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Ruhe für die Italiener, Abenteuer für die Tschechen

24-01-2018, 10:52

Menschen buchen ein Hotel direkt an der Talstation, kommen dann aber die ganze Woche nicht auf die Idee, sich die Skier anzuschnallen. Oder sie nehmen lange Anreisen in Kauf, um dann auf einer Liege im Hotel zu liegen, die irgendwo auf der Welt stehen könnte.

Um zu erfahren, was die Urlauber wirklich bewegt und ihnen das Urlaubsbudget entlockt, muss man sich einiges einfallen lassen, stöhnen die Tourismuswerber. Die Österreich Werbung (ÖW) hat sich dazu entschlossen, potenzielle Kunden erstmal auf die Couch zu legen. Sprich: tiefenpsychologische Interviews durchzuführen, um verborgene Sehnsüchte nach außen zu kehren. Und dann mit der passenden Werbung ihre Reisepläne gen Österreich zu lenken.

Klingt einfach, ist es nicht. Weil das, was der Reisende im Urlaub sucht, von Nation zu Nation sehr unterschiedlich ist. Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung, nennt ein paar Beispiele.

Tschechien: "Dem typischen Tschechen ist kein Berg zu hoch und keine Schlucht zu tief", sagt Stolba. Er will einen Adrenalinkick, egal ob beim Skifahren, Rafting, Mountainbiken oder der Dusche unter dem Wasserfall. Was er sucht, ist grenzenlose Freiheit. Das dürfte auch mit der Historie des Landes zusammenhängen. Schließlich ist die Reisefreiheit für Tschechen noch nicht so lange eine Selbstverständlichkeit. Die ÖW inszeniert Österreich in Tschechien als Spielplatz für Jung und Alt. Mit entsprechenden Sportangeboten und schier endlos erscheinenden Alm-Welten.

Arabische Länder: Mit Bildern von Skifahrern und Mountainbikern kann man bei den Arabern gleich einpacken, wissen die Tourismuswerber. So ziemlich das Letzte, das den typischen Araber im Urlaub interessiert, ist ein Sportprogramm. Auch das Eintauchen in die österreichische Kultur samt Schuhplattlern und Kasnocken-Kochen klingt eher wie eine gefährliche Drohung. Bei den Arabern zieht die Natur, die sie zuhause nicht haben. Saftig grüne Wiesen, Wasser in jedem Aggregatzustand. Von Eis und Schnee am Gletscher bis zum Wasserfall und See im Tal. Nicht umsonst ist Zell am See mit dieser Kombination zur Top-Destination für Araber geworden.

Italien: Interessant sind aus touristischer Sicht vor allem die kaufkräftigen Städter in Metropolen wie Mailand oder Rom. Mit ihnen hat die Österreich Werbung tiefenpsychologische Interviews durchgeführt und unter anderem folgendes festgestellt. "Sie sind im Alltag getrieben, leiden auffällig oft an Schlafstörungen und wollen einfach mal wieder raus in die Natur und richtig durchatmen", sagt Michael Scheuch, Marktforscher bei der ÖW. Nicht zufällig hat Österreich daher bei der Weltausstellung in Mailand mit einem Wald geworben, für den extra Bäume aus Österreich angekarrt wurden. Eine Miniatur-Version ist danach sogar quer durch Italien getourt.

Foto: KURIER/Gilbert Novy Russland: Endlich! Sie kommen wieder, die Russen! Aber warum eigentlich? Vor ein paar Jahren kam vor allem die Oberschicht, für die ein Skiurlaub in Österreich ein Statussymbol war. Seit es sich immer mehr Menschen aus der Mittelschicht leisten können, über die rot-weiß-roten Pisten zu wedeln, hat der Imponier-Faktor abgenommen. Den russischen Gästen sind Statussymbole aber weiterhin wichtig – von einer postmateriellen Gesellschaft sind sie weit entfernt. Entsprechend bedeutend in der Positionierung als Tourismusland sind damit Luxusherbergen und exklusive Shoppingmöglichkeiten. Der Rubel hat zuletzt wieder an Wert gewonnen – einer der Hauptgründe, weshalb sich wieder mehr Russen einen Urlaub in Österreich leisten (können).

China:Von wegen Europa in drei Tagen. "Diese Phase hat sich großteils erledigt", sagt Petra Stolba. "Es kommen immer mehr junge, gut gebildete Chinesen, die auch die Natur erleben wollen. Destinationen wie Sölden haben bereits mit 3-Tages-Paketen reagiert. Shopping, Wellness, Skifahren und ein Blick über die Berge von der Bergstation inklusive. Ohne WeChat geht bei den Chinesen gar nichts, weiß Scheuch. Die App, mit der Chinesen chatten, einkaufen, bezahlen oder Urlaube buchen, ist aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. WeChat ist übrigens in staatlicher Hand, womit auch diverse Auftritte auf der Plattform vom Staat regelmäßig kontrolliert werden. Auch jener der Österreich Werbung.

