Etwa 8300 Kilometer Luftlinie trennen Wien und Seoul. Dennoch stehen uns die Koreaner mentalitätsmäßig näher, als man denkt. "Essen und Trinken sind definitiv ein wichtiger Teil des koreanischen Lebens", sagt Steirerfleisch-Chef Alois Strohmeier. Er kennt das Land von vielen Besuchen: Seit 15 Jahren liefert der Wolfsberger Betrieb (750 Mitarbeiter, 300 Mio. Euro Umsatz) Schweinefleisch nach Korea – das Land wetteifert sogar mit Japan um die Rolle als wichtigster Exportmarkt. Und, was sich besonders gut trifft: Die Koreaner lieben Produkte, die bei uns kaum nachgefragt werden – etwa fettere Ware, Schweinshaxln (mit Honigkruste zubereitet), Knochen (für Suppen) oder Brustspitz.
Schweinefleisch hat in Südkorea sogar einen noch höheren Stellenwert als bei uns, heißt es beim Gewürzehersteller Kotanyi. Aufgrund der Kultur und Fremdsprachenkenntnisse der Südkoreaner seien Geschäftsbeziehungen sogar einfacher als mit Brasilianern oder Chinesen. Exportiert wird das Standardsortiment, spezielle Gewürzmischungen seien nicht nötig.
Die Lebensmittelindustrie erlebt in Südkorea aktuell einen Aufschwung. "Der steigende Lebensstandard öffnet Chancen für hochwertige Lebensmittel und Wein", sagt Josef Domschitz, stellvertretender Geschäftsführer des Lebensmittelverbandes. Stark gefragt seien Bio-Lebensmittel, Wellness- und Halal-Produkte sowie Produkte bei Unverträglichkeiten.
Die Ausfuhren nach Südkorea sind 2017 um 7,7 Prozent gestiegen, machen bisher aber nur 0,3 Prozent der österreichischen Lebensmittelexporte aus.
Der oberösterreichische Kornspitz-Erfinder Backaldrin wird als ÖOC-Partner im Austria House frisch backen. Das sei eine ausgezeichnete Bühne, sagt Geschäftsführer Harald Deller: "Die Olympischen Spiele eröffnen Chancen, um Handelsbeziehungen aufzubauen." Backaldrin ist aktuell in 17 Ländern mit Töchtern vertreten und bedient über Vertriebspartner 100 Länder. Seit Oktober 2017 gibt es einen neuen Produktionsstandort bei Moskau für den eurasischen Markt.
Keine Kostverächter sind die Koreaner in Sachen Alkohol, der bei Geschäftstreffen in rauen Mengen fließt. Wie viel man verträgt ("Churyang") ist sogar ein beliebtes Smalltalk-Thema. Da können Brauereien punkten: Seit 2017 sind Egger Bier und Radlberger Limonaden in einer koreanischen Supermarktkette mit 10.000 Filialen gelistet. Allein vom Egger Radler fließen 11.000 Hektoliter im Jahr durch südkoreanische Kehlen.
Südkorea konnte 2017 unter Österreichs großen Exportmärkten am stärksten zulegen. Von Jänner bis Oktober wuchsen die Ausfuhren um sagenhafte 50 Prozent. Schon nach zehn Monaten war die Milliarden-Euro-Marke übersprungen. "Das ist eigentlich die Fortsetzung einer guten langjährigen Entwicklung", erklärt der Wirtschaftsdelegierte in Seoul, Franz Schröder. Schon seit vielen Jahren seien Parademarken wie Swarovski, Wolford, Geiger, Red Bull oder Silhouette auf dem Markt präsent. 2017 habe es "schöne Steigerungen" in fast allen Warengruppen gegeben – wie so oft entfiel allerdings ein großer Teil auf den automotiven Sektor.
