Traditionell, eng, freundschaftlich: So lassen sich die Wirtschaftsbeziehungen österreichischer Unternehmen zu den deutschen Nachbar-Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg am besten beschreiben. Die lange gemeinsame Grenze ist vor allem für heimische Kleinbetriebe längst keine Grenze mehr. Vom Tischler aus dem Innviertel bis zum Hausbesorger aus Vorarlberg sind Kunden jenseits der deutschen Grenze beliebte Abnehmer.
"Österreichische Unternehmen sind mit Abstand die wichtigsten ausländischen Lieferanten für die bayerische Wirtschaft", betont der langjährige Wirtschaftsdelegierte in München, Michael Scherz. Waren und Dienstleistungen im Volumen von 8,2 Milliarden Euro wurden allein im ersten Halbjahr nach Bayern geliefert. Ins benachbarte Baden-Württemberg wurde für gut drei Milliarden Euro exportiert.
Und da Bayerns Wirtschaft kräftige Wachstumssignale abgibt, lassen sich auch die jährlichen Steigerungsraten in den Handelsbeziehungen sehen. Um 3,1 Prozent wuchsen die heimischen Exporte im Jahr 2016, in den ersten sechs Monaten dieses Jahres betrug das Plus sogar 7,2 Prozent.
Trotzdem ist nicht alles eitel Wonne im grenzüberschreitenden Handel. "Da sind zum einen die Grenzkontrollen, die für viele kleine österreichische Firmen, die über die Grenze arbeiten, ein massives Problem darstellen", betont Scherz. Staus, lange Wartezeiten würden effizientes Arbeiten verhindern. Das Verständnis für die Kontrollen sei bei vielen Unternehmern gering, zumal es insgesamt 36 Grenzübergänge zwischen Österreich und Bayern gebe, kontrolliert würden aber nur die drei großen. "Für Kleinunternehmer sind aber die großen Grenzübergänge normalerweise die schnellsten. Staus bedeuten eine finanzielle Belastung", fasst Scherz den Unmut der Unternehmer zusammen.
Das größere Problem für die österreichischen Lieferanten nach Bayern sieht Scherz aber in der Abhängigkeit von der deutschen Autoindustrie. Denn Fahrgestelle, Karosserien, Motoren dominieren die Hit-Liste österreichischer Exporteure. Die deutsche Autobranche aber steht seit dem Skandal um manipulierte Software schwer unter Druck. Zudem stehen Verbote für Dieselfahrzeuge in vielen deutschen Städten im Raum.
"Wie sich das langfristig auf die österreichischen Zulieferer auswirkt, lässt sich derzeit aber kaum abschätzen", meint der Wirtschaftsdelegierte. Denn derzeit sei sowohl die Zukunft des Elektromotors als jene des Dieselmotors völlig unsicher. Das stelle jedenfalls den Erfolg der österreichischen Zulieferer in Bayern vor riesige Herausforderungen. Der Druck auf die Auto-Zulieferer kommt allerdings nicht nur aus Deutschland. Auch osteuropäische Zulieferer drängen in den Automarkt und setzen die Preise kräftig unter Druck.
Die Antwort der heimischen Industrie könne nur lauten: noch mehr High-Tech, Innovation und Spitzenqualität. Genau hier seien viele Unternehmen sehr gut, räumt Scherz ein und verweist auf den Mühlviertler Batteriespeicher-Hersteller Kreisel. Aber auch Magna habe es geschafft für die Grazer Werke die Produktion der neuen Serie von BMW an Land zu ziehen.
Gute Chancen für die heimischen Unternehmer sieht der Wirtschaftsdelegierte künftig in der Reparatur der deutschen Infrastruktur. Wer regelmäßig übers Deutsche Eck nach Tirol fährt, weiß, was Scherz damit meint: Zu lange nicht reparierte Straßen, die längst nicht mehr dem Stand der Zeit entsprechen. Und viele Lücken im Verbindungsnetz zwischen den großen Städten erweitern die Geschäftsmöglichkeiten für die heimische Baubranche. Tägliche Staus von 20 Kilometern zwischen Stuttgart und München zeugen davon. Auch der Neubau des Bahnhofs in Stuttgart – "Stuttgart 21 – zieht österreichische Unternehmen an. So ist Porr in diesem Bereich engagiert und hat dafür sogar eine eigene Niederlassung in Stuttgart eröffnet.
Nicht zuletzt stellt auch der boomende Wohnbau in Bayern und Baden-Württemberg einen Magnet für heimische Bauunternehmen dar. Ballungszentren wie München, Nürnberg oder Augsburg wachsen kräftig, der Zuzug in diese Städte ist beachtlich, was den Wohnbau auf Hochtouren bringt.