KURIER: Man versucht seit Jahren mit verschiedenen Maßnahmen mehr Geschlechter-Gleichheit am Arbeitsplatz zu schaffen. Was wird die Digitalisierung für Frauen tun?
Astrid Rauchfuss: Ich denke, sie ist für Frauen ganz eindeutig eine Chance. Aus zweierlei Hinsicht: Wenn man Interesse an Technik zeigt, sich auskennt, kann man in dieser Welt glänzen. Zum Zweiten erlaubt sie viel Flexibilität, etwa mit Teams und Kunden virtuell zu arbeiten. Man kann den Arbeitsalltag ganz neu gestalten.
Zuhause am Laptop arbeiten, während das Baby am Boden still und leise spielt? Die Realität ist anders. Setzt man mit Telearbeit Frauen nicht noch mehr unter Druck? Weil sie dann beides gleichzeitig tun können?
Ich kenne es aus eigener Erfahrung: Wenn man zuhause mit Kind arbeiten will, ist das Chaos perfekt. Damit das funktioniert, muss man Strukturen haben, die ein normales Arbeitsumfeld ermöglichen. Mein Team sitzt in Düsseldorf, ich bin in München. Für ein Meeting mit meinen Düsseldorfer Kollegen kann ich im Büro einen sogenannten iRoom nutzen. Da sitze ich den Kollegen in Echtzeit in einer Videokonferenz gegenüber und kann mit ihnen am Bildschirm eine Präsentation durchgehen. Und ich kann so schneller wieder bei meiner Tochter sein. Sonst hätte ich in den Flieger nach Düsseldorf steigen müssen.
Die wenigsten Firmen haben diese Ausstattung.
Ich arbeite viel mit Technologiefirmen. Da ist das natürlich Standard. Andere Industrien könnten sich daran aber leicht orientieren. An vielen Stellen bräuchte es nur ein bisschen guten Willen, um das durchzusetzen. Man kann sich nicht immer nur auf das konzentrieren, was nicht möglich ist. Viele Buben haben schon mal einen Computer neu aufgesetzt, aber die wenigsten Mädchen.
Kann sich die Ungleichheit mit der Digitalisierung auswachsen?
Das ist auch eine Frage des Mutes. Ich sehe selbst bei den jungen Leuten, die zu BCG kommen, dass sich Männer besser darstellen können. Eine Frau hat zehn Mal einen Computer neu aufgesetzt und meint noch immer, sie kann es nicht. Ich denke nicht, dass es an der Substanz mangelt. Immerhin sind Mädchen oft besser in der Schule und mehr Frauen schließen ein Studium ab. Die Frage ist, wie gut sich jemand verkaufen kann. Und auch da kann die Digitalisierung helfen. Wenn in Zukunft ein Programm das Recruiting übernimmt, geht es um rein objektive Faktoren. Frauen werden dann seltener benachteiligt.
Was muss man dann haben? Sind digitale Skills die harte Währung des Jobmarkts der Zukunft?
Das glaube ich schon. Aber man darf nicht rein auf diese Schiene setzen. Es geht um die Kombination. Nicht jeder muss programmieren können, aber man muss zeigen, dass man sich mit der Digitalisierung auseinandersetzt. Wobei man heute ja gern alles Mögliche der Digitalisierung zuschreibt. Da sind auch viele Themen dabei, die nicht revolutionär sind. Telefonkonferenzen haben wir schon vor 17 Jahren gemacht.
BCG rät Frauen, dass sie nicht darauf warten sollten, dass die Firmen ihre digitalen Skills verbessern. Sie sollen das selbst tun. Was braucht es konkret?
Es geht um Interesse und Offenheit und darum, dass man nicht vor Sachen zurückschreckt, nur weil man sie nicht perfekt kann. Frauen sollten nicht versuchen die besseren Männer zu sein. Aber sie sollten zeigen, wenn sie das Verständnis für etwas haben. Das technische Verständnis, inhaltliche Neugier, gepaart mit den typisch weiblichen Attributen ist unschlagbar.
Rät BCG den betreuenden Unternehmen generell, Frauen mehr zu pushen?
Absolut. Unsere Untersuchungen zeigen, dass sich ein Frauenanteil von 15 bis 20 Prozent im Management positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt . Gemischte Teams funktionieren aus meiner Erfahrung besser. Außerdem sind gute Mitarbeiter eine knappe Ressource. Ein Unternehmen kann es sich heute nicht mehr leisten, einen Talentpool nicht ganz auszuschöpfen.