"Diese Woche war es richtig kalt, minus 6 bis minus 20 Grad bei einigen Sportstätten", erzählt Marc Gutierrez. Der Spanier hält für den europäischen IT-Konzern Atos in Pyeongchang die Stellung. Und das schon seit 2014: Sein Team soll in Südkorea dafür sorgen, dass bei den Winterspielen ab 9. Februar alle Computer-Systeme laufen.
Fehlerquellen gibt es zur Genüge, nicht nur arktische Temperaturen. 570 Millionen Mal werden die Systeme Alarm schlagen, erwarten die Profis – das sind 400 "Ereignisse" pro Sekunde. Gemeint sind aber nicht nur Hackerangriffe, erklärt Atos-Olympia-Manager Patrick Adiba. Probleme könnten ebenso gut menschliche Irrtümer verursachen, etwa durch falsche Eingaben. Oder eine defekte Zutrittskarte, die einem Athleten den Einlass verweigert.
Automatische Filter selektieren vor, was tatsächlich die Spiele gefährden könnte. Danach bleiben 300 bis 400 Fehlerquellen über, um die sich die Experten kümmern.
Und die sitzen großteils nicht wie Marc Gutierrez in Südkorea, sondern in Barcelona. Dem KURIER erlaubte Atos einen Blick hinter die Kulissen: Was aussieht wie ein etwas größerer und topmodern ausgestatteter Computer-Raum einer Mittelschule, ist in Wahrheit die IT-Schaltzentrale der Spiele.
Auf Überkopf-Monitoren haben die Spezialisten rasterartig alles im Blick. Neben unzähligen grünen Ampeln steht ein Licht auf gelb. Zwei gar auf rot. Ein Notfall? "Keine Sorge", beruhigt Atos-General-Managerin Angels Martin Muñoz: "Diese Systeme werden jetzt noch nicht benötigt." 100.000 Stunden lang hat Atos alle IT-Systeme getestet. Alles ist doppelt abgesichert, sogar die Stromversorgung hat ein Back-up.
Dabei gibt es 2018 in Pyeongchang eine Neuerung, die die Experten stolz macht: Zum ersten Mal laufen alle Olympia-Anwendungen über die "Wolke", das firmeneigene Daten-Netzwerk. Wo die Server der Atos-Canopy-Cloud stehen, daraus macht die Firma ein großes Geheimnis. Irgendwo "rund um die Niederlande", mehr lässt sich Muñoz nicht entlocken. Die Rechner-Anforderungen sind jedenfalls gewaltig: 200.000 Akkreditierungen für Athleten, Betreuer, Journalisten, Besucher und für 36.000 freiwillige Helfer müssen gemanagt werden. Bei alldem gilt es, die europäischen und die (noch strengeren) südkoreanischen Datenschutzgesetze einzuhalten. Dazu kommen alle Resultate von den 12 Sportstätten, die in Echtzeit an die Welt übermittelt werden – in weniger als zwei Sekunden kennt die Öffentlichkeit via Tablet und Smartphone den Sieger. Noch schneller informiert sind Journalisten, sie haben die Info nach 0,3 Sekunden.
Was bringt die IT-Abwicklung über die Cloud, abgesehen von der Geschwindigkeit? "Früher mussten wir für jede Veranstaltung eine eigene Rechner-Infrastruktur vor Ort auf- und danach wieder abbauen", erklärt Muñoz. Das entfällt, wenn alles über die Cloud läuft.
Statt 1000 werden nur 250 Server gebraucht. Das spart Kosten, Platz und Flugstunden. Und natürlich spart es auch Arbeitskräfte. Während für die Sommerspiele 2012 in London noch 5000 Computer-Experten nötig waren, sind es in Pyeongchang "2000 und ein paar". Bei den Sommerspielen 2020 in Tokio, für die die Vorbereitungen längst angelaufen sind, werden nur 1000 Experten benötigt, schätzt Adiba: "Wir sehen dasselbe wie in vielen Geschäftsfeldern. Die Automatisierung wirkt sich auch bei uns aus." Es klingt ein wenig, als wolle er sich dafür entschuldigen.
Atos hat 2011 die frühere Siemens IT (SIS) und 2014 den französischen Rivalen Bull übernommen und ist im IT- und Cloud-Business einer der wenigen europäischen Player neben Google, Amazon, Microsoft oder IBM. Die Zentrale ist in Paris. Der Umsatz mit 100.000 Mitarbeitern in 72 Ländern beträgt 13 Milliarden Euro. Die IT-Infrastruktur der Olympischen Spiele betreut Atos seit 1992. 50 Anwendungen müssen in einander greifen: Von der Qualifikation im Vorfeld über die Akkreditierungen für die Sportstätten bis zu den Zeit- und Weitenmessungen, dem Infosystem für Kommentatoren und zur Öffentlichkeitsarbeit.