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Olympia-Pater: "Sehe die Letzten wie die Ersten"

9-02-2018, 06:00

Er sieht sich im Dienst der Kirche, seit er getauft ist, "weil zur Kirche gehört jeder, der das möchte". Im Stift Heiligenkreuz, unweit von Wien, ist er seit 2006. Da war er 23 Jahre alt. Pater Johannes Paul Chavanne ist zum dritten Mal Seelsorger des österreichischen Olympischen und des Paraolympischen Teams in Pyeongchang. Ein Gespräch über den Glauben in herausfordernden Zeiten.

KURIER: Was ist Ihre Aufgabe in Pyeongchang?

Pater Johannes Paul Chavanne: Im olympischen Dorf gibt es eine breite Infrastruktur – da gehört die Seelsorge dazu. Und zwar für alle Beteiligten, nicht nur für Athleten. Ich feiere die Messe, stehe für Gespräche aller Art zur Verfügung, spreche Mut zu und bete mit ihnen und für sie. Ich habe immer kleine, gesegnete Kreuze dabei – die gehen weg wie die warmen Semmeln.

Wie sehr sind Olympische Spiele ein Ausnahmezustand für die Beteiligten?

Das ist ein Ereignis, das nur alle vier Jahre in Frage kommt – sich dafür zu qualifizieren, ist eine außergewöhnliche Sache. Sportlich gesehen ist es der Olymp. Und dementsprechend mit einer großen Anspannung verbunden.

Wenden sich Menschen in Ausnahmesituationen stärker an einen Gott, an einen Glauben?

Glaube ist eine Beziehungsangelegenheit. Gott ist keine Fantasie, sondern eine Person, die jeden Menschen begleitet. Es gibt das alte Sprichwort: die Not lehrt beten. Ich glaube, ganz stimmt das nicht, denn sonst würden die Leute viel mehr beten. Aber Schlüsselerlebnisse, in denen man am Leben ganz nah dran ist, wie Geburt, Tod, aus der Bahn geworfen werden durch biografische Brüche, Krankheit, machen die religiöse Frage immer wieder neu auf. Das sind Elementarerlebnisse, die die Frage nach Gott im Leben neu stellen.

Es geht bei den Olympischen Spielen um Wettkämpfe. Ist es nicht profan, sich mit dem Anliegen des Gewinnes an Gott zu wenden?

Um einen Sieg zu beten, das sehe ich auch mit Vorbehalt. Was aber schon stimmt: die entscheidende Hundertstel kann man nicht machen. Die macht jemand anders. Meine Aufgabe ist es aber nicht, Sportlern zu helfen, noch erfolgreicher zu sein. Wiewohl ich mich über jeden Erfolg sehr freue. Ich bin Seelsorger für den Menschen. Ich beurteile die Menschen nicht danach, wie schnell sie Ski gefahren sind, sehe die Letzten genauso wie die Ersten – nicht die Leistung entscheidet, ich sehe und anerkenne den Menschen. Ein schönes Wort von Jesus, das ich den Athleten oft sage: Manche von den Letzten werden die Ersten sein, manche von den Ersten werden die Letzten sein.

Haben Sie vor oder nach den Wettkämpfen mehr zu tun?

Schwierige Frage. Je weiter die Athleten von den Wettkämpfen entfernt sind, desto mehr kommen sie zu mir. Unmittelbar davor und danach sind sie sehr fokussiert.

Glauben Sie, dass man ohne Glauben durchs Leben gehen kann?

Sicher kann man. Aber es ist auf Dauer sehr viel mühsamer, härter und hoffnungsloser. Es bleibt dann alles auf das Diesseits beschränkt. Gott ist die Garantie dafür, dass die Täter nicht über die Opfer triumphieren. Und das setzt voraus, dass sich nicht alles im Diesseits erstreckt. Glaube ist eine Horizonterweiterung. Nichtglauben beschränkt die Sicht und schließt die größte Möglichkeit, die Ewigkeit, aus. Da bleibt herzlich wenig übrig. Es gibt diese drei Fragen, die sich der Mensch immer wieder stellt: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Und was darf ich hoffen? Die Konsequenz eines stringenten, praktischen Atheismus ist, dass die Antwort auf die dritte Frage lautet: gar nichts.

Wie ist Ihr Alltag bei Olympischen Spielen?

Ich feiere täglich die Heilige Messe, viele Gespräche, von Small Talk bis zur Beichte. Ich bin oft ganz nah dran an sehr persönlichen Themen, an sehr glücklichen und auch an sehr schweren. Erfolg und Niederlagen muss man verkraften können.

Vor ganz großen Herausforderungen im Leben, vor denen man hohen Respekt oder sogar Angst hat, was ist Ihr Rat, bevor man es angeht?

Beten und vertrauen.

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