Ein handgeschriebener Zettel beim Heurigen, Uralt-Kassabons beim Greißler nebenan: Mit der Umsetzung der Registrierkassenpflicht nehmen es heimische Betriebe offenbar nicht ganz so genau. Seit 1. April müssen alle bisher verwendeten Kassen der neuen Sicherheitsverordnung entsprechen, also mit speziellem Manipulationsschutz versehen und bei FinanzOnline angemeldet sein. Am Kassenbeleg ist dieser Manipulationsschutz als QR-Code (Signatur) sichtbar.
Von "alle" kann jedoch keine Rede sein. Kassenlösungs-Anbieter schätzen, dass etwa ein Viertel der Kassen noch nicht umgerüstet ist. "Ich bin sicher, dass 20 bis 30 Prozent aller kassenpflichtigen Unternehmen noch immer keine gesetzeskonforme Lösung haben", sagt Markus Knasmüller, Prokurist beim Systemhaus BMD Software. Zeitlicher Rückstau bei den Lieferanten wie auch eine gewisse Sorglosigkeit der Betriebe nennt er als Gründe. Vor allem Geschäfte oder Hotels ausländischer Ketten hätten noch keinen Manipulationsschutz, beobachtet Etron-Chef Markus Zoglauer. "Die haben oft eigene, ältere Kassensysteme und wissen nicht, wie sie umstellen sollen." Der deutsche Diskonter Lidl etwa bestätigt, dass er die QR-Codes aus technischen Gründen erst "in den nächsten Wochen" auf alle Kassenbons ausweisen kann. Das sei mit dem Finanzamt abgestimmt.
Auch wenn es ehrliche Firmen ärgern wird: Den säumigen Betrieben drohen kaum Strafen. Weil die ursprüngliche Stichtagsregelung mit 1. März nicht zu halten war, räumte das Finanzministerium den Betrieