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Trump-Zölle: Recht des Stärkeren "nicht akzeptabel"

9-03-2018, 18:00

Es gibt akuten Gesprächsbedarf. An sich wollten die EU, Japan und die USA am Samstag in Brüssel über die überschüssigen Stahlmengen beraten, mit denen China der Industrie weltweit zu schaffen macht. Jetzt sind aber durch die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle für Alu und Stahl aus Partnern schlagartig Gegner geworden.

Wie soll die EU darauf reagieren? Der KURIER sprach dazu mit dem deutschen Sozialdemokraten Bernd Lange, dem einflussreichen Vorsitzenden des Ausschusses für Internationalen Handel im EU-Parlament.

KURIER: Wie soll die EU nun konkret auf Trumps Strafzölle reagieren? Ist ein Handelskrieg damit unvermeidbar?

Bernd Lange: Wir wollen keine Eskalation und werden insofern angemessen, aber deutlich reagieren. Trump hat eindeutig internationales Handelsrecht gebrochen. Er hat entschieden, den Markt zuzumachen und abzuschotten. An die sechs Milliarden Euro umfasst das Volumen, das er mit bis zu 25 Prozent Zoll belegen wird. Wir überlegen Gegenmaßnahmen in einem Volumen von nur 2,8 Milliarden und das macht schon deutlich, dass wir nicht eskalieren wollen. Aber die zwei Monate, bis unsere Gegenmaßnahmen wirklich in Kraft sind, werden wir nutzen, um noch einmal mit den USA zu verhandeln.

Europas "maßvolle Antworten" – das sind die Gegen-Zölle auf Jeans, Bourbon, Erdnussbutter?

Was Sie ansprechen, sind nur einige kleinere Zolllinien. Die Hauptzolllinien beziehen sich auf Stahl aus den USA und stahlbezogene Produkte wie etwa Motorjachten. Und dann als dritte Linie die besagte Erdnussbutter, Jeans usw.

Was, wenn Trump wie angekündigt mit weiteren Zöllen reagiert, etwa für deutsche Autos?

Dafür müsste Trump erst nachweisen, dass die nächsten Schritte auch etwas mit nationaler Sicherheit zu tun haben, ansonsten müsste er das mit dem US-Parlament klären. Das aber wird nicht so einfach sein. Zweitens sind von den europäischen Autos, die in den USA verkauft werden, nur zehn Prozent importiert. Die meisten werden im Land gebaut. Das ist also eine Position, die ohne reale Sachkenntnis losgeschmettert wurde. Als Trump in Brüssel war, hat er gefragt: Warum fahren hier keine amerikanischen Autos, und bei uns so viele europäische? Also, das ist offenbar in seinem Kopf. Aber wenn man sich die ökonomischen Strukturen anschaut, gibt es keine Grundlage dafür. Seine Drohung ist als nicht so ernst zu nehmen.

Foto: /Fred MARVAUX Die USA gewähren Ausnahmen für Kanada und Mexiko. Sieht die EU dafür auch Spielraum?

Was Trump gegenüber Kanada und Mexiko ermöglicht hat, ist eine zweischneidige Geschichte. Ich will ja nicht sagen, das ist Erpressung, aber Druck, um die zwei Länder bei den NAFTA-Verhandlungen gefügiger zu machen. Womöglich sollten in einem Deal mit Europa wir dann die Rüstungsausgaben erhöhen oder mehr US-Waren kaufen, ich weiß es nicht. Dann wäre Trump so gnädig, die Zölle zurückzunehmen – aber so kann es ja nicht laufen. Wir haben klare rechtliche Grundlagen, das sind die Kronjuwelen des internationalen Handelsrechts, und daran haben sich bisher alle 164 Staaten der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Dass einer daherkommt und seine Position der Stärke den anderen aufdrücken will – das ist nicht akzeptabel.

Steckt hinter den Strafzöllen also gar nichts anderes als purer Protektionismus?

