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Gentlemen’ s Agreement: Darf’s ein bisschen mehr sein?

11-01-2018, 17:42

Die Causa wird das Wiener Handelsgericht noch länger beschäftigen. Rudolf Kemler, der 2015 nach drei Jahren als umstrittener Chef der Staatsholding ÖIAG (heute ÖBIB) abtreten musste, wollte sich am Mittwochabend nicht mit seinem ehemaligen Arbeitgeber vergleichen.

Kemler will 150.000 Euro für an Pensionsleistungen und knapp 100.000 Euro für 58 nicht konsumierte Urlaubstage. Nachfolgerin Martha Oberndorfer revanchierte sich mit einer Gegenklage über 300.000 Euro.

Die Vorgeschichte zeigt, wie in der Staatsholding, die immerhin die wertvollsten Unternehmensbeteiligungen der Republik Österreich (Post, Telekom, OMV, Casinos) verwaltet, gemauschelt und gedealt wurde. Zur Erinnerung: Der unabhängige Aufsichtsrat bestand damals aus einer privat und beruflich eng miteinander verbandelten Freundespartie.

Foto: KURIER/Gerhard Deutsch Kemler erzählt vor der Richterin sehr offen. Bei seiner Anstellung 2012 habe ihm Aufsichtsratspräsident Peter Mitterbauer (Bild, Eigentümer des Autozuliefer-Konzerns Miba) zusätzlich zehn Prozent seines Gehaltes – rund 500.000 Euro – als Beitrag in die Pensionskasse APK zugesagt. Doch eine Anwältin im Aufsichtsrat machte darauf aufmerksam, dass diese Vereinbarung gegen die Bundesvertragsschablonen-Verordnung verstoße. Diese begrenzt die Jahresgage von Managern in Staatsunternehmen mit 500.000 Euro.

Mündliche Vereinbarung

Was also tun? Damit er trotzdem auf sein Geld komme, seien die 150.000 Euro mit Mitterbauer mündlich ausgemacht worden, falls er vorzeitig abgehe. Erzählt Kemler. Obwohl im Anstellungsvertrag ausdrücklich steht, dass Kemler Pensionsleistungen erst nach fünf Jahren zustehen und Nebenabreden nicht gelten.

Kemler dazu: Man habe ja nicht absehen können, wie sich die Dinge entwickeln und eben ein "Gentlemen’s Agreement" getroffen.

Foto: KURIER/Rainer Eckharter Diese Version ist durchaus glaubwürdig. Drei Jahre später muss Kemler gehen, Aufsichtsrats-Vorsitzender ist inzwischen Siegfried Wolf. Und der stark in Russland engagierte Ex-Magna-Spitzenmanager (Bild) bestätigt Kemler in einem Auflösungsvertrag die 150.000 Euro.

Minister-Paraphe

Eine Version ist auch von Finanzminister Hans-Jörg Schelling paraphiert. Bedeutet eine Paraphe die Kenntnisnahme oder eine Zustimmung? "Nur die Kenntnisnahme", beteuert der damals für die ÖIAG zuständige Spitzenbeamte.

Kemler meint, der Gesamt-Aufsichtsrat habe die Vereinbarung mit Wolf dann abgesegnet. Laut den Protokollen war das allerdings nicht der Fall, das Gremium schob die heiße Kartoffel vielmehr an die Hauptversammlung – sprich dem Beamten – weiter. Dieser wagte ebenfalls keine Entscheidung.

Die große Frage: Gilt die Vereinbarung trotzdem? Nein, sagen ÖBIB und die Finanzprokuratur.

Die ÖBIB hätte die Summe übrigens beinahe ausbezahlt. Oberndorfer war durch ein Detail stutzig geworden und stoppte die Überweisung. Vor Gericht hatte sie jedoch ziemliche Probleme, sich präzise auszudrücken.

Weshalb Kemler seinen Resturlaub, den er jetzt einklagt, nicht konsumieren konnte, klärt sich nicht auf. Der Manager war von Juni bis zum Schluss seines Dienstverhältnisses Ende Oktober 2015 freigestellt.

Die Gegenforderungen der ÖBIB, von Kemler als "ehrenrührig" abgetan, werden vorläufig nicht verhandelt. Kemler habe gegen die Sparsamkeitsregeln des Public Corporate Governance Kodex verstoßen. Er soll beispielsweise in der Schlussphase Boni-Regeln für vier Mitarbeiter massiv erhöht haben.

Es bleibt jedenfalls spannend. Die Richterin will Mitterbauer, Wolf und Schelling als Zeugen laden.

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