Mit großen Hoffnungen wird heute besonders im Burgenland ein Gesetzesvorschlag erwartet, den die EU-Kommission für den Aufbau einer Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) vorlegt. Denn eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Agentur wird sein: "Sie soll die nationalen Behörden dabei unterstützen, besser zusammenzuarbeiten und bestehende Gesetze durchzusetzen, mit der Möglichkeit, Inspektionen der Arbeitsplätze durchzuführen", sagt EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen.
Foto: APA/AFP/THIERRY CHARLIER Im Burgenland, wo besonders viele aus dem EU-Ausland entsendete Arbeitnehmer tätig sind, setzt man vor allem auf robustes Durchgriffsrecht der neuen Behörde. Denn im Vorjahr wurden wegen Lohn- und Sozialdumpings bei entsendeten Arbeitern allein von Ungarn Strafen in Höhe von einer Million Euro eingefordert. Davon konnten aber nur 2000 Euro eingetrieben werden.
"Wir brauchen die europäische Arbeitsmarktbehörde, die mit schlagkräftigen Durchsetzungsrechten und Sanktionsmöglichkeiten ausgestattet sein muss", sagt Evelyn Regner, Delegationsleiterin der SPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament. "Denn dort, wo die nationalen Behörden an ihre Grenzen stoßen, muss die neue Behörde in einem anderen Land ergänzend als Schlichtungsstelle tätig werden können", fordert Regner.
Diese Hoffnungen aber könnten enttäuscht werden. Die Kompetenz, zu strafen und zu sanktionieren, werde die Agentur nicht haben, führt Thyssen aus. Informationsaustausch, Hilfestellung bei Kooperationen, Kontrollen, die Überprüfung von Mindestlohn- und Sozialstandards sowie auch Informationen über Jobangebote in der EU – das werden die Kerngebiete der neuen Agentur sein. Was aber, wenn trotz verbesserter Kooperation zwischen den Staaten weiter Verstöße nicht zu ahnden sind? "Dann bleibt immer noch der Weg über die Gerichte", antwortet Thyssen auf eine KURIER-Frage.
Das Dilemma der neuen EU-Arbeitsagentur: Sozial- und Arbeitsgesetze fallen in die Kompetenz der Nationalstaaten. Und diese wehren sich gegen den Zugriff durch die Kommission. Auch vonseiten der Wirtschaft herrscht eher Skepsis: Kontrolle sei im Prinzip gut, äußerte der deutsche Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer zuletzt Zweifel hinsichtlich einer möglichen "bürokratischen Mammutbehörde. Es ist aber nicht notwendig, dass eine EU-Zentralbehörde leistet, was in der Verantwortung der einzelnen Länder liegt."
Was also kann die neue Arbeitsbehörde? 16 Millionen EU-Bürger, doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren, arbeiten bereits im EU-Ausland. Tendenz stark steigend. "Diese Mobilität muss auf europäischer Ebene organisiert und koordiniert werden", sagte eine Kommissionsmitarbeiterin. "Wir sehen die Behörde als eine Art Schiedsrichter auf dem europäischen Arbeitsmarkt."
Die Behörde soll bereits im kommenden Jahr ihren Betrieb aufnehmen. Anfangs soll sie an die 100 bis 150 Mitarbeiter zählen, könnte aber im Lauf der Zeit noch wesentlich größer werden, heißt es vonseiten der Kommission.
"Wir setzen uns dafür ein, dass diese Agentur nach Österreich und am besten nach Wien kommt. Die Probleme von Lohn- und Sozialdumping und mangelnden Kontrollmöglichkeiten kennen wir in Österreich nur zu gut", sagt Regner.
Im Vorjahr kamen 300.000 EU-Arbeitskräfte per Entsendung nach Österreich. Bei Kontrollen im ersten Halbjahr 2017 gab es bei 0,9 Prozent der Arbeitnehmer von österreichischen Betrieben Verdachtsfälle auf Unterbezahlung. Bei Entsendebetrieben mit einem Firmensitz in anderen EU-Staaten, die Beschäftigte nach Österreich entsenden, lag die Quote der Fälle hingegen bei 44 Prozent.
Das amerikanische Modell steht Pate: In den USA hat jeder Bürger eine Sozialversicherungsnummer, ohne die ihn kein Arbeitgeber anstellen darf und ohne die er keine Unterstützung von Sozialbehörden erhält. Ähnliches schwebt auch der EU-Kommission vor, die bereits seit geraumer Zeit an Plänen für eine europäische Sozialversicherungsnummer tüftelt.
Heute sollen entsprechende Vorbereitungen von Sozialkommissarin Thyssen präsentiert werden. „So wie es den IBAN-Code für Banküberweisungen gibt, so soll es auch eine Sozialversicherungsnummer geben“, sagt Thyssen. Und sie könnte helfen, in grenzüberschreitenden Fällen schnell festzustellen, ob und welcher Sozialversicherungsschutz bei EU-Bürgern daheim vorliegt.
Momentan aber gleichen die Pläne eher einer Vision als handfesten Fortschritten. Bisher geht jedes EU-Land seinen eigenen Weg. In Österreich stimmen etwa nicht einmal Steuernummer und Krankenversicherungsnummer überein.