Die Gefährdung der Nationalen Sicherheit – das ist vorgeschoben, ein Trick. Trump nutzt dieses Gesetz aus den 60er-Jahren, weil er dadurch berechtigt ist, diese Entscheidung allein zu treffen. Dabei ist ja allein schon aberwitzig, dass das Verteidigungsministerium sagt, die Maßnahme habe nichts mit nationaler Sicherheit zu tun.

Aber wenn es über längere Zeit ein Handelsbilanzdefizit der USA gibt, muss man eruieren, woran es wirklich liegt. Ist es nicht auch so, dass in Europa die Produktivität und die Effizienz stärker gefördert wurden und die Wettbewerbsbedingungen sich verschoben haben? Und da liegt wohl der Kern des Problems. Das kann man aber mit Abschottung nicht lösen. Die USA müssen ihre Industrie modernisieren.

Die US-Maßnahmen zielen somit zwar eigentlich gegen China – aber treffen alle anderen?

Im Rahmen des WTO-Rechts gibt es die Möglichkeit, wenn gedumpt, also unter Herstellungskosten produziert wird oder mit unlauteren Subventionen gearbeitet wird, Strafzölle zu erheben. Das machen wir, das haben die USA gemacht, das ist das normale Verfahren. Aber hier holt Trump den Rasenmäher heraus und schottet ab, ohne konkrete Belege auf den Tisch legen zu können. Es ist ja nicht so, dass wir Dumpingprodukte aus Österreich oder Deutschland in die USA schicken. Die Ironie der Geschichte ist: China ist nur der elftgrößte Exporteur von Stahlprodukten in die USA. Trump trifft also eine ganze Reihe von Staaten, bevor er China trifft. Völlig absurd.

Was lässt Sie hoffen, dass Trump einen WTO-Spruch überhaupt akzeptieren würde?

Das Risiko ist nach dem Rücktritt von Gary Cohn (Chef des US-Wirtschaftsrats, Anm.) größer geworden. Der stand zum internationalen Recht, aber sein wahrscheinlicher Nachfolger Peter Navarro eher nicht. Da müssen sich die anderen 163 WTO-Partner nun überlegen, wie sie das System weiterentwickeln.

Das Rechnen hat längst begonnen: Die US-Strafzölle, die ab 23. März gelten sollen, würden Österreichs Stahl- und Alufirmen spürbar treffen. So wollte die AMAG mit Sitz in Ranshofen heuer 35.000 Tonnen Aluminium-Walzprodukte in die USA verkaufen. Die Zölle würden sich auf die Bilanz mit einem "mittleren einstelligen Millionen-Euro-Betrag auswirken", sagte Vorstandschef Helmut Wieser. Glück im Unglück: Die AMAG ist am kanadischen Alu-Produzenten Elektrolyse Alouette beteiligt. Und Kanada und Mexiko sind, zumindest solange über einen neuen Freihandelsdeal mit den USA (NAFTA) verhandelt wird, von den Strafen ausgenommen.

Die voestalpine sieht maximal drei Prozent ihres Gesamtumsatzes betroffen. Dem Stahlkonzern kommt zugute, dass er zwei Drittel in den USA vor Ort erledigt. Die voestalpine hat in den USA 1,4 Milliarden Dollar investiert und 3000 Arbeitsplätze geschaffen. Weitere Investitionen würden derzeit aber einer "kritischen Überprüfung" unterzogen, sagte Vorstandschef Wolfgang Eder.

Schaden für Partner

Weil die NAFTA-Länder Kanada und Mexiko ausgeklammert sind, tritt Trumps Bannstrahl die EU-Exporte am härtesten. Die voestalpine und deutsche Hersteller wie ThyssenKrupp und Salzgitter betonen aber, dass die USA die gelieferten hochwertigen Spezialstähle aus eigener Produktion gar nicht ersetzen könnten. Die Gefahr ist, dass noch mehr Übermengen an Billigstahl aus Asien, die für die USA bestimmt waren, in der EU landen würden.

