Für US-Präsident Donald Trump ist der Börsen-Crash ein Realitätsschock (Artikel siehe ). Seit Amtsantritt hat er mehr als 50 Mal bei öffentlichen Auftritten die boomenden Börsen kausal mit seiner Wirtschaftspolitik erklärt, obwohl Fachleute ihm davon abgeraten hatten. Binnen eines Jahres sei so ein Mehrwert von 8000 Milliarden Dollar entstanden, der allen Amerikanern nutze, behauptete Trump. Das, und nicht die für ihn konstant negativen Beliebtheitswerte in den Umfragen, sei der wahre Gradmesser für die Wertschätzung, die er erfahre – und verdiene. "Sie sehen ja, was mit den Aktienmärkten passiert. Die Leute erkennen an, was wir tun."
Noch in seiner "Rede zur Lage der Nation" in der vergangenen Woche betonte er, dass die "Aktienmärkte einen Rekord nach dem anderen gebrochen haben". Diese Angeber-Pose fällt ihm nun auf den Kopf. Das jähe Ende der Kurs-Rallye ist untrennbar mit seiner Präsidentschaft verbunden. Der frühere Regierungssprecher von Vorgänger Barack Obama, Jay Carney, reagierte mit dezenter Schadenfreude: "Wenn Du den Anstieg für Dich reklamierst, gehört Dir auch der Absturz." Als die negativen Kursdaten am Montag im Fernsehen fortlaufend aktualisiert wurden, hielt Trump in Ohio eine Rede vor Industriearbeitern. Er erwähnte die Börse mit keinem Wort.
Die Regierung schwieg am Dienstag lange, ehe Finanzminister Steven Mnuchin bei einem Treffen mit Anwälten in Washington dazu Stellung nahm. "Seit der Wahl von Präsident Trump ist der Aktienmarkt signifikant gestiegen. Wir beobachten die Börsen, sie funktionieren sehr gut und wir glauben an ihre langfristige Bedeutung."
Mnuchin verwies zudem auf das Ziel des langfristigen Wirtschaftswachstums und die günstigen wirtschaftlichen Fundamentaldaten. Die seien "außergewöhnlich stark". Gemeint ist: Der Arbeitsmarkt bewegt sich bei einer Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent in Richtung Vollbeschäftigung. Das Verbrauchervertrauen ist weiterhin gut, es wird ausgegeben, Firmen investieren, die Konjunktur läuft. Der individuelle Schuldenstand ist zurückgegangen. Zentrale Wirtschaftszweige wachsen. Ökonomie-Nobelpreisträger Paul Krugman, wahrlich kein Freund von Trump, gibt dem Präsidenten indirekt das Stichwort: "Die Börse ist nicht die Wirtschaft."
Allerdings gab es gestern, Dienstag, auch eine schlechte Nachricht. Das Handelsdefizit der USA ist im vorigen Jahr auf das höchste Niveau seit 2008 gestiegen. Es weitete sich um 12,1 Prozent auf 566 Milliarden Dollar (455 Mrd. Euro) aus.
Der von Trump besonders kritisch beäugte Fehlbetrag im Handel mit China legte um 8,1 Prozent auf den Rekordwert von 375,2 Mrd. Dollar zu. Trump wirft den Chinesen vor, sich mit unfairen Praktiken Vorteile im internationalen Wettbewerb zu erschleichen. Bei seinem Auftritt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos warnte er vor "Raubtier-Praktiken". Sein Handelsminister Wilbur Ross hält Chinas Produktoffensive bei High-Tech-Gütern für eine Bedrohung.
Möglicherweise ist Trump sogar mehr für die Kurskorrektur als für den Anstieg verantwortlich. Ein Grund für die Angst vor höherer Inflation und schnell steigenden Zinsen ist seine Steuerreform, die die Wirtschaft in Zeiten von Vollbeschäftigung und brummender Konjunktur noch weiter befeuern soll. Und erst jüngst hatte Trump auf einen starken Dollar gepocht. Auch dies müsste wohl durch steigende Zinsen eingelöst werden. Das könnte vor allem für Jerome Powell, Trumps neuen Mann an der Spitze der US-Notenbank Fed, zur Herausforderung werden. Am Montag übernahm er den Job von der als extrem vorsichtig geltenden Janet Yellen.