logo



[email protected]

Der Wirtschafts-Wettkampf: EU, USA oder China - wer gewinnt?

3-01-2018, 06:00

Die Weltordnung ist im Umbruch: Die USA verabschieden sich gerade vom alten Anspruch, ihr Wirtschaftsmodell allen anderen Nationen überstülpen zu wollen. Präsident Trump verzichtet bewusst auf die einstige Führungsrolle in der UNO, der Welthandelsorganisation WTO und bei Handelsdeals.

Unterdessen hat sich Chinas Präsident Xi Jinping eine Machtfülle gesichert, die keiner seiner Vorgänger seit Mao kannte. Das erstarkte Selbstbewusstsein drängt jetzt massiv ins Ausland: Der verführerische Mythos der Neuen Seidenstraße (und die versprochenen Milliarden-Investitionen) sind der Türöffner. So will sich China Macht und Einfluss erkaufen.

Und die Europäische Union? Die kämpft im Inneren, gegen die schwindende Solidarität und nationalistische Fliehkräfte. Die Identitätskrise geht auch 2018 weiter, mit lähmenden Brexit-Verhandlungen, Attacken gegen die Rechtsstaatlichkeit in Polen und Ungarn oder den katalonischen Separatisten.

Wer ist damit nun die globale Wirtschaftsmacht Nummer eins: Haben die Chinesen den alten Platzhirschen schon den Rang abgelaufen?

Größe und Wachstum

Wenn sich der Führungsanspruch an der Größe bemisst, dann ja. Wobei: Die Statistik hat so ihre Tücken. Rechnet man die Wirtschaftsleistung (BIP) in US-Dollar um, so haben die USA noch die Nase vorne – da wird China erst 2030 aufschließen.

Das täuscht allerdings: Nimmt man nämlich die lokale Kaufkraft als Maßstab der Währungsumrechnung, hat die Ablöse längst stattgefunden. Demnach hat Chinas BIP (gemessen in "internationalen Dollars") die USA 2013 und die EU 2015 distanziert.

Unbestritten ist: Chinas Wachstumsraten der letzten Jahrzehnte waren atemberaubend, die Wirtschaft hat sich alle sieben Jahre verdoppelt. "Die mit Abstand erfolgreichste Entwicklung der Geschichte", kommentiert der US-Ökonom Jeffrey Sachs.

Ein weiterer Beleg für den großen Sprung vorwärts: Noch im Jahr 2000 war Chinas Gesamtvermögen auf dem Niveau der USA von 1916. Seither hat es – in weniger als zwanzig Jahren – siebzig Jahre Rückstand aufgeholt und ist jetzt auf dem US-Vermögensstand von 1986 angekommen. Zum Vergleich: Das Vermögen in der Eurozone ist aktuell auf dem US-Niveau von 2000.

Finanzen

Wachstum ist aber nicht alles – es könnte ein Strohfeuer sein, das zulasten der nächsten Generation geht. Die EU-Staaten hatten nach der Euro-Schuldenkrise kaum eine andere Wahl, als zu sparen. Die Budgetdefizite sind dadurch kleiner als bei den Rivalen. Der Kategorie-Sieg geht dennoch dank geringerer Pro-Kopf-Verschuldung knapp an China. Die Schulden liegen dort generell weniger beim Staat, dafür stehen die Firmen höher in der Kreide.

Wohlstand und Soziales Oft wird übersehen, warum Chinas Wirtschaft so rasch wächst – die Bevölkerung ist mit 1,4 Milliarden Menschen vier Mal so groß wie jene der USA. Der individuelle Wohlstand der Chinesen ist aber weiterhin um ein Vielfaches geringer als im Westen. Und er ist obendrein äußerst ungleich verteilt.

Bildung und Innovation

Erstaunlich: Im PISA-Schultest schneiden Chinas 15-Jährige besser ab als ihre amerikanischen und europäischen Altersgenossen. Das Bild ist allerdings verfälscht, weil nur Chinas reichste Regionen am Test teilnehmen. Eine hohe Forschungsquote und Internetdurchdringung sichern den USA Platz eins.

Umwelt

Chinas Aufstieg wurde mit Kohle befeuert, was bis heute eklatante Folgen für die Umwelt und Gesundheit hat. So ist die Feinstaubbelastung vier Mal höher als in der EU und sieben Mal höher als im US-Durchschnitt. Die Europäer schaffen es am besten, ressourcenschonend und mit wenig CO2-Ausstoß zu wirtschaften.

Lebensqualität

In China ist staatliche Kontrolle allgegenwärtig, die Kommunistische Partei nutzt die digitale Technologie, um die Bürger zu überwachen. Pressefreiheit ist nicht existent und die Rechtssicherheit auf dem Niveau eines Schwellenlandes stecken geblieben. Kein Wunder, dass die Menschen trotz des gestiegenen Wohlstandes mit ihrem Leben weniger zufrieden sind als in Europa oder den USA.

Ein erschreckendes Detailergebnis gibt es auch in den USA: 2016 ist die Lebenserwartung das zweite Jahr in Folge gesunken – für einen reichen Industriestaat ist das einzigartig. Schuld ist der rasante Anstieg der Drogentoten, weil US-Ärzte massenhaft opiumhaltige Medikamente verschreiben.

Die Gesamtwertung

Fazit: Chinas raketenhafter Aufstieg mag zwar Millionen Menschen aus der Armut geholt haben. Als globales Vorbild taugt das Reich der Mitte aber nicht, denn Bürger und Umwelt bezahlten dafür einen hohen Preis.

Die EU-Wirtschaft wächst um vieles gemächlicher als in China und ist nicht so innovativ wie jene der USA. Das höhere Umweltbewusstsein und die Lebensqualität bringen aber Punkte: In der Gesamtwertung landen somit ex aequo die USA und EU mit 76 Punkten vorne, für Shootingstar China bleibt mit 58 Punkten nur Rang drei.

Foto: /Grafik

Wie die Punkte-Wertung zustande kam:

Was zählt, ist Nachhaltigkeit

Der Anspruch einer führenden Wirtschaftsmacht sollte sein, dass ihr „Geschäftsmodell“ als Vorbild dienen kann. Größe und Wachstum sind dabei kein Selbstzweck – sie könnten auf Kosten künftiger Generationen (mit Schulden), zulasten der Umwelt oder durch Ausbeutung der Bevölkerung erkauft worden sein. Weil die Wirtschaft für die Menschen da sein soll und nicht umgekehrt, hat  der KURIER eine Methodik entwickelt, um die Nachhaltigkeit zu beurteilen.


Stockerlplätze in 35 Kriterien

Vielfältige Kriterien: Konkret wurden 35 sehr unterschiedliche Kriterien  ausgewählt, z. B.  Verschuldung, Einkommensverteilung, Umweltverschmutzung,  Ressourcen-Effizienz, durchschnittliche Schulzeit, Lebenserwartung, Zufriedenheit, Pressefreiheit oder Rechtssicherheit. Wo keine EU-Daten verfügbar waren, wurde ein Durchschnittswert für die EU-28 berechnet. Bei jedem Kriterium gab es drei Punkte für den Erstplatzierten, zwei Punkte für den Zweitgereihten und einen  für den Letzten.

Nachrichtenquelle


© 2017-2024 wienpress.at [email protected]