Die EU-Kommission hofft noch, von den US-Zöllen ausgenommen zu werden. "Wir sind für die USA ein Partner, keine Bedrohung", sagte Kommissionsvizechef Jyrki Katainen. Bei Europas Firmen gebe es weder Preisdumping noch illegale Subventionen. Leider sei völlig unklar, wem Trump die Ausnahmen zugestehen will. Tatsächlich kritisierte er einmal Deutschlands zu niedrige Militärausgaben, ein anderes Mal die höheren Einfuhrzölle auf US-Pkws, auf die in der EU 10 Prozent aufgeschlagen werden, während es in der Gegenrichtung 2,5 Prozent sind. Deshalb habe er auf Brüssels Straßen so wenige US-Autos gesehen, glaubt Trump.

Bei Lkw lägen die Zollaufschläge genau umgekehrt, betonte EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström. Und das geplante Freihandelsabkommen TTIP, das die Zölle senken hätte sollte, wollte ja Trump selbst nicht.

"Im Durchschnitt liegen die Importzölle der USA in der Tat unter jenen der EU", sagte Gabriel Felbermayr, Handelsexperte des Münchner Ifo-Instituts. Die EU sollte den USA deshalb am besten rasch ein Angebot für Senkungen machen. Das schloss Katainen jedoch aus: Jetzt würden keine Handelsgespräche geführt, sondern es gehe darum, die einseitige US-Aktion zu beantworten.

Irrwitz

China, der eigentliche Schuldige an den Überkapazitäten im Stahlbereich, darf sich indes ins Fäustchen lachen. Die aufgeblähte Stahlindustrie der Volksrepublik ist am wenigsten betroffen. "Nur sechs Prozent der Alu- und Stahlimporte in die USA kommen aus China", sagt der frühere Regierungsberater Chad Bown vom Peterson Institute. 94 Prozent der Einfuhren aus China waren nämlich schon vor Trumps Aktion mit (Anti-Dumping-)Zöllen belegt.

Foto: /Economist-Cover „Wir  wollen unsere Schiffe, Flugzeuge und Rüstungsgüter mit Stahl und Alu aus unserem eigenen Land bauen. Wir müssen unsere Industrie schützen, aber flexibel sein für die Zusammenarbeit mit denen, die wirkliche Freunde sind – im Handel und militärisch.“  

US-Präsident Trump, auf der Suche nach der wahren Freundschaft

„Wenn ihr Steuern vermeiden wollt, produziert in Amerika.“

Trumps unmoralisches Angebot

„Ich will keine martialischen Wörter in den Mund nehmen. Das hilft uns ja nicht weiter. Wir sind überzeugt, zum Schluss ist es nachteilig für alle. Keiner würde in einem solchen Wettlauf gewinnen. Aber wir können auch natürlich, seitens Europas, reagieren.“

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel  scheut den Begriff Handelskrieg

„Für meine Ohren klingt das protektionistisch, wenn Trump über Sicherheit spricht. Er wünscht sich eine Wirtschaft ohne Wettbewerb. Entweder wir haben einen regelbasierten Handel, oder es gilt das Faustrecht, das Recht des Stärkeren, wie wir es jetzt sehen.“

EU-Kommissionsvizepräsident Jyrki Katainen, feinhörig

„Die EU kann nicht tatenlos zusehen, wenn Donald Trump die Weltwirtschaft in Geiselhaft nimmt. Die europäische Antwort muss aber eine mit Augenmaß sein.  Ein Handelskrieg schadet allen und nützt niemandem.“

Christoph Leitl, Chef von Europas Wirtschaftskammern

„Hält Europa nicht dagegen, hätten die USA quasi eine Freifahrkarte für ihren Konfrontationskurs.“

Ökonom Marcel Fratzscher (DIW)

„Das globale Handelssystem war seit seiner Einführung Ende des Zweiten Weltkrieges keiner so großen Gefahr ausgesetzt.“

Wirtschaftsmagazin Economist über Sprengmeister Trump

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