Stark vertreten sind heimische Maschinen- und Anlagenbauer. "In den vergangenen Jahren sind die Exporte durch das Freihandelsabkommen stark gestiegen", sagt Martin Baminger, Volkswirt im Fachverband der metalltechnischen Industrie. Und das, obwohl Südkorea ein schwieriger Markt sei. Mit Japan und Taiwan seien schließlich zwei starke Maschinenbaunationen in unmittelbarer Nähe.
Die Österreicher können sich trotzdem durchsetzen: "Wir stellen keine Massenprodukte her, sondern kommen durch Spezialisierung in Nischen hinein." Für die Geschäftsanbahnung seien persönliche Kontakte, Liefertreue, Flexibilität und Kundenfreundlichkeit hilfreich.
Die politisch schwierige Situation mit Nordkorea habe sich bisher nicht in den Zahlen ausgewirkt, sagt Baminger. "Die Unternehmen warten ab und sehen das in Zusammenhang mit Donald Trump." Man gehe davon aus, dass er in drei Jahren nicht mehr US-Präsident sei – und Nordkorea keinen Streit vom Zaun brechen werde. Zur Zeit sei also Durchtauchen angesagt. Auch die Investitionstätigkeiten seien bisher unbeeindruckt von der Krise geblieben.
Der Anlagenbauer Andritz hatte schon Anfang der 1930er-Jahre erste Wasserkraftausrüstungen nach Südkorea geliefert. "Mittlerweile haben wir 40 bis 50 Wasserkraftwerke mit insgesamt mehr als 1000 Megawatt um- beziehungsweise neu ausgerüstet", sagt Konzernsprecher Michael Buchbauer. 2011 ging Sihwa, das größte Gezeitenkraftwerk der Welt, in Betrieb – der Auftragswert lag bei 100 Millionen Euro. Südkorea möchte die Stromproduktion aus erneuerbarer Energie weiter kräftig ausbauen, wobei Wasserkraft ein Schwerpunkt sein wird. In den vergangenen Jahren lag der Andritz-Umsatz in Südkorea bei 50 bis 60 Millionen Euro, die Andritz-Gruppe selbst erzielt sechs Milliarden Euro.
Winterspiele hin oder her: Für die Skiindustrie fällt der südkoreanische Markt mit rund 20.000 verkauften Paar pro Jahr bisher kaum ins Gewicht. "Solche Events sind lässig. Aber es wird deswegen im Februar keinen Peak bei den Verkaufszahlen geben", sagt Gernot Kellermayr, Chef des Verbandes der Sportartikelerzeuger. Die Hersteller schielen eher auf den Werbeeffekt für den chinesischen Markt. Denn dort ist mit rund 100.000 verkauften Paar Ski ganz viel Luft nach oben.
Aber auch in Südkorea selbst geht noch mehr, sagt der Wirtschaftsdelegierte Franz Schröder. Besondere Chancen sieht er in Bereichen wie erneuerbare Energie und Energieeffizienz, bei der E-Mobilität, im innovativen Bauen, bei Smart Factorys, aber auch bei der Biotechnologie und Medizintechnik.
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„Das ist ein Spaß, den man sich als Chef nicht entgehen lässt“, scherzt Ernst Seidl: Nach Sotschi und Rio de Janeiro ist Seidl Catering aus Götzis zum dritten Mal für die Verköstigung des österreichischen Olympia-Auftrittes zuständig. Am Montag hebt Seidl mit einer Vorhut nach Südkorea ab. Am Ende werden im Austria House 27 „alte Hasen“ von Seidl im Einsatz sein, die von 36 Tourismusschülern samt Lehrpersonal tatkräftig unterstützt werden. Man will eine kulinarische Visitenkarte abgeben – mit typischen Schmankerln wie Kaiserschmarren, Tiroler Gröstl, Schnitzel oder Kasnocken.
Während für Seidl der Stress also erst so richtig beginnt, ist das Rennen für viele Unternehmen schon gelaufen, wenn die Athleten ab 9. Februar auf Medaillenjagd gehen. In Pyeongchang präsentiert sich Österreich als echter Rundum-Ausstatter für Winter-Sport und Tourismus.
