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Neues Skifahren und alter Streit um den Schnee

5-01-2018, 06:00

Die Wintersaison ist eröffnet, zumindest in Skihochburgen wie Sölden oder Ischgl. Der viel beschworene Wettergott hat heuer pünktlich zum Saisonstart mitgespielt. "Zur Abwechslung zu den vergangenen Jahren war es heuer kalt genug. Wir haben Naturschnee und die Möglichkeit zu beschneien", sagt Franz Hörl, Sprecher der Seilbahnwirtschaft. Und weil er ständig mit Kritik aus dem Eck der Umweltschützer konfrontiert ist, schickt er gleich hinterher, dass "alle Skigebiete zusammengenommen weniger Energie verbrauchen als der größte Tiroler Industriebetrieb alleine".

Über kaum ein Thema wird so emotional gestritten wie über die Zukunft des Skisports im Allgemeinen und Beschneiung der Pisten im Speziellen. Studien gibt es zuhauf, je nach Auftraggeber mit entsprechenden Ergebnissen.

Retter Kunstschnee

Bei einem Treffen der Allianz Zukunft Winter, zu der sich Touristiker, die Skiindustrie, Seilbahnen und Skischulen zusammengeschlossen haben, kam einmal mehr Joanneum-Professor Franz Prettenthaler zu Wort. Er ist Experte für Klima- und Energiefragen und hat mit seinem Team knapp 80 Skigebiete in Tirol und in der Steiermark unter die Lupe genommen. Und berechnet, welchen "kühlenden" Effekt der Kunstschnee auf die beschneite Fläche hat. Prettenthaler spricht vom Albedo-Effekt. Dieser misst die Rückstrahleigenschaften einer Oberfläche. Der Experte veranschaulicht das mit einem einfachen Beispiel. "Im Sommer ist ein schwarzes T-Shirt wesentlich heißer als ein weißes, das die Strahlung reflektiert." Im alpinen Bereich verhält es sich ähnlich: weiße Flächen würden die Sonnenstrahlung reflektieren und sich nicht so stark erwärmen. Dunkle Flächen, wie apere Wiesen, nehmen mehr Sonnenstrahlung auf und erwärmen die Erdoberfläche stärker.

Kunstschnee gegen den Klimawandel, könnte man verkürzt sagen. Die Ergebnis dieser Rechnung hält laut Prettenthaler auch, wenn man die Emissionen für die Kunstschneeerzeugung gegenrechnet.

Georg Kaser von der Universität Innsbruck kann die Rechnung seines Kollegen in Graz nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht müssten nicht nur die Emissionen durch die Kunstschneeproduktion, sondern auch die bei der Errichtung der Schneekanonen, der Verteilung des Schnees auf den Pisten und der Wartung der Maschinen erzeugten Ausstöße berücksichtigt werden. Zudem sei vernachlässigt worden, dass CO2-Emissionen über mehrere Jahre in der Atmosphäre wirken und das die von der Schneeoberfläche reflektierten Sonnenstrahlen im umliegenden Gelände absorbiert werden könnten.

Unter Werbern wird derweil debattiert, ob überhaupt noch der Skisport an sich beworben werden soll – oder besser umfassendere Wintermärchen mit Kutschenfahrten und knisternden Kachelöfen. Die Österreich Werbung steckt nur noch die Hälfte ihres Winterbudgets in die Bewerbung von klassischen Ski-Urlauben. Pistenkilometer, präparierte Abfahrten und der beheizte 8er-Sessellift sind derzeit vor allem in Ländern Osteuropas ein Argument für Urlaubsbuchung, heißt es.

Skischulen

Das ist die gute Nachricht für die österreichweit 660 Skischulen. Ihr Schlagwort der Saison lautet "Schönskifahren". Ziel der neuen Technik: "Ein gleitenderes Skifahren mit weniger Kanteneinsatz, das also auch mit weniger Anstrengung verbunden ist. Die Leute sollen nach einem Skitag nicht mehr fix und foxi sein", sagt Gerhard Sint, Obmann des Salzburger Skilehrerverbandes. Sprich: Sie sollen auch noch genügend Energie fürs Après-Ski haben.

Währenddessen geht ein Teil des Skimarktes aber buchstäblich an den Pisten vorbei. Von Jahr zu Jahr gibt es mehr Tourenskigeher. Betreten sie ein Sportgeschäft, läuft die Verkaufsmannschaft gern zusammen, weil Tourengeher als zahlungskräftig gelten. Seilbahner sehen sie aber weniger als Cashcow als als Sicherheitsrisiko. Sie sprechen von einer "wahren Völkerwanderungen" und ihren Schwierigkeiten, entlang der Piste für Sicherheit zu sorgen. "Wir präparieren die Pisten, wer sie nutzt, soll auch dafür zahlen", hat Hannes Parth, Seilbahnchef von Ischgl, eine klare Meinung zur Frage, ob Tourengeher auch für die Abfahrt zahlen sollen. Immer mehr Skiregionen bitten die Tourengeher deshalb zur Kasse.

