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"Die Arbeitswelt will Wunderwuzzis"

31-01-2018, 06:46

KURIER: Von welcher Generation sprechen wir heute eigentlich, wenn wir über die Jungen sprechen? Gibt es diese eine Jugend überhaupt?

Beate Großegger: Wir erleben heute eine lang anhaltende Jugend, sie geht bis in die späten 20er. Die jungen Leute bleiben immer länger in der Ausbildung verhaftet und stehen finanziell noch nicht auf eigenen Beinen – und der Einstieg ins Berufsleben gilt nun mal als das Kriterium fürs Erwachsenwerden. Junge Erwachsene zeigen Eigenschaften, die man der Generation Y zuschreibt. Die, die jünger als 20 sind, werden heute als Gen Z etikettiert.

Studien zeigen, dass die Zs konservativ sind, nach Sicherheit suchen, lieber Haus bauen statt ins Ausland gehen.

Dass sie konservativ denken, ist die Interpretation der Erwachsenen. Aber es stimmt, sie haben eine starke Sicherheits- und Familienorientierung, wollen Verlässlichkeit und Stabilität. Sie patchworken sich die Werte zusammen, aus Sicht der Erwachsenen sind sie sehr widersprüchlich.

Keine Aufmüpfigkeit, keine Rebellion den Älteren gegenüber?

Foto: /Grafik,istockphoto Ihre Grundstimmung lässt sich wohl am besten mit Unsicherheit beschreiben. Sie versuchen sich mit der komplexen Welt zu arrangieren, sie haben aber nicht den Anspruch, selbst etwas zu verändern und auf die Barrikaden zu gehen.

Was erwartet die Arbeitswelt von ihnen?

Die Jungen steigen in ganz andere Erwerbsarbeit ein, als ihre Eltern. Es gibt heute digitale Ökonomien, eine globalisierte Wirtschaft, das verlangt nach digitalen Skills, Fremdsprachen, Mobilität und Flexibilität, sehr speziellen Kenntnissen aber auch einer generalistischen Grundhaltung – die Arbeitswelt will also Wunderwuzzis. Bei den Jungen gibt es aber einen starken Bruch in den Erwartungen und Anforderungen. Und es gibt natürlich auch Unterschiede in den Bildungsgruppen.

Wie zeigt sich das?

Bildungsnahe Milieus haben Selbstverwirklichungsansprüche, wollen Gestaltungsfreiheit, einen guten Job finden, der ihnen ermöglicht, zu zeigen, was sie können. Sie wollen sich entwickeln, suchen einen Sinn und die Work-Life-Balance. Gleichzeitig sind sie sehr verunsichert, ob das alles hält. Die breite Mehrheit sehnt sich aber nach einem Normalarbeitsplatz. Bei den Lehrlingen etwa sind die Selbstverwirklichungsansprüche gering: Man arbeitet, um materiell abgesichert zu sein, man trennt streng zwischen Beruf und Privatleben. Nach Dienstschluss ist man Freizeit-Mensch und definiert sich nicht über den Job.

Wie sehr beeinflussen Youtuber, Influencer, Musiker und Sportler die Jobwünsche?

Ich sehe, dass die Jungen Schwierigkeiten damit haben, herauszufinden, was die passende Berufsausbildung für die Zukunft sein könnte, womit sie ein solides Einkommen verdienen könnten. Und vor allem diejenigen, die über wenig Bildungskapital verfügen und auf der gesellschaftlichen Verliererseite stehen, haben oft auch ganz unrealistische Vorstellungen. In die Fußstapfen ihrer YouTube-Stars treten und große Kohle machen, fänden sie schön.

Zurück zur Realität: Was erwartet Einsteiger im ersten Job?

Es gibt keine Schonzeit mehr, man will die Jugendlichen früh erwachsen machen. Das Problem: Sie haben so viele Spielräume, Chancen, Risiken und Varianten, dass sie schnell überfordert sind. Es ist viel Druck da.

Was können die Jungen besser, als ihre Chefs?

Sie sind gute Selbstdarsteller, haben digitale Skills und sind schnell in der Auffassung.

Woran müssen sie arbeiten?

Sie wirken zu wenig selbstverpflichtend und tun sich schwer damit, Prioritäten zu setzen.

Gibt es für sie noch so etwas wie einen Karriereweg?

Den klassischen Karriereweg, wie bei ihren Eltern, wird’s nicht mehr geben. Die nachrückende Generation muss sich auf Brüche einstellen: Es wird gute, solide Jobs geben aber auch Zeiten, in denen man sich neu orientieren, neue Kompetenzen erwerben, Pausen und Umschulungen hinnehmen muss.

Klingt nach viel Verunsicherung. Worauf können die Jungen überhaupt bauen?

Alles ist offen. Man kann sich nur dessen sicher sein, dass sich alles verändert.

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