Dabei ist Doppelmayr ein Fixstarter: Das Vorarlberger Paradeunternehmen ist seit 1985 in Südkorea vertreten und hat mittlerweile 64 Seilbahnen realisiert – darunter auch spektakuläre Sommerbahnen, die in Freizeitparks führen. Extra für Olympia wurden vier Anlagen in Jeongseon (Abfahrt, Super-G, Kombi) sowie in Bokwang (Ski-Freestyle, Snowboard) gebaut. Weitere Sesselbahnen und Lifte sind in Yongpyong (Slalom, Riesentorlauf) und Alpensia (Skispringen, Biathlon, Rodeln, Bob) im Olympia-Einsatz.
Was wären Skirennen ohne geeignete Piste? Rot-weiß-rotes Know-how in Sachen Schneedepots und Beschneiung durfte Steinbach Alpin aus Oberndorf bei Kitzbühel unter Beweis stellen. Für die Beschneiung sind weiters das Bozener Unternehmen Technoalpin, das auch ein Logistikzentrum in Volders in Tirol unterhält, sowie Erso Snow-Tech aus Tillmitsch in der Steiermark im Einsatz.
Womit die weiße Pracht nur noch in passende Form gebracht (oder von der Straße geräumt) werden muss. Das dürfen in Südkorea Fräsen und Pflüge von Kahlbacher aus Kitzbühel erledigen. Auch Kässbohrer Austria aus Kuchl konnte sich mit Pistenbullys präsentieren. Am Rande der Pisten sorgen Planen von Bellutti aus Innsbruck für Sicherheit und Werbepräsenz. Bei den Skisprungbewerben sollen die riesigen Windschutznetze von Alpina Sicherheitssysteme aus Steindorf in Kärnten für faire Bedingungen sorgen.
Eher hinter den Kulissen wirkt Wintersteiger aus Ried im Innkreis: Die Steinschleifmaschinen präpieren die Rennski für den österreichischen und den deutschen Skiverband. Die Oberösterreicher sind schon jetzt mit einzelnen koreanischen Sporthändlern im Geschäft, schielen aber vor allem nach China, wo die Winterspiele 2022 stattfinden werden. Sollte dort das Skifahren zu einem Massensport werden, würde der Bedarf an Service-Maschinen schlagartig explodieren.
Einen gut sichtbaren Beitrag zur Ausstattung der Athleten leistet die Firma Eisbär aus Feldkirchen (OÖ), die dem Österreichischen Skiverband 2500 eigens gestaltete Mützen liefert. Die Treffsicherheit der Biathleten soll die App der oberösterreichischen Softwarefirma Catalysts verbessern, die der ÖSV zur Schussanalyse einsetzt.
Rasante TV-Bilder wird Camcat-Systems aus Rekawinkel (NÖ) liefern: Für die sieben Kamera-Seilbahnsysteme müssen 30 Tonnen Equipment angeliefert werden. 45 Techniker werden im Einsatz sein. Apropos schöne Aussichten: Durch-Blick aus Kufstein sagt zerkratzten Skigondel-Fenstern den Kampf an. Und Loidl („Hochsitz“) aus Oberndorf bei Kitzbühel errichtete temporäre Gebäude, in denen TV-Stationen und Sponsoren unterkommen. Brandauer Sommerrodelbahnen aus Rußbach (Sbg.) machen die Skiressorts ganzjährig touristisch nutzbar.
Als zentraler Treffpunkt soll abermals das Austria House des Österreichischen Olympischen Komitees fungieren. Erwartet werden mehr als 25.000 internationale Gäste – und die wollen verpflegt sein. Backaldrin wird frisch backen, weitere Lebensmittel liefern Rudolf Frierss aus Kärnten, die Steirerfleisch-Gruppe und die Rupp AG. Die Salzburger Privatbrauerei Stiegl hatte schon im November vorsorglich 350 Fässer Bier nach Südkorea geliefert.
