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Handelskrieg: Ringrichter hängt selbst in den Seilen

5-03-2018, 18:00

Das ist aber rasch eskaliert: Die USA kündigten hohe Einfuhrzölle auf Stahl und Alu an, die EU drohte prompt mit Aufschlägen für Whiskey oder Jeans zu kontern. Woraufhin US-Präsident Trump als Vergeltung höhere Zölle für deutsche Autos anregte. Wer könnte da schlichten, wenn nicht die Welthandelsorganisation (WTO) in Genf?

Was genau ist die Welthandelsorganisation?

Zwar wurde die Institution erst 1995 gegründet, sie ist aber ein Erbe der Nachkriegsordnung – die WTO ging aus dem Zollabkommen GATT (1948) hervor. Sie stellt Handelsregeln auf und überwacht diese für ihre 164 Mitgliedstaaten. Und sie tritt als Streitschlichter auf, um Handelskriege zu vermeiden. Für die USA war das jahrzehntelang das Mittel, um ihre liberale Wirtschaftspolitik weltweit voranzutreiben.

Wie groß sind die Chancen, dass die WTO die Streithähne zur Räson bringt?

Leider schlecht. US-Präsident Trump sieht die WTO nämlich als das Problem, nicht als die Lösung. Im Wahlkampf hatte er wiederholt mit dem US-Austritt gedroht. Die "Katastrophe" WTO und Chinas Beitritt 2001 seien schuld, dass die USA ein riesiges Handelsdefizit haben.

Welche Möglichkeiten hätte die WTO konkret?

Das übliche Vorgehen wäre, dass die Konfliktstaaten binnen 60 Tagen selbst eine Lösung anstreben. Danach würde ein WTO-Schiedsgericht, besetzt mit Rechtsexperten, einberufen. Gegen dessen Urteil könnte der unterlegene Staat bei der Berufungsinstanz (Appellate Body), quasi dem obersten WTO-Gericht, Widerspruch einlegen.

Was wirft Trump der WTO konkret vor?

Die USA würden "unfair" behandelt, ihre Richter seien in der Minderheit, wetterte Trump Ende Februar. Dieser Vorwurf ist gleich doppelt absurd: Zum einen besteht das Berufungsgericht überhaupt nur aus sieben permanenten Richtern. "Kein Staat hat mehr als ein Mitglied", sagte WTO-Chef Roberto Azevêdo, ein Brasilianer. Die USA hätten, unüblich genug, immer einen Posten besetzt. Absurdität zwei: Die USA selbst blockieren seit dem Vorjahr Nachbesetzungen. Jetzt gibt es überhaupt nur noch vier aktive Richter. Weil die Berufungsinstanz aber aus drei Personen bestehen muss, droht ab 2019 die völlige Blockade der WTO-Streitbeilegung. Heillos überlastet ist das Gericht schon jetzt.

Warum will Trump die WTO umgehen?

Weil er glaubt, die USA könnten ihre Macht besser ausspielen und mehr für sich herausschlagen, wenn sie mit einzelnen, kleineren Ländern Handelsdeals schließen.

Wie vertragen sich Trumps Stahl- und Alu-Zölle mit den WTO-Regeln?

Trump beruft sich auf ein US-Gesetz von 1962, wonach ausländischer Stahl und Aluminium die nationale Sicherheit gefährden. Das Perfide: Damit wird die WTO ausgehebelt, denn sie ist in solchen Fällen unzuständig. Diese Ausnahme war als eine Art Kriegsparagraf gedacht. Experten sprechen von der "Büchse der Pandora", die bisher aus Angst vor der drohenden Eskalation keiner geöffnet hatte.

Warum ruft Trumps Handeln so heftige Reaktionen hervor? Die EU belegt doch Chinas Stahl auch mit Zöllen.

So seltsam es klingt: Zoll ist nicht gleich Zoll. Laut WTO-Regeln ist es in klar definierten Fällen legitim, Importe mit Aufschlägen zu belegen, wenn diese den fairen Wettbewerb verzerren. Das trifft etwa auf Billigstahl zu, der zu Dumpingpreisen verkauft oder illegal staatlich subventioniert wird. Oder es gilt für WTO-genehmigte Retourkutschen. Der Unterschied zu Trumps Rundumschlag: Die Verstöße müssen belegt werden, die Zölle sind auf ein Land und eine Produktkategorie beschränkt sowie zeitlich befristet.

Ist die EU gegenüber den USA bei Auto-Exporten so unfair, wie Trump behauptet?

Tatsache ist, dass die EU die höheren Standard-Importzölle einhebt. So werden bei der Einfuhr von US-Pkws 10 Prozent Aufschlag fällig. In den USA sind es nur 2,5 Prozent auf EU-Fahrzeuge. Da hätte Trump also einigen Spielraum. Nur: Der Zoll-Abbau für US-Unternehmen wäre mit dem geplanten Handelsabkommen TTIP auf dem Tisch gelegen. Das hat aber Trump kurz nach seinem Wahlsieg selbst abgeblasen.

Zahlt sich Trumps Handeln für die USA selbst aus?

Ein Land wie die USA tut sich leichter damit, Handelsbarrieren zu errichten, weil auf den großen Absatzmarkt schwer zu verzichten ist. Ausländische Anbieter müssten also die höheren Kosten schlucken oder ihre Produktion in die USA verlagern.

Trumps Rechnung, dass so mehr Jobs in den USA entstehen, muss aber nicht aufgehen. Zu eng sind die Produktionsketten heutzutage schon weltweit verflochten. Auch eine Fabrik in den USA müsste die höheren Material-Importkosten zahlen. Der schwedische Haushaltsgeräte-Hersteller Electrolux hat deshalb seine US-Investitionen vorerst auf Eis gelegt.

Gut für die Industrie, schlecht für die Bürger: Wenn es weniger Konkurrenz gibt, könnten US-Stahl- und Alufirmen kurzfristig zwar höhere Absatzpreise und bessere Margen erzielen. Allerdings arbeiten in diesen Industrien nur noch vergleichsweise weniger amerikanische Arbeiter. Draufzahlen würden die US-Verbraucher: Vieles würde teurer – von der Getränkedose bis zum Auto. Unterm Strich könnte das sogar Arbeitsplätze kosten. Auf lange Sicht sind Schutzzölle innovationsfeindlich und schaden der Wettbewerbsfähigkeit.

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