Der "saubere Diesel" ist ein Marketing-Mythos, der mit der VW-Abgasaffäre endgültig geplatzt ist. Eigentlich sind Dieselabgase, darunter vor allem die Stickoxide, sprich Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid, viel gesundheitsschädlicher als weitläufig bekannt.
Der Ruf nach einem Fahrverbot von (alten) Dieselfahrzeugen in Städten, wie ihn Experten fordern, wird immer lauter. "Wir sollten von den Diesel-Fahrzeugen wegkommen. Ich halte ein Diesel-Fahrverbot für sinnvoll", sagt Hanns Moshammer, Leiter der Abteilung der Umwelthygiene und Umweltmedizin an der Medizinischen Universität Wien, zum KURIER. "Man wird aber eine Übergangszeit brauchen. So könnte man zwischenzeitlich Umweltzonen einführen, wo man die alten Dieselautos verbietet."
Wie der KURIER berichtete, wird die Abgasreinigung bei vielen Autos bei einer Außentemperaturen unter plus 15 Grad und über 33 Grad überhaupt abgeschaltet. In Österreich gilt für Stickstoffdioxid (NO2, eine Untergruppe von NOx) ein Grenzwert (Jahresmittelwert) von 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Außenluft. Maßnahmen müssen erst dann gesetzt werden, wenn der höhere EU-Grenzwert (40 Mikrogramm) überschritten wird.
Selbst der EU-Grenzwert wird an elf Verkehrsknoten (siehe Tabelle rechts) permanent überschritten.
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Fakt ist aber auch: Dieser Grenzwert darf zu "Spitzenzeiten" (Halbstunden-Mittelwert) um das Fünffache auf bis zu 200 Mikrogramm überschritten werden.
"Gerade wegen der vielen Dieselfahrzeuge ist Stickstoffdioxid in Österreich ein sehr guter Indikator für Gesundheitsschäden durch Luftschadstoffe", sagt Moshammer. "Die Mehrheit der Wissenschaft meint heute, dass die Stickoxid-Konzentration im Straßenverkehr, wie wir sie haben, für sich selbst schon gesundheitsgefährdend ist." Laut diversen Studien schädigen Stickoxide die Zellmembran der Lunge und gemeinsam mit anderen Schadstoffen können sie auch zu Krebs führen. "Bei Asthmatikern kann man bereits bei weniger als 40 Mikrogramm erste Einschränkungen der Lungenfunktion und Entzündungszeichen nachweisen", so der Top-Mediziner.
Es kommt aber noch schlimmer. Auch für Arbeitsplätze (Innenluft) gibt es einen Grenzwert. Der Grenzwert für Stickstoffmonoxid liegt für Arbeitsplätze (Innenluft) bei 30 Milligramm bzw. 30.000 Mikrogramm. Beim Stickstoffdioxid liegt dieser Grenzwert bei bis zu sechs Milligramm oder umgerechnet 6000 Mikrogramm. Das ist das 150-Fache des Grenzwertes für die Außenluft.
"Ich bin überrascht. Ich hätte erwartet, dass dieser Grenzwert etwas niedriger ist", sagt Moshammer. So können u.a. bei Schweißarbeiten in engen Räumen hohe Akutbelastungen entstehen. "Stickstoffdioxid ist schlecht wasserlöslich und gelangt daher tief in die Lunge", weiß des Mediziner. "Dort verursacht es Entzündungen, die nicht bemerkt werden, weil die Lungenbläschen keine Schmerzrezeptoren haben." Ohne rasche Behandlung (innerhalb von 12 Stunden) erstickt der Betroffene an einem Lungenödem.