Es war im Frühling 1973, als die New Yorker Künstlerin Liz Christy vom Schmutz ihrer Stadt endgültig genug hatte. Gemeinsam mit Freunden erschuf die selbst ernannte „Green Guerilla“ mitten im dreckigsten Viertel von Manhattan ein illegales, kleines Biotop. Der Zuspruch war enorm: Immer mehr Freiwillige begannen, öde Stellen zu bepflanzen. 1974 folgte schließlich die offizielle Bewilligung – das Phänomen „Gemeinschaftsgarten“ konnte in die Welt hinausgetragen werden. Auch in Österreich gibt es immer mehr dieser grünen Organisationen. Anlaufstellen gibt es viele: Seitens der Stadt Wien wurde etwa die Webseite „Garteln in Wien“ eingerichtet. Bewohner können sich hier informieren, wo sie selbst Gemüse und Obst anbauen ober beziehen können. Auch der 2007 gegründete, gemeinnützige Verein „Gartenpolylog“, bei dem bereits mehr als 250 Gartengruppen eingetragen sind, unterstützt den Aufbau neuer Anlagen. Darüber hinaus begleitet und vernetzt er bereits bestehende Gruppen. „Anfangs gab es kaum Gemeinschaftsgärten. Mit mehr als 80 bei uns registrierten Projekten liegt Wien übrigens auf Platz eins“, erklärt Obmann David Stanzel. Auf dem zweiten Platz rangiert Oberösterreich, das Schlusslicht bilden Vorarlberg und das Burgenland. „Städter haben oft keinen Privatgarten. Auf dem Land spielt der soziale Aspekt eine Rolle. Die Leute kommen zusammen, um nicht allein in ihrem Garten zu sitzen“, erläutert Stanzel die Beweggründe. Die Organisation der „Community Garden“ ist unterschiedlich. Meist sind es Vereine. Träger sind die Stadt oder die Gemeinde, oft auch Private.
Eines der vielen Beispiele in Wien ist etwa der Mintzgarten im zweiten Bezirk. „Gegründet wurde unser Verein Ende 2012, im darauffolgenden Frühling haben wir die ersten Beete bepflanzt“, erzählt Schriftführer Roland Krasser. Derzeit sind 19 Mitglieder aktiv, jeder bewirtschaftet ein eigenes Beet. Zusätzlich werden Gemeinschaftsflächen angeboten: Vom Kräuterbeet über die „Naschhecke“ mit Beeren aller Art bis hin zum Weingarten. Foto: Getty Images/kupicoo/IStockphoto.com Was zeichnet den Mintzgarten aus? Krasser: „Das Kennenlernen von Personen, die im Grätzl wohnen. Wir wollen gemeinsam etwas verwirklichen. Dazu kommen Feste oder gegenseitige Unterstützung, wenn es etwa ums Gießen geht.“ Teilnahmebedingungen gibt es keine. „Da die Fläche ursprünglich nur eine Wiese war, war das Mitmachen anfangs an die Bereitschaft geknüpft beim Aufbau zu helfen“, erklärt Krasser. Inzwischen werden die Beete aber auch neu vergeben. Krasser: „Anfänger sind willkommen. Am Beginn der Gartensaison gibt es ein Treffen, bei dem Infos und Samen ausgetauscht werden.“ Die Jahresgebühr beträgt 40 Euro, zudem ist eine Kaution von 100 Euro zu hinterlegen. Anbauen darf jeder, was er will. „Die Beete werden individuell bewirtschaftet. Von Gurken und Tomaten über Kräuter bis zu Mais und Wein. Geregelt ist nur der biologische Anbau“, sagt Krasser.
In Kärnten, nahe dem Ossiacher See, befindet sich das Regenbogenland. Von der evangelischen Kirche vor zehn Jahren gegründet, liegt der Fokus neben dem Gärtnern vor allem auf der Begegnung mit Einwanderern und Migranten. „Unterstützende Mitglieder gibt es rund 70, reine Beetmieter haben wir derzeit etwa 30. Im Jahr 2016 waren es 19 Nationen, heuer sind es ‚nur‘ neun. Das ändert sich ständig“, erzählt Gründungsmitglied Gundl Rathke. Die bunte Mischung der Nationen ist Teil des Konzepts. „Von Island bis Afghanistan ist alles dabei. Natürlich auch Einheimische, die Anschluss suchen. Die Kulturen lernen voneinander. Eine Senegalesin hat etwa versucht, Erdnüsse anzubauen – die Ernte war zwar minimal, aber es ist gelungen“, erzählt Rathke. Auch im Regenbogenland darf jeder anbauen, was er will. Ganz oben auf der grünen Hitliste: Tomaten, Salat, Radieschen und Karotten. Ebenso gilt: nur bio. Es dürfen kein Kunstdünger und keine Pestizide eingesetzt werden.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Giorgio Magini/IStockphoto.com Etwas anders gestaltet sich das Modell der „Selbsternte“. Während nämlich beim Gemeinschaftsgarten die interkulturelle Komponente im Vordergrund steht, will die „Selbsternte“ ihren Mitgliedern vor allem eine ertragreiche Ernte garantieren. Anbieter ist immer ein Bio-Bauer. Dieser stellt Interessierten eine größere Fläche zur Verfügung, erledigt die Bodenarbeiten und übergibt den fertigen Grund im Frühling den Beet-Mietern. „Mit 30 bis zu 80 Quadratmetern sind die Parzellen größer als bei Gemeinschaftsgärten“, erklärt Regine Bruno, Koordinatorin der Selbsternte-Gärten. Entstanden ist das Konzept „Selbsternte“ 1987 am Stadtrand von Wien. Die Idee dahinter: Die Verbindung Bauer/Kunde sichtbar zu machen. „Das eigene Gärtnern hat viel mehr Erlebnischarakter als das Einkaufen im Supermarkt. Und das Gemüse schmeckt so viel besser, wenn es frisch geerntet wird“, sagt Bruno.
Derzeit gibt es 2600 Nutzer des Selbsternte-Prinzips, Angebote finden sich vor allem in Ostösterreich, ein weiterer Ausbau ist durchaus geplant. Was das Anpflanzen betrifft, so hat der Mieter bei dieser Form des Gärtners nur teilweise freie Auswahl. „Den Grundanbau macht der Bauer, er bietet rund 20 Gemüsesorten an und jeder findet in seinem Beet einen gewissen Anteil davon vor. Es gibt aber zusätzlich eine Fläche für individuelles Anpflanzen. Das ist sicher eine Erleichterung für Garten-Newcomer. Wer es ganz individuell mag, ist bei uns nicht richtig“, sagt die Organisatorin.
Unter diesen Voraussetzungen kann der Ertrag sehr gut ausfallen – unter Umständen reicht die Ernte sogar bis über den Winter. Beim Genießen der eigenen Gemüsesuppe lässt es sich dann sicher leichter auf den nächsten Garten-Frühling warten.