Auf der Kärntner Straße 7 in der Wiener Innenstadt, einer der besten Geschäftsadressen für internationale Händler, stehen derzeit 700 Quadratmeter leer. Die spanische Textilkette Zara hat hier kurz vor Weihnachten ihre Pforten geschlossen und konzentriert sich fortan auf den nahe gelegenen Shop am Stephansplatz. Einen Nachmieter gibt es noch nicht. "Es ist wesentlich schwieriger geworden, große Verkaufsflächen in Top-Lagen zu vermieten. Die Händler sind selektiver und vorsichtiger geworden", sagt Anthony Crow, Retail-Experte beim Immobilienunternehmen Colliers.
Vor dem Boom im Online-Handel dauerte es nur wenige Wochen, bis Immobilienmakler prominente Lagen wie jene in der Kärntner Straße neu vermieten konnten. Heute brauchen Vermieter mehrere Monate, ehe sie einen neuen Interessenten an Land ziehen.
Weil die Einkäufe im Internet bereits 13 Prozent der Handelsumsätze ausmachen, sinkt die Kundenfrequenz in den Einkaufsstraßen. Die Folgen sind tiefgreifend: Seit 2012 sind die Verkaufsflächen im stationären Handel um sechs Prozent zurückgegangen. "In B&C-Lagen, etwa auf den vormals pulsierenden Bezirksstraßen wie der Ottakringer Straße oder der Favoriten Straße, sinken die Mieten um bis zu fünf Prozent pro Jahr", sagt Jörg Bitzer, verantwortlich für Einzelhandelsimmobilien beim Maklerunternehmen EHL.
Und auch Shoppingcenter sind unter Druck: Der Bau von neuen Einkaufszentren kommt heuer zum Erliegen – die Leerstandsrate liegt mittlerweile bei fünf Prozent. "Die Besucherzahlen sinken", so EHL-Experte Bitzer. Das Wegbrechen von Händlern wie Zielpunkt, Niedermeyer und Schlecker sind spürbar. Doch vor allem internationale Ketten wie Zara, Esprit und Mango steigen bei ihrer Filialexpansion auf die Bremse. Der schwedische Textilriese H&M etwa kündigte im Dezember an, wegen schlechter Geschäftszahlen Filialen schließen zu wollen.
Zwar ist Wien nach wie vor ein begehrtes Expansionsziel für internationale Marken. Laut EHL liegt die österreichische Hauptstadt weltweit auf Platz 10 bei den neuen Markteintritten. Die Berliner Schuhmanufaktur Shoepassion etwa eröffnete kürzlich einen Shop Am Hof, und die neue H&M-Marke Arket sucht bereits nach einem geeigneten Standort. Doch insgesamt geht der Trend zu absoluten Top-Lagen, wo Labels ihre Produkte perfekt inszenieren und mit dem Online-Handel verknüpfen können. Dafür mieten sie auch gerne große Flächen. Immobilienexperten sprechen vom "Good-Better-Best"-Prinzip.
Auf der Mariahilfer Straße, der wichtigsten Einkaufsmeile des Landes, ist dieser Trend bereits angekommen. In den guten Lagen sind die Mieten stabil, während an den weniger attraktiven Standorten die Preise unter Druck geraten. Nach dem Umbau zur Fußgängerzone und darauffolgenden Umsatzeinbrüchen hat sich die "Mahü" jedenfalls wieder erholt. Laut einer Analyse des Immobilienunternehmens CBRE ist die Mariahilfer Straße die dominierende Straße bei Neueintritten in den österreichischen Markt. Einige Beispiele: Die Sportartikel-Riesen Nike und Asics haben vergangenes Jahr Flagshipstores eröffnet. Und der niederländische Traditionshändler Hema sperrt demnächst im sanierten Slama-Haus auf. "Die Frequenz ist sehr gut, sogar besser als vor dem Umbau. Der attraktive Teil der Straße ist durch die Fußgängerzone größer geworden", sagt Walter Wölfler, Chef der Retail-Sparte bei CBRE.
In den absoluten Top-Lagen am Wiener Kohlmarkt, dem Graben und der Kärntner Straße, haben sich die Mietpreise auf hohem Niveau stabilisiert. Bis zu 400 Euro Nettomiete pro Monat pro Quadratmeter müssen Händler für einen repräsentativen Shop hinblättern. Frequenzbringer sind an den Standorten im so genannten "Goldenen U" vor allem Touristen. Immerhin stiegen die Nächtigungen in Wien 2017 um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Allerdings sinken die horrenden Ablösen – ein Indiz dafür, dass die rasanten Veränderungen im Handel auch vor der Wiener City nicht Halt machen könnten.