Der klassische Mittelsmann muss sich auf neue Zeiten einstellen, ist Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, überzeugt. Egal, ob es sich um Banker oder Verkäufer von Gebrauchtautos handelt. Die Blockchain werde ganze Branchen umkrempeln. Anstatt vor ihr die Augen zu verschließen und zu hoffen, dass sie wieder von der Bildfläche verschwindet, sollte man besser schauen, wie man sie sich zu Nutzen machen kann, sagt Will.
Bisher ist die Blockchain-Technologie vor allem für Kryptowährungen wie Bitcoin bekannt, sie kann aber deutlich mehr. Das World Economic Forum geht davon aus, dass bereits im Jahr 2025 zehn Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts mit der Blockchain-Technologie abgewickelt werden. Accenture rechnet vor, dass sie allein dem Bankensektor 20 Milliarden Euro im Jahr einsparen könnte. "Alle, die ihr Geld mit der Vermittlung von Waren, Geld oder Dienstleistungen verdienen, könnten überflüssig werden. Auch die Händler", kommentiert Rainer Will.
Noch wissen außerhalb der Nerd-Szene aber die wenigsten, was eine Blockchain überhaupt sein soll. Vereinfacht gesagt handelt es sich um spezielle Datenbanken, die Transaktionen ohne eine zentrale Kontrollinstanz mit vollkommener Transparenz verwalten können. Klingt nach ferner Zukunftsmusik, ist aber schon in den ersten Wirtschaftsbetrieben angekommen. Geht es nach den Vorstellungen von Will, könnte die Blockchain auch so manches Geldbörsel verschlanken. Dank einer neuen Lösung für die Unmengen an Kundenkarten.
Rabatte- und Punktesammler schleppen oft stapelweise Karten mit sich herum, sammeln brav Punkte und lösen sie letztlich nie ein. "Eine Ressourcenverschwendung, sowohl für Kunden als auch für Händler", findet Will. Ihm schwebt eine Blockchain-Lösung vor, bei der Kunden Bonuspunkte händlerunabhängig einlösen können. Im Supermarkt, beim Feinkosthändler ums Eck oder in der Boutique. Will: "Die Kunden sollen also auf ihrem Smartphone die vom Handel ausgegebenen Loyalty Coins ohne Verzögerung einziehen beziehungsweise verwalten oder auch in Bargeld umtauschen können."
Revolutionär ist die Idee nicht. Solche Plattformen gibt es längst – stets begleitet von Sicherheitsbedenken. An einer Lösung arbeitet auch ein österreichisches Start-up. Testweise will dieses ein Blockchain-basiertes Loyalty-Programm in der Wiener City einführen. Schon heuer könnte das Programm starten, sagt Will.
International machen sich Händler die Blockchain-Technologie längst zu Nutze. Allen voran der größte Einzelhandelskonzern der Welt, Walmart. Der US-Handelsriese hat nach einer Sammelklage wegen Käseprodukten, in denen Holzspäne gefunden wurden, eine neue Form der Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferantenkette gesucht. Das Hyperledger Blockchain Pilotprojekt – das Walmart gemeinsam mit IBM testet – lässt sämtliche Transporte und Lieferungen von Lebensmitteln in China jederzeit nachverfolgen. Und zwar in Echtzeit. "Die Kontrolle reicht vom Transport über die Kühlkette bis zur Chargennummer", erläutert Will. In einem Land, in dem Lebensmittelskandale mehr oder weniger an der Tagesordnung stehen, eine interessante Technologie.
"Wir sehen hier im umgekehrten Sinne eine hohe Chance für den österreichischen Lebensmittelhandel und dessen hohe Qualitätsstandards eine Technologie bereit zu stellen, die Österreich zum Vorzeigebeispiel macht, in dem jeder Konsument profitiert", sagt Will.
Das Start-up Everledger macht dagegen mittels Blockchain den Weg von Diamanten komplett nachvollziehbar – von der Mine bis zum Kunden. Echtheitszertifikate werden in der Blockchain hinterlegt und können somit immer den richtigen Diamanten zugewiesen werden. "Niemand kann Einträge fälschen oder aus der Blockchain löschen", sagt Will. Jeder Verkauf und Transfer werde registriert, Transparenz sei damit sichergestellt.