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ÖBB-Chef im Interview: "Mehr persönliches Kundenservice"

10-03-2018, 06:00

Herr Generaldirektor Matthä, Sie haben gemeinsam mit Verkehrsminister Hofer zwei Milliarden Euro Investitionen in den Jahren 2018 und 2019 angekündigt. Gleichzeitig hat Hofer versprochen, dass nichts teurer wird. Kann er das?

Andreas Matthä: Ich habe die Frage bekommen, ob die Tickets teurer werden. Und das habe ich verneint. Es wird, wie in der Vergangenheit, Preisanpassungen geben, die aber sehr moderat und stets entlang des Verbraucherpreisindex gelegen sind.

Sind alle Tunnelbauten aus heutiger Sicht noch sinnvoll?

Natürlich. Dahinter stecken Verkehrsprognosen, die für die Republik erstellt werden, und zwar für die Straße und für die Schiene gleichermaßen. Anhand dieser Prognosen haben wir auch die Infrastruktur die letzten Jahre geplant und entwickelt. Wir brauchen Fahrzeitverkürzungen, um das Ziel des integrierten Taktverbandes erreichen zu können. Das ist ein Fahrplan ähnlich dem Schweizer Modell, wo Sie immer zu einer fixen Zeit ein öffentliches Verkehrsmittel zur Verfügung haben.

Aber die Tunnels sind aus heutiger Sicht alle sinnvoll?

Definitiv ja. Wenn man sich die Südstrecke ansieht, da ist es hoch an der Zeit, dass sie endlich modernisiert wird. Diese Strecke ist immerhin deutlich über 100 Jahre alt. Durch die Modernisierung der Weststrecke haben wir einen enormen Fahrgastzuwachs erreicht, von diesem Streckenausbau haben auch andere Eisenbahnunternehmen stark profitiert. Bei einer zukünftigen Fahrtzeit von nur noch 2 Stunden 40 von Wien nach Klagenfurt ist das Potenzial der Südstrecke mindestens genauso hoch.

Der Brenner-Basis-Tunnel ist besonders teuer.

Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen und auch die Bevölkerung vom Lkw-Verkehr entlasten wollen, gibt es keine Alternative zum Brenner-Basis-Tunnel.

Die ÖBB ist immer auch ein politisches Unternehmen. Diesmal wurde nur der Aufsichtsrat umgefärbt, nicht der Vorstand.

Diese Frage muss man dem Eigentümer stellen.

Hatten Sie Vieraugengespräche mit dem neuen Minister?

Ich habe mit Minister Hofer eine sehr gute Gesprächsbasis. Auch ist die Bilanz der ÖBB und des Managements sehr herzeigbar.

Die ÖBB haben 40.000 Mitarbeiter, auf der Webseite suchen Sie nur 86 neue. Bauen Sie weiter Personal ab durch Pensionierungen?

Wir stehen natürlich vor einem großen Generationenwechsel. Das Durchschnittsalter liegt momentan bei 46 Jahren. In den kommenden Jahren wird rund ein Viertel der Kollegen in den Ruhestand gehen.

Wie viele werden Sie ersetzen?

Zirka 13.000 werden das Unternehmen verlassen, etwa 10.000 neu ins Unternehmen kommen. Durch die Rationalisierungen in der Betriebsführung benötigen wir weniger Menschen, weil das durch Technik ersetzt wird. Wo wir nicht sparen, ist beim Service am Kunden, da werden wir eher mehr an persönlicher Betreuung anbieten.

Foto: KURIER/Jeff Mangione

Aber auch die ÖBB werden eher ein Technologiekonzern.

Natürlich, wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, aber wir haben eine extrem hohe Technologiekomponente. Es ist in Wirklichkeit ein komplett technisch vernetztes System. Wir suchen Mathematiker, IT-Spezialisten, Bauingenieure und Maschinenbauer. Allerdings sind wir mit der Suche nach solchen Fachkräften nicht die Einzigen auf dem Markt.

