Die geplante Einführung der Pflegelehre sorgt weiter für breite Kritik. Berufsvertretungen warnen in Stellungnahmen zum Begutachtungsentwurf für eine entsprechende Novelle des Berufsausbildungs- bzw. des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz u.a. vor einer Überforderung von Jugendlichen und der weiteren Überlastung des aktuellen Personals. u.a.
Die Pflegelehre ist Teil der im vergangenen Jahr vorgestellten Pflegereform. Sie soll ab Herbst 2023 als Ausbildungsversuch möglich sein und sechs Jahre nach Einführung evaluiert werden. Interessenten können sich für die Lehre zur Pflegefachassistenz (Dauer: 4 Jahre) oder für die Lehre zur Pflegeassistenz (3 Jahre) entscheiden. Für Tätigkeiten an Patienten ist aber ein Mindestalter von 17 Jahren vorgesehen. Erst danach sollen Jugendliche Schritt für Schritt an pflegerische Tätigkeiten herangeführt werden.
"Die für den Pflegeberuf, der eines sensiblen Umgangs mit und in der Intimsphäre von vulnerablen Menschen bedarf, erforderliche sexuelle und geistige Reife von Kindern und Jugendlichen im Alter von 15 Jahren kann nicht vorausgesetzt werden", schreibt der Österreichische Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) in seiner Stellungnahme. Deshalb sei ja auch die praktische Ausbildung rechtlich erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres erlaubt. "Lehrlinge können also in den ersten Lehrjahren bestenfalls als patient:innenferne Hilfskräfte eingesetzt werden. Das widerspricht dem Sinn einer dualen Ausbildung und fördert keineswegs die Attraktivität des Pflegeberufs. Eine hohe Drop Out-Rate als Folge ist prognostizierbar."
Ähnlich auch die Gesundheitsgewerkschaft in der GÖD: Dazu komme noch, dass die praktische Anleitung und Begleitung Auszubildender die Beschäftigten in der Pflege aufgrund des eklatanten Personalmangels schon jetzt vor große Herausforderungen stelle. Das duale System der Lehre mit rund 80 Prozent betrieblicher Ausbildung werde das diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonal "aufgrund der hohen Präsenz der Lehrlinge im Lehrbetrieb noch weiter an seine Grenzen führen". Die Gewerkschaft verweist auch darauf, dass mit der Pflegelehre die Ausbildungszeiten verdoppelt werden: "Die Ausbildung in der Pflegefachassistenz (PFA) dauert im Rahmen einer Lehre statt zwei vier Jahre und die in der Pflegeassistenz (PA) statt einem drei Jahre."
Beide Organisationen verweisen auch auf die erst kürzlich beschlossene Überführung der Schulversuche zu Fachschulen für Sozialberufe mit Pflegevorbereitung bzw. zu Höheren Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung in das Regelschulwesen. Die "Alterslücke" zwischen dem Ende der Pflichtschulzeit und dem Einstieg in die Pflegeausbildung sei damit ohnehin geschlossen worden.
SOS Kinderdorf fragt sich als Kinderrechts- und Kinderschutzorganisation, was die Lehrlinge bis zum Alter von 17 Jahren machen sollen. Da der theoretische Ausbildungsanteil einer Lehre mit 20 Prozent definiert sei, würden 80 Prozent für praktische Tätigkeiten bleiben. "Wenn diese nicht am Patienten stattfinden dürfen, bedeutet das in der Praxis z.B. zwei Jahre putzen, Wäsche waschen und Essen bereitstellen."
Mit ähnliche Argumenten ebenfalls kritisch sieht die Pflegelehre der Dachverband der österreichischen Sozialversicherungen - hervorgehoben wird auch die "Fragmentierung des Ausbildungsangebots". Unterstützung für die Pflegelehre kommt dagegen grundsätzlich von Wirtschaftskammer und Seniorenrat - letzterer macht aber ebenfalls darauf aufmerksam, dass es keinesfalls zu einer Überforderung der Jugendlichen kommen dürfe.