Indien: Ein Land, in dem arrangierte Ehen und Hochzeiten mit allen Drum und Dran noch üblich sind. Das erkennen auch Destinationen wie Wien, die etwa das Schloss Belvedere als Hochzeitslocation ins Rampenlicht rücken. Rund um das Thema hat sich eine richtige Industrie entwickelt, schließlich gilt es, mehrtägige Feste mit ein paar hundert Leuten zu organisieren. Freilich kann es sich die ÖW nicht leisten, halb Indien mit romantischen Bildern aus Österreich zuzukleistern. Die Werbung erfolgt ausschließlich auf einer B2B-Ebene, also durch die Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern, Influencern, Bloggern und Medien.

Foto: /Österreich Werbung Großbritannien: Das Inselvolk ist historisch gesehen eine Kolonialmacht. Das Entdecker-Gen haben sie offensichtlich noch heute in sich. Zu locken sind sie mit Angeboten abseits touristischer Trampelpfade.

Deutschland: Im Winter gibt es in Deutschland zwei Gruppen: Skifahrer und Nicht-Skifahrer. "Und in jeder Fraktion ein tiefes Unverständnis für die jeweils andere Gruppe", sagt Scheuch. Die Pistenverweigerer wollen in Pferdekutschen durch verschneite Orte gleiten und dabei an keinen Skiliften vorbeikommen. Entsprechende Werbebilder schickt die ÖW neuerdings gen Deutschland – schließlich wächst die Gruppe der Nicht-Skifahrer.

Niederlande: Wer glaubt, dass die Holländer nur wegen der Berge zu uns kommen, die sie zuhause vergeblich suchen, irrt. "Berge gibt es auch in der Schweiz oder in Deutschland. Was den Niederländer zu uns zieht, ist die Sehnsucht nach Geselligkeit", sagt Stolba. Geselliges Zusammensitzen sei dem typischen Gast aus den Niederlanden besonders wichtig. Mit dem Gastgeber wie auch mit der eigenen Familie. Schließlich steht der Wunsch nach mehr Zeit mit der Familie auf der Liste der Urlaubswünsche in den Niederlanden ganz oben. Ähnlich auch in den Schweden und Norwegen.

„Da gibt es keine Familie und kein Privatleben, sondern nur Kas und wieder Kas.“

Mit Sprüchen wie diesen macht die Tirol Werbung neuerdings  Stimmung für einen Urlaub in ihrem Bundesland. Im Bild: Ein Käser auf der Schönangeralm, in zünftiger Lederhose und mit langem Bart. Weil auf der Alm gibt es für ihn kein Rasiermesser, da ist er damit beschäftigt sich „bis zur Leistungsgrenze“ seinen Käselaiben zu widmen, die alle zwei Tage gedreht werden müssen. Wobei einer schon mal 32 Kilo wiegen kann, behauptet er. Wer sich das live anschauen will, kann dem Tiroler Original einen Besuch abstatten. Soll er auch. Das ist ja schließlich der Zweck der Tourismuswerbung.

Für alle, die es weniger Klischeehaftes suchen, haben  sich die Werber auch so einiges ausgedacht. Eine Niederländerin am Mountainbike kommt zu Wort. Ein Jazzmusiker mit Volksmusik-Wurzeln. Ein Biobauer mit einer Vorliebe für Jamaika. Eine junge Schuhmacherin. Ein Imker, dessen Beruf das Paragleiten ist.

Story Telling nennt man die Kunst des Geschichten erzählens in der Werbe- und PR-Welt. Und sie wird immer wichtiger. Mitunter sind es gar nicht mehr die Werber, die sich die Texte ausdenken. Auch nicht Blogger sondern schlicht Gäste, die am Ende des Tages auch am meisten Glaubwürdigkeit mitbringen.

Welche Werbebotschaften wo eingesetzt werden, muss man natürlich auch wissen. So wirbt der Wien Tourismus seit Jahren auch mit den Themen Kulinarik und Wein, wobei letzterer in der Inszenierung für den arabischen Raum freilich ausgeblendet wird. Dort wird pünktlich zum Fastenbrechen nach dem Ramadan  – im Juni – in Dubai, Sharjah und Abu Dhabi  eine Aktion rund ums Thema Liebe geplant. Außerdem läuft eine Social Media Kampagne in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die Wien als Honeymoon-Destination zeigt.

Keine Nackten in Japan

Die aktuelle Klimt-Kampagne  geht dort gar freilich gar nicht. Sie setzt  auf das Thema Nacktheit, konkret auf entsprechende Klimt-Bilder. Auch in Japan ein No-Go, sagt Kettner. „Dort würden wir uns den Vorwurf der Provokation einhandeln.“

Warum eigentlich Klimt? Weil Gustav Klimt 1918 gestorben ist – vor 100 Jahren. Die Wiener, denen ja bekanntlich ein Hang zum morbiden nachgesagt wird, sehen darin natürlich als einen Grund zu feiern. Freilich auch, weil die Wiener Moderne unter Kunstliebhabern auf der ganzen Welt gut ankommt. 

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