Die Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) fallen immer unausgewogener aus, je länger das Programm dauert: Zu diesem Schluss kommt das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.
"Immer stärker kauft die EZB ausgerechnet die Anleihen der hoch verschuldeten Euro-Staaten", kritisierte Autor Friedrich Heinemann in der FAZ. Zuletzt seien überproportional viele italienische, spanische, belgische, aber auch österreichische Staatsanleihen erworben worden. 2015 sei die EZB-Ankaufspolitik noch besser austariert gewesen.
- konzentrieren sich zunehmend auf hoch verschuldete Staaten - aktuelle Analyse von -Ökonom Friedrich Heinemann zu : /JG
— ZEW (@ZEW)
Das hält der Ökonom für kritisch, denn die EZB dürfe kein Land bevorzugen, sonst verstößt sie gegen das Verbot der Staatsfinanzierung. Die höhere Nachfrage drückt nämlich die Zinskosten, die die Staaten für ihre Schulden aufwenden müssen.
Warum steht Österreich in diesem wenig schmeichelhaften Umfeld? "Ja, Österreich wird überproportional gekauft", sagt Heinemann zum KURIER. Ein Hochschulden-Staat sei es aber nicht: "Es hat eine leicht unterdurchschnittliche Schuldenquote, fällt insofern also etwas aus dem Rahmen."
So weit liege die EZB gar nicht von ihren Zielvorgaben entfernt, sagt hingegen Gunter Deuber von Raiffeisen Research. Er hat die Anleihenkäufe ebenfalls im Detail analysiert, allerdings vorrangig aus der Sicht von Investoren. Für diese zähle, ob und wie sehr die EZB-Politik die Marktpreise verzerrt. Es kommt dabei also eher auf den Anteil der EZB-Geschäfte am Marktvolumen der jeweiligen Staatsanleihen an.
Dazu muss man wissen: Prinzipiell werden die EZB-Käufe nach dem Anteil der Euroländer an der Zentralbank in Frankfurt gewichtet. Das ist eine der Vorgaben, damit das Programm nicht als unzulässige Staatsfinanzierung eingeordnet wird. Dieser Kapitalschlüssel errechnet sich je zur Hälfte anhand der Bevölkerungszahl und der Wirtschaftsleistung.
Die EZB muss aber daneben noch weitere Kriterien beachten: Griechische und zypriotische Papiere darf sie wegen des schlechten Ratings gar nicht kaufen. Und: Die Käufe dürfen nicht mehr als ein Drittel des verfügbaren Anleihenvolumens ausmachen. Und da wird es schwierig.
Niedrig verschuldete Länder wie Estland, Lettland oder Litauen, die nur wenige Staatsanleihen auflegen, haben damit nämlich einen Nachteil: Bei ihnen ist die Obergrenze rasch erreicht.
Auch bei Deutschland wird es eng – gemessen am Marktvolumen kaufe die EZB sogar überdurchschnittlich viele deutsche Papiere. An Schuldpapieren der Italiener und Spanier gibt es hingegen keinen Mangel. Diese beiden Länder stehen für rund 40 bzw. 20 Prozent der Netto-Neuemissionen von Staatsanleihen, die 2018 im Euroraum rund 220 Mrd. Euro betragen werden. Der Beitrag Deutschlands ist hier sogar negativ, weil die Tilgungen die neuen Anleihen übersteigen: das deutsche Marktvolumen schrumpft also.
Es sei kein Wunder, dass es der EZB operativ schwer falle, diese Unterschiede exakt auszutarieren, sagt Deuber. Bei österreichischen Anleihen agiert die EZB laut Raiffeisen-Analyse "marktneutral", also exakt im Gleichklang mit deren Marktanteil.
Das EZB-Wertpapierprogramm wurde 2015 gestartet. Zu 70 Prozent werden Staatsanleihen aus der Eurozone gekauft, der Rest entfällt auf staatsnahe Organisationen und Institutionen sowie auf private Unternehmen. Ende 2017 hatte die EZB Wertpapiere der Eurostaaten im Wert von 1724 Mrd. Euro erworben, das entspricht laut Heinemann fast 16 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des Euroraums.
Seit Jänner werden die neuen Anleihenkäufe von 60 auf 30 Mrd. Euro pro Monat zurückgefahren. Im September könnte das Programm ganz auslaufen - allerdings werden auch dann noch jene Anleihen, die das Ende ihrer Laufzeit erreicht haben, nachgekauft. Die EZB dürfte also weiterhin und bis über das Jahr 2019 hinaus sehr aktiv bleiben.