Apropos Geld: Das Argument, dass sich infolge der jährlich steigenden Liftpreise immer weniger Menschen einen Skiurlaub leisten können, lässt Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes Seilbahnen, nicht gelten: "Ich bin seit 30 Jahren in der Branche und genauso lange höre ich diesen Vorwurf", sagt er. "Fakt ist aber, dass wir jedes Jahr mehr Wintersportler auf der Piste haben." Auch das Argument, dass die Jungen auf den Pisten ausbleiben, sei Humbug. "Der Altersdurchschnitt liegt seit zehn Jahren bei 39 Jahren."

Nur noch 25 Prozent der Österreicher geben an, regelmäßig Ski zu fahren. In einer Skination sollten damit eigentlich alle Alarmglocken schrillen. Tun sie aber nicht.

Laut Franz Föttinger, Geschäftsführer von Fischer Ski, läuft es sogar ziemlich rund. „Wirtschaftlich geht es in vielen Ländern wieder bergauf, wir haben gute Pistenverhältnisse und die Ski-Hersteller können sich dank zahlreicher Investitionen am Weltmarkt gut behaupten“, fasst der  Sprecher der heimischen Ski-Industrie die Rahmenbedingungen zusammen. „Die Auftragslage ist gut, wir haben zweistellige Zuwächse.“

Investiert hat die Branche zuletzt vor allem in einen Bereich, den sie neudeutsch Convenience nennt. Soll heißen, in leichtere Ski und Schuhe. Jeder weiß, welche Dramen sich auf Skihütten am Weg zur Toilette im Untergeschoß abspielen, sagt Föttinger. Die Branche habe daher in die Entwicklung gehbarer Skischuhe samt passender Bindungen investiert.

Guter Ruf

Österreichs Hersteller – mit den Marken Atomic, Blizzard, Fischer,  Head – haben international einen guten Ruf, die Exportquote liegt bei 80 Prozent. Der Weltmarkt stagniert allerdings seit Jahren bei rund drei Millionen Alpinski, zu Spitzenzeiten Anfang der 1990er Jahre waren es  gut acht Millionen Paar im Jahr.

Als Hoffnungsmarkt gilt  China, weil die Olympischen Winterspiele 2022 in der  Nähe von Peking ausgetragen werden. In Sachen Skination sind die Chinesen derzeit noch unverdächtig. Gerade einmal 120.000 Paar Ski werden in dem 1,3-Milliarden-Einwohner-Markt verkauft, davon die Hälfte aus chinesischer Produktion.  Mittelfristig könnte es aber 300 Millionen Skifahrer in China geben, frohlocken Marktforscher. Da „Made in Europe“ in China gefragt ist, machen sich  auch die  Österreicher Hoffnung. Allerdings ist der Markt so interessant wie preisgetrieben. Viele Chinesen leihen sich die Ski direkt im Ressort. Und mit den Ski auch Handschuhe, Helm, Skibrille und Skianzug.  Wer in diesen Verleihzentren seine Ausrüstungen platzieren will, muss bei den Preisen die Hosen runterlassen, klagen Branchenkenner.

Apropos Preise: Zumindest die Gefahr, dass die Skihersteller ihre Produktion nach China verlagern, ist überschaubar. Föttinger: „Das ist kein Thema, weil alle Zulieferer der Skiindustrie in Europa sind.“

„Made in Europe“

In Österreich werden nach wie vor hochwertige Ski produziert. Föttinger: „Da steckt viel Handarbeit drin.“ Schließlich ist ein Ski vereinfacht gesagt wie ein Sandwich aufgebaut – er hat bis zu 30 Schichten, die von Hand eingelegt werden. Etwa bei Head in Kennelbach bei Bregenz, bei Blizzard in Mittersill (Sbg), bei Fischer Ski in Ried und Atomic in Altenmarkt. Die Hersteller können es sich aufgrund der hohen Personalkosten aber nicht leisten, auch Billigski in Österreich zu produzieren. Sie lassen in Bulgarien (Atomic), Tschechien (Head) oder der Ukraine (Blizzard, Fischer) fertigen. Wie viel Paar Ski im Jahr verraten sie nicht. Branchenkenner wissen aber, dass die Österreicher zudem für Konkurrenten aus dem Ausland fertigen, etwa für Rossignol (Fischer) oder Salomon (Atomic). Kästle hat übrigens keine eigene Fertigung mehr und ist daher auch nicht mehr im Verband der Österreichischen Ski-Erzeuger vertreten.

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