Am Messegelände in Berlin herrscht Zeltfeststimmung. Die Blasmusikkapelle spielt "Venus" von Bananarama, Kinder der 1980er Jahre klatschen begeistert mit. Sogar Pensionistengruppen, die mit ihren Einkaufstrolleys ausgerückt sind, bleiben stehen. Die Kapelle hat es damit nicht leichter, sich den Weg durch Käse-, Bier- und Schnapsstände zu bahnen. Im Schlepptau haben sie Blondinen in Tracht, die einen Käselaib unterm Arm halten. Die Holländer zeigen bei der Grünen Woche, der weltgrößten Leistungsshow der Agrarwirtschaft, dass sie feiern können. Und genau das wollen viele Messebesucher.
Foto: /Messe Berlin GmbH Schon früh morgens wird Bier gezapft und Schnaps verkostet. Mit fortschreitender Tageszeit haben es diverse Milch-, Raps- oder Winzerköniginnen damit nicht leichter, sich gegen auffällig wankende Männerrunden und zunehmend verhaltensoriginelle Sprüche zu wehren.
Dasselbe Los haben die Aussteller. So wird in der Bayern-Halle unter anderem mit "Bauern-Milch" geworben. Man will nicht wissen, zum wievielten Male der Standler gerade gefragt wird, ob für die Milch wirklich Bauern gemolken werden.
Foto: /Simone Hoepke Drei Burschen ziehen davon unbeirrt durch die Hallen. Sie stecken in der Chiemgauer Tracht und tragen Hüte mit imposantem Gamsbart. Die Aufmerksamkeit der Städter ist den Mitgliedern des Trachtenvereins damit sicher. So ein Ranzen – also Trachtengürtel – kostet um die 3000 Euro, erklärt einer der Burschen zwischen Ferkel- und Zuchtbullen-Stall beiläufig. "Bis zu zwei Jahre Wartezeit." Er prostet den Kollegen vom "bayrischen Meer" (Chiemsee) zu – und weiter geht die kulinarische Reise quer durch die Tierhalle in Richtung Österreich.
Hier spielt jemand quasi in Endlosschleife Ziehharmonika. Zwischen Ständen mit Zirbendecken, Vorarlberger Käse, Salzburger Bio-Heumilch-Schokolade oder Seifen aus Kärnten. Nebenan herrscht einmal mehr Zeltfeststimmung auf den vollen Biertischen mit den rot-weiß-karierten Tischdecken.
Foto: /Simone Hoepke Nach ein paar Jahren Auszeit sind heuer auch die Russen wieder in die Berliner Messehallen gekommen. Mit Verkäufern von tiefgefrorenen Pilzen und Beeren, Salz oder russischem Wein (Flaschenpreis 60 Euro). "Sanktionen? Die treffen uns nicht, weil der Wein vom Mutterland und nicht von der Krim kommt", erklärt der Herr, der die Tracht der Kuban-Kosaken trägt. Attrappen von Schießpulverbehältern an der Brust und Pelzkappe am Kopf inklusive. Nebenan gibt es Wodka in sämtlichen Preisklassen und als alkoholfreie Alternative Birkenwasser.
Währenddessen wird in Halle 25 gerade ein Polo-Turnier ausgetragen. Verhaltener Applaus für die Sieger, umso lautere Musik zur Überbrückung bis zur nächsten Show. Eine Haflinger-Stute, die gegenüber der Tribüne in ihrer Box steht, wiehert und kommt unerwartet schnell in Richtung der Dame, die gerade ein Selfie mit dem Pferd machen wollte. Die Frau springt erschrocken zur Seite, verschüttet ihr Bier, schimpft mit der Stute, zieht beleidigt ab. In die nächste Halle, wo Sektkübel im Jacuzzi schwimmen, Rasenmäherroboter in Maikäfer-Look über Kunstrasen gleiten und Verkäufer ihre Sauna-Neuheiten anpreisen. Wer sich alles anschauen will, braucht ein paar Tage Urlaub. 1660 Aussteller aus knapp 70 Ländern sind angereist.
Hinter den Kulissen treffen sich die Agrarier Europas. Debattiert wird über das Thema Tierwohl, den Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln sowie die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest. Vor den Türen der Messe protestieren derweil Greenpeace-Aktivisten. "Lasst die Sau raus", steht auf ihren Plakaten.