Wie kam es zur neuerlichen Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat? Erstmals soll ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments die Hintergründe des Zulassungsprozesses genau durchleuchten. Geprüft wird auch, ob der US-Konzern Monsanto massiven Einfluss auf Studien zur möglichen Gesundheitsgefährdung des Pestizids genommen hat. Der Ausschuss geht auch auf Interventionen des gemeinnützigen Vereins zurück, der die Einflussnahme auf Gesetze, Politik und öffentliche Meinung transparenter machen möchte. "Es ist wichtig, den Zulassungsprozess noch einmal zu durchleuchten, denn vieles war für die Öffentlichkeit gar nicht einsehbar", erläutert Nina Katzemich, EU-Expertin bei LobbyControl.
Monsanto sei kein Einzelfall. Interessengeleitete und teils manipulative Studien würden längst zum Werkzeugkasten der Lobbyisten zählen, so Katzemich. Jüngstes Beispiel sind die fragwürdigen Schadstofftests der deutschen Autohersteller, die von einem US-Lobbying-Verein durchgeführt wurden.
Wie mächtig Lobbying auf EU-Ebene ist, zeigen die neuesten Zahlen von LobbyControl auf . Demnach versuchen rund 25.000 Lobbyisten mit einem Jahresbudget von 1,5 Mrd. Euro bestimmten Interessen mehr Gehör zu verschaffen. Macht und Moneten sind dabei ungleich verteilt, wie ein Blick in das öffentlich zugängliche EU-Lobbyingregister zeigt. Unter den 15 Akteuren mit den höchsten Ausgaben sind fast ausschließlich Unternehmensinteressen. "Lobbyismus gehört zur Demokratie. Aber die Waffen sind ungleich verteilt. Einfluss haben vor allem diejenigen, die ihn sich leisten können", fasst Katzemich zusammen.
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Lobbying-Kaiser sind laut gemeldeter Daten von 2016/17 der Europäische Chemieverband gefolgt vom Dachverband der europäischen Industrie und Handelskammer (Eurochambers). Eurochambers-Präsident ist aktuell Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl.
Neben diverser Verbänden scheinen mehrere große PR- und Lobbying-Agenturen im Ranking auf. Dahinter verbergen sich häufig potente Auftraggeber. So war oder ist die Agentur Fleishman-Hillard für Konzerne wie Monsanto, Aviva oder Exxon aktiv. Umstritten ist das Engagement zahlreicher Ex-EU-Parlamentarier oder sogar Kommissare bei diesen Lobbying-Agenturen.
Nach Unternehmen betrachtet haben Konzerne aus der Technologiebranche, Finanzindustrie und Energieversorger das höchste Lobbying-Etat. Wenig verwunderlich sind es vor allem US-Konzerne. Neben General Electric geben Google und Microsoft das meiste Geld aus. Bemerkenswert an Google: Das Millionen-Budget wurde in den vergangenen Jahren um 700 Prozent erhöht. Die 4,25 Mio. Euro sind aber wenig im Vergleich zu den 14,6 Mio. Euro, die Google im Vorjahr allein in den USA für Lobbying-Arbeit springen ließ. Näheres siehe
Google ist aber sehr aktiv, wenn es um Treffen mit EU-Kommissaren oder deren Kabinettsmitgliedern geht. Die milliardenschwere dürfte da wohl mit eine Rolle gespielt haben. Mit gleich 165 hochrangigen Treffen seit 2014 wird der Internet-Riese nur noch von der Industrie- und Arbeitgeber-Lobby BusinessEurope überholt. Vorsitzender von BusinessEurope ist Markus Beyrer, vormaliger Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Von Seiten der Zivilgesellschaft finden sich der Europäische Verbraucherverband und der World Wildlife Fund WWF unter den aktivsten Lobbyisten.
Aus Österreich gibt es insgesamt 234 Einträge im EU-Lobbyingregister, darunter 71 NGOs und 56 Unternehmen. Nur die Wirtschaftskammer (WKO) verfügt mit 1,75 Mio. Euro über ein Millionenbudget, Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund geben gemeinsam etwa halb so viel aus. Die Industriellenvereinigung kommt auf 450.000 Euro.
Von den heimischen Unternehmen sind vor allem die Energieversorger, Banken, Versicherungen sowie große Börsefirmen vertreten. Austro-Lobbying-Kaiser in Brüssel ist im aktuellen Ranking die OMV mit 550.000 Euro Jahresbudget (2016), gefolgt von KTM mit 450.000 Euro (2017). Der Motorradhersteller lobbyierte übrigens in Sachen Genehmigungsvorschriften für Leichtfahrzeuge, wie aus dem Eintrag hervorgeht.