Man wich einander aus und redete aneinander vorbei. Wenn Donald Trump – deutlich früher als geplant – heute, Donnerstag, im schweizerischen Davos eintrifft, ist Angela Merkel schon wieder weg. Die Kanzlerin von Europas größter Wirtschaftsmacht und der US-Präsident sind ja einander nicht nur persönlich bekanntermaßen unsympathisch, sie stehen auch für diametral entgegengesetzte Positionen in Wirtschafts- und Weltpolitik.
Genau das wurde auch beim Weltwirtschaftsforum erneut deutlich. Merkel plädierte bei ihrem Auftritt wie so oft für globale Zusammenarbeit und Multilateralismus. Man müsse, so die Kanzlerin, "die Geduld haben, multilaterale Lösungen zu finden." Nationale Alleingänge würden nur "scheinbar schnellere Lösungen liefern", um dann erst recht Gegenwehr anderer Staaten zu provozieren: "Abschottung bringt uns nicht weiter."
Merkel musste Trumps Namen gar nicht nennen, so klar war, wer mit diesen Anmerkungen gemeint war. Trump propagiert ja seit seinem Antreten seine "Amerika-zuerst"-Politik und will mit Dichtmachen von Grenzen, Errichtung von Handelsbarrieren und Import-feindlicher Steuerpolitik die wirtschaftliche Position der USA stärken.
Gerade zum Auftakt des Gipfels in Davos ließ Trump wie berichtet neue Strafzölle gegen Solarpanele und Waschmaschinen verhängen. Eine eindeutig gegen China und andere ostasiatische Industrienationen gerichtete Maßnahme. Noch im Jänner sollen auf Aluminium und Stahl ähnliche Einfuhrzölle und -beschränkungen folgen, ebenfalls zum Schutz der unter ausländischer Konkurrenz schwer leidenden US-Industrie.
Wie hart die Linie ist, die Trump in Davos vertreten will, machten schon im Vorfeld seines Auftrittes morgen, Freitag, Mitglieder seines hochkarätig besetzten Teams deutlich. Wirtschaftsminister Wilbur Ross wies den Vorwurf, die USA stünden mit ihrem Protektionismus alleine da, zurück. Andere Großmächte wie China würden nicht anders handeln: "Handelskriege werden jeden Tag ausgefochten, jeden Tag verletzen Spieler die Regeln. Jetzt rücken US-Truppen in die Festungsgräben ein."
Chinas Führung dagegen präsentiert sich auch heuer in Davos als Vorkämpfer für freien Welthandel und Globalisierung. "Wir werden uns auf ganzer Breite der Welt weiter öffnen", meinte etwa Liu He, der einflussreichste Wirtschaftsberater von Präsident Xi Jinping. Der hatte ja sein Land schon im Vorjahr in Davos als neuen Vorkämpfer für Globalisierung und internationale Zusammenarbeit beworben.
Westliche Unternehmen aber sehen Xis Wirtschaftspolitik in einem anderen Licht. China würde Investitionen ausländischer Unternehmen streng beschränken und diese zu Joint Ventures zwingen. So würde man sich widerrechtlich westliche Hochtechnologie aneignen. Ausländische Investoren, so beklagt es das konservative Wall Street Journal,würden mit wachsender Intoleranz behandelt.
Auch chinesische Unternehmen im Ausland werden härter an die Kandare des Staates genommen. Um Kapitalflucht aus China zu verhindern, werden Aufkäufe im Westen durch chinesische Firmen in Branchen wie Immobilien und Hotellerie eingeschränkt. Tatsächlich haben chinesische Konzerne im Vorjahr Rekordsummen bei der Übernahme deutscher, aber auch österreichischer Firmen, ausgegeben, etwa für den Wiener Neustädter Flugzeughersteller Diamond Aircraft (siehe auch Bericht S. 11). Die von China mit Milliardeninvestitionen vorangetriebene "neue Seidenstraße" (siehe unten) nach Zentralasien und Europa sei, so beklagen westliche Unternehmer, eine Einbahnstraße.
Davos 2018 ist nach Ansicht vieler Experten vor Ort Schauplatz für einen sich anbahnenden Handelskrieg zwischen den USA und China.
Während Trump offen China wegen "Handels-Vergewaltigung" attackiert, gibt sich Peking zumindest in Worten zurückhaltender. Washington, so tönte es kürzlich aus dem Außenministerium in Peking, "soll aufhören, das Bild Chinas mutwillig zu verzerren und veraltete Konzepte des Kalten Krieges verwerfen". Die USA würden sich nur selbst schaden.
Hinter dieser Warnung steckt nach Ansicht westlicher Experten auch eine Drohung. China verfolge mit seiner Seidenstraße und riesigen Investitionen in Afrika oder Osteuropa vor allem den Ausbau der eigenen wirtschaftlichen Machtsphäre. So könne man amerikanischen Interessen und dem von Trump so heftig propagierten US-Protektionismus effektiv entgegentreten. "Peking", so die Analyse der Nachrichtenagentur Bloomberg, "kann hart zurückschlagen".