In Szene gesetzt wird das Österreich-Haus von MK Illumination aus Innsbruck. Die Zutrittskontrolle und das Kassensystem installierte Axess aus Anif, während Hagleitner (Zell am See) für die sanitäre Ausstattung zuständig war. Damit auch wirklich nichts den Bach runtergeht.
Ungleiche Zwillinge im Norden und Süden – Koreas Großkonzerne müssen sich neu erfindenDie Überraschung war groß, als Nordkorea ankündigte, Sportler zu den Spielen ins verfeindete Südkorea zu entsenden. Zeichnet sich hier politisches Tauwetter ab? Franz Schröder, Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Seoul, bleibt vorsichtig. Immerhin: „Die Chance für eine weitere Entspannung ist nun wesentlich besser als noch vor einigen Wochen oder Monaten.“
Die Wirtschaft war einer der wenigen Bereiche, wo der strikt abgeschottete kommunistische Norden und der Hochtechnologiestaat im Süden kooperierten: In der Sonderwirtschaftszone Kaesong im Grenzgebiet hatten seit 2002 Nord- und Südkoreaner Seite an Seite gearbeitet. Allerdings nur bis Anfang 2016. Da wurden nach provokanten Raketentests des Diktators Kim Jong-un alle Leitungen buchstäblich gekappt. Offiziell ist der mörderische Korea-Krieg zwischen den beiden Staaten nie beendet worden – auch wenn die Waffen seit 27. Juli 1953 ruhen. Seither entwickelten sich die Länder in Richtungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten.
Mehr als deutlich zeigt das der Handel mit Österreich: Die rotweißroten Exporte nach Südkorea (siehe oben) waren im Vorjahr mehr als eine Milliarde Euro wert. In Richtung Nordkorea fällt die Bilanz „eine Spur“ bescheidener aus: Dorthin wurden Waren um 14.000 Euro exportiert (kein Tippfehler!), davon 6000 Euro Chemie-Produkte.
Auch wenn das Beispiel der koreanischen Halbinsel nicht repräsentativ sein mag: Es zeigt, was eine rigorose Abschottung oder Öffnung für den internationalen Handel auslösen kann. Südkorea erzielt heute 40 Prozent seiner Wirtschaftsleistung im Ausland – Automarken wie Kia, Hyundai, Ssangyong und Elektronik von Samsung oder LG kennt auch im Westen jedes Kind. Mit rund 40.000 Dollar BIP pro Kopf erreicht Südkorea gutes europäisches Niveau. Das abgeriegelte Nordkorea zählt mit geschätzt 1700 Dollar hingegen zu den ärmsten Staaten.
Dabei war der Erfolg des Südens nach dem Koreakrieg keineswegs vorgezeichnet. Das agrarisch geprägte Land war ebenfalls bitterarm. Am Ruder waren bis 1988 Militärregierungen ohne demokratische Legitimation – die aber einen erfolgreichen Wirtschaftskurs einschlugen. Die Asienkrise 1997 ließ Korea abermals abstürzen, seither erzielt das Land laufend Export-Rekorde. Zu verdanken ist das den typischen Mischkonzernen („Chaebols“); eine Art überdimensionierter, meist recht starr geführter Familienbetrieb. Zuletzt geriet dieses Modell unter Druck: Korruptionsskandale, in deren Folge sogar Präsidentin Park Guen-Hye zurücktreten musste, erschütterten das Land.
Die Chaebols hätten sich so oder so anpassen müssen, sagt Schröder: „Um international zu bestehen müssen die Großbetriebe effizienter werden. Sie scouten weltweit nach neuen Technologien.“ Der Innovationsdruck sei enorm, denn die Produktion im Land ist teuer. Nicht zuletzt deshalb leistet sich Südkorea eine der höchsten Forschungsquoten. Die Wirtschaftskammer kooperiert mit der KAIST-Universität, um österreichischen Firmen den Zugang zu koreanischen Forschungsprojekten zu öffnen.