Verbraucherschutzorganisationen haben Kinder- und Babyprodukte, Lebensmittel- und Getränkedosen auf die als gesundheitlich problematisch eingestuften Bisphenole überprüft. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus.
"Wir haben Beißspielzeug, Decken, Dosen, Lätzchen, Schuhe, Sonnenbrillen, Strumpfhosen und Trinkflaschen untersucht. Von 86 Produkten waren nur 28 frei davon", berichtete der Verein für Konsumenteninformation (VKI). Am besten schnitten Babylätzchen ab. Bei Getränke- und Konservendosen war kein Produkt unbelastet.
"BPA-frei" manchmal fälschlicherweise angegeben
Vorab: Den gesetzlichen Regelungen entsprachen alle Erzeugnisse. Von den Lätzchen erhielten zehn von zwölf eine Bestbewertung. Beim Beißspielzeug waren hingegen nach Einschätzung der Fachleute "nur vier der neun Produkte in Ordnung". Die Babyschuhe im Test seien alle "hoch belastet" gewesen. Hersteller würden aber immerhin bereits an bisphenolfreier Gerbung arbeiten.
Einige der Kinderspielzeuge, Trinkflaschen und Trinkbecher seien als "BPA-frei" angeboten worden, das Versprechen halte aber nicht: "So wird etwa aus dem Beißspielzeug von dm babylove BPA freigesetzt. Ikea verweist beim Kinderbecher Börja darauf, dass der verwendete Kunststoff unbedenklich sei. Wir fanden im Mundstück jedoch hohe Mengen BPM (eine der BPA-"Alternativen", Anm.), kritisierten die Konsumentenschützerinnen und -schützer, die eine unabhängige Zertifizierung fordern. Relativ oft fündig wurden die Tester in Lebensmitteldosen, die Paradeiser enthielten, und fast durchwegs in Getränkedosen mit Softdrinks.
VKI kritisiert unzureichende gesetzliche Bestimmungen
"Zumindest vom einzelnen Produkt dürfte keine akute Gesundheitsgefährdung ausgehen. Im Alltag sind wir jedoch mit vielen Produkten konfrontiert, die hormonell wirksame Substanzen enthalten bzw. abgeben. Die Benutzung mehrerer Produkte führt zum sogenannten Cocktail-Effekt mit unvorhersehbaren gesundheitlichen Risiken", warnt der VKI. "Aus diesem Grund haben Chemikalien wie Bisphenole unserer Ansicht nach in Konsumgütern nichts verloren." Die gesetzlichen Bestimmungen seien "unzureichend", und wie der Test ebenfalls zeige, könnten die Hersteller auch auf Produkte setzen, die keine bzw. nur sehr geringe Mengen an Bisphenolen enthalten.
Bisphenol A (BPA) wurde vor rund 120 Jahren erfunden und steckt in unzähligen Konsumgütern, vor allem in vielen Kunststoffprodukten, aber auch in Beschichtungen für Konserven- und Getränkedosen. "Seit den 1930er-Jahren weiß man, dass BPA eine ähnliche Wirkung wie Östrogene hat. Seither versucht die Industrie, Sicherheitsbedenken zu zerstreuen", kritisiert der VKI. "Doch in den späten 90er-Jahren zeigten Untersuchungen an Tieren, dass BPA bereits in niedriger Dosierung gesundheitsschädliche Wirkungen hat und sich unter anderem auf die Entwicklung von Organismen auswirkt." Außerdem erhöhe die Chemikalie das Risiko für Brust- und Prostatakrebs, Fettleibigkeit, Stoffwechselstörungen, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Zuletzt wurde BPA vermehrt durch Bisphenol S (BPS) und Bisphenol F (BPF), mitunter auch Bisphenol M (BPM) ersetzt. Doch die Ersatzstoffe hätten teilweise ähnliche Wirkungen, so der VKI.
Bisphenole besonders für Babys und Kleinkinder problematisch
Bisphenole sind den Konsumentenschützern zufolge insbesondere für Babys und Kleinkinder problematisch. Daher lag der Fokus der teilnehmenden Organisationen aus Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Slowenien und der Tschechischen Republik vor allem auf Kinderprodukten bzw. Erzeugnissen, die von Kindern bevorzugt werden. Insgesamt wurden 179 Konsumgüter analysiert, 86 waren zum Testzeitpunkt im Jänner in Österreich erhältlich.
Einige Vorsichtsmaßnahmen könnten die Aufnahme von Schadstoffen minimieren: "Waschen Sie Textilien vor Gebrauch. Konsumieren Sie möglichst wenig Lebensmittel aus der Konservendose. Füllen Sie Trinkflaschen und Becher regelmäßig auf und trinken Sie kein Wasser, das über Tage hinweg in der Flasche gestanden ist. Geben Sie kleinen Kindern nur Produkte, die dafür vorgesehen sind, dass man sie in den Mund nimmt", rät der VKI.
Auf EU-Ebene gab es zuletzt sehr divergierende Einschätzungen über die gesundheitlichen Gefahren durch die Chemikalie: Während die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) BPA nach einer Neubewertung drastisch einschränken will, sieht die EU-Arzneimittelagentur (EMA) eine Gefahr nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Die EFSA senkte indes vergangene Woche den "sicheren Grenzwert" TDI für BPA um den Faktor 20.000 auf 0,2 Nanogramm (0,2 Milliardstel pro Gramm) pro Kilogramm Körpergewicht und Tag.