als auf dem Münchner Oktoberfest, sagt der für den Kirtag Verantwortliche Werner Fischer.
Die Altausseer sind ihren Grundsätzen treu geblieben: freier Eintritt, freier Zugang zum ganzen Gelände, keine Lautsprechermusik, nur unverstärkte Blasmusik, kein Tanzboden und die berühmten Grillhenderl vom Holzkohlengrill. Veränderung gibt es aber auch in Altaussee. „Das Publikum wird immer gemütlicher“, sagt Fischer. Polizeieinsätze, Alkoholexzesse und Führerscheinabnahmen gebe es nicht mehr. Menschen aus nah und fern würden anreisen, um sich hier zu treffen – Gäste aus Norwegen und Australien sind keine Seltenheit, stark vertreten sind vor allem Tiroler, Wiener, Bayern und Italiener. „Wir sind sehr international, das hat sich verstärkt, vor allem durch Mundpropaganda“, so Fischer.  
Der Umsatz ist wegen des Außenbetriebs vom Wetter abhängig, grundsätzlich aber im Steigen. Einen Gewinn erzielt der Kirtag nur, weil 450 Mitarbeiter gratis 8500 Stunden arbeiten. „Sonst wären wir eben auf“, sagt Fischer. So können 160.000 Euro an die Freiwillige Feuerwehr gespendet werden. Die Zahl der Wiesenfeste in Österreich steigt, meint Fischer. „Durch die großen Feste gehen die anderen aber unter.“ 

Seit sechs Jahren gibt es das Oktoberfest „Brunner Wiesn“ in Brunn am Gebirge, womit es laut Gründer Andreas Hammerschmid eines der ersten Feste dieser Art im Ballungsraum Wien ist. Anfangs dauerte es eine Woche und hatte 2000 Besucher, mittlerweile dauert das Fest drei Wochen und hat 100.000 Besucher. „Früher wurde man mit einer Lederhosen ausgelacht“, sagt Hammerschmid. Heute werde man schief angeschaut, wenn man auf das Fest ohne Lederhosen käme. Wieso Wiesenfeste in Österreich so populär geworden sind? „Musiker wie Andreas Gabalier und Helene Fischer haben der Jugend einen Zugang dazu  gegeben“, sagt Hammerschmid.
Geht es um den Umsatz der Brunner Wiesn ist der Veranstalter zurückhaltend. Die Umwegrentabilität sei durch Kommunalsteuer und Nächtigungen für die Region aber nicht unbeträchtlich. Merchandising und Fahrgeschäfte würden das Angebot bereichern und für gute Stimmung sorgen. Und genau für diese sei das Fest bekannt.

In München hat die Polizei einen neuen Tatbestand geschaffen. Wer einen Wiesnbesucher, der seinen Rausch ausschläft, bestiehl, macht sich des „Schläferdiebstahls“ strafbar. Damit es nicht so weit kommt, hat man sich auf der Wiener Wiesn etwas einfallen lassen. Wenn das Tagesprogramm vorbei ist, wird das Festzelt zwischen 18 und 18:30 Uhr gesperrt und geputzt. Bei der Gelegenheit werden alle Gäste hinauskomplimentiert. Danach kommen nur „frische“ Biertrinker zum Abendprogramm. Das Zelt hat dann noch vier Stunden offen – ein paar Bier gehen sich zwar aus,
unter dem Tisch landet aber kaum einer.

Wirbel um Gay-Sonntag

München. Die Internetseite oktoberfestportal.de ist hat zuletzt zur Empörung bei Vertretern der Grünen  in Deutschland geführt. Das Internetportal, das Tipps zum Besuch der Wiesn gibt, hat Homosexuelle davor gewarnt, ihre sexuelle Haltung in der Öffentlichkeit zu zeigen. Da „nicht jeder Besucher des Oktoberfests tolerant genug dafür ist“. Dennoch kamen rund 7000 Homosexuelle zum traditionellen Gay-Sonntag ins Bräurosl auf der Münchner Wiesn.

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