Statt wie üblich am Stammsitz in Wolfsburg präsentierte Volkswagen seine Jahreszahlen gestern, Dienstag, im Zentrum Berlins. Vor dem VW-eigenen Veranstaltungszentrum DRIVE empfing rund ein halbes Dutzend Aktivisten der Tierschutzorganisation PETA die Teilnehmer der Pressekonferenz. Sie protestierten gegen Tierversuche im allgemeinen und im speziellen gegen jene von VW. Wie berichtet, hat der Konzern in den USA vor einigen Jahren Abgastests an Affen durchgeführt. "Wir sind uns der Verantwortung bewusst und werden uns entsprechend verhalten", sagte Konzernchef Mathias Müller.
Wie schon im Vorjahr streute er in seiner Rede Asche über sein Haupt. Zu viel ist seit Bekanntwerden der Diesel-Schummeleien im Herbst 2015 vorgefallen, von "Demut" und einer neuen Unternehmenskultur ist mehrmals die Sprache. "Mir ist bewusst, dass sich viele fragen, ob es damit überhaupt jemals etwas wird bei Volkswagen", so Müller. Kulturveränderungen in großen Organisationen würden Zeit brauchen, bat er um Verständnis. Entgegen den Bilanz-Präsentationen in der Vergangenheit stellten sich nur Müller und Finanzvorstand Frank Witter den Journalistenfragen. Die anderen sieben Vorstände waren nicht anwesend.
Und natürlich drehte sich vieles um den Diesel, seine Zukunft und mögliche Alternativen. "Ich bin davon überzeugt, dass der Diesel eine Renaissance erlebt", sagte Müller. "Es gibt keinen Grund, einen Diesel nicht zu kaufen. Die neueste Generation erfüllt alle technischen Bedingungen." Sie sei Teil der Lösung und nicht des Problems. Auch im Sinne des Klimaschutzes und des Erreichens der CO2-Flottenwerte. Müller ist sich sicher, die ab 2021 geltenden, strengeren Werte zu erreichen. "Wir werden keine Strafen zahlen müssen."
Der neuesten Motorgeneration drohen zwar keine Fahrverbote. Laut Müller gibt es dennoch "Risiken". Sie muss noch den erst seit September geltenden verschärften Prüfzyklus durchlaufen. Dabei kommt es schon jetzt, wie der KURIER berichtete, zu Bestell- und Auslieferungsproblemen, auch bei Benzinern. "Es ist viel zu wenig Zeit zu reagieren, es gibt zu wenig Prüfstände, ein Gerangel darum ist im Gange", sagte Müller. Und Witter wird noch deutlicher: "Wir stehen in ganz Europa vor einer Riesen-Herausforderung. Neben den Wechselkursen ist es die größte Unsicherheit im laufenden Geschäftsjahr."
Parallel dazu geht die Vergangenheitsbewältigung voran. 80 Prozent aller Schummel-Diesel seien umgerüstet, heuer möchte Müller zu einem Abschluss finden, wobei 100 Prozent nie erreicht werden würden. Von einer Hardware-Umrüstung hält er weiter nichts. "Das ist keine schnelle Lösung." Ein brauchbarer Umbau würde erst in zwei bis drei Jahren möglich sein. Der nachträgliche Umbau jetzt wäre eine OP am offenen Herzen, das wolle er Fahrzeugbesitzern nicht zumuten.
Milliarden will VW in alternative Antriebe investieren. Das Potenzial beim Erdgasantrieb sieht er "bei weitem noch nicht erschöpft". Bei Elektroautos bekräftigte er das Ziel, bis 2025 bis zu drei Millionen reine E-Autos im Jahr bauen zu wollen. 16 Standorte sollen für die Fertigung umgebaut werden. VW investiert auch in die Ladeinfrastruktur. In einem Joint Venture soll bis 2020 entlang europäischer Autobahnen ein Schnellladenetz mit 400 Stationen gebaut werden. "Nur wenn jetzt zügig die Infrastruktur entsteht, kann das Vertrauen in E-Mobilität wachsen", so der VW-Chef, der dazu einen europäischen Masterplan forderte.
Das Vertrauen der Eigentümer und Aktionäre dürfte Müller jedenfalls weiterhin haben. Der Gewinn des weltgrößten Autobauers stieg im Vorjahr von 5,1 auf 11,6 Milliarden Euro. Die Einflüsse aus der Dieselthematik halbierten sich auf 3,2 Mrd. Euro. Die Dividende steigt je Stammaktie auf 3,96 Euro.
Hinweis: Der KURIER war auf Einladung von VW in Berlin.