Wer entscheidet über den neuen Vorstand für den Personenverkehr? Da laufen die alten Verträge mit Jahresende aus.

Es gibt wie immer ein normales Bewerbungsverfahren. Der Aufsichtsrat wird dann entscheiden. Politische Interventionen halten wir aus dem Unternehmen raus.

Das Thema Catering bewegt immer, obwohl nur wenige Passagiere im Speisewagen essen.

Wir sehen in unseren Kundenbefragungen, dass Catering im Zug wichtig ist, dass es sehr wohl nachgefragt wird. In der Ersten und der Businessclass erfolgt das Service auch direkt am Platz, Reisende der Zweiten Klassen bevorzugen den Speisewagen. Mit dem neuen Catering werden unsere Kunden vom Platz aus buchen können. Ab Jahresmitte können Sie vor Fahrtantritt spezielle Menüs ordern, ab Sommer/Herbst werden Sie auch in der Zweiten Klasse online bestellen können.

Ist das neue Angebot vom Service oder von den Produkten besser als DO&CO?

In der Gesamtheit war es deutlich überzeugender.

Beim Cargo sind die Margen sehr gering.

Die Wirtschaft boomt, die Mengen wachsen stark. Innerhalb von Europa sind die Margen allerdings bescheiden, weil wir vor allem in Konkurrenz zum Lkw stehen und die Dieselpreise nach wie vor sehr günstig sind. Dazu kommen die Lohn- und Sozialstandards der Lkw-Fahrer, mit denen wir bzw. alle Eisenbahnunternehmen nur schwer mithalten können.

Sie fahren immer wieder nach China, Stichwort Seidenstraße. Was heißt das für uns? Und welche Rolle spielt da die ÖBB?

Zwischen China und Europa entstehen drei große Korridore. Die Hauptroute, die maritime Seidenstraße, führt von China zu den europäischen Häfen und hat 95 Prozent des Frachtvolumens. Beim Weitertransport von den Häfen hat die ÖBB eine starke Position. Von Piräus heraus fahren wir in der Woche fünf bis sieben Rundläufe in Richtung Budapest. Bei den Verkehren aus Triest sind wir mittlerweile Marktführer im kombinierten Verkehr, dort sind wir mit MSC sehr stark engagiert.

Und der zweite Weg?

Auf dem Landweg gibt es zwei große Routen. Einerseits über den Iran, Aserbaidschan in die Türkei, andererseits über Russland und die Breitspur nach Europa. Bei den Türkei-Verkehren bieten wir jetzt bereits tägliche Verbindungen an, da sind wir definitiv Marktführer Richtung Europa. Und last, but not least über die russische Breitspur, wo vier bis fünf Prozent der Volumina von Asien Richtung Europa gehen, hier haben wir uns gerade jetzt mit einer internationalen Konferenz stärker positionieren können. Wir haben mit den großen Breitspurbetreibern im kombinierten Verkehr entsprechend Joint-Venture-Verträge, sodass wir die gesamte Logistikkette bis zum Endkunden damit anbieten können.

Zur Person

Der 55-jährige Techniker ist ÖBB-"Urgestein". Er war für zahlreiche Bereiche – Finanzen, Controlling, Infrastruktur – zuständig, bevor er im Mai 2016 Christian Kern als Holding-Chef nachfolgte. Sein Vertrag läuft bis Juni 2021.

Werdegang

Matthä besuchte ab 1976 die Abteilung Tiefbau der Höheren Technischen Lehranstalt Wien I, wo er 1982 maturierte und später die Standesbezeichnung Ingenieur erhielt. Ab 1998 absolvierte er berufsbegleitend den Lehrgang Unternehmensführung an der FH Wien, 2002 graduierte er zum Mag. (FH). Ab 1982 war er in der ÖBB-Bauleitung Wien für Brückenbau und Tiefbau zuständig, dann folgten etliche weitere Stationen bei den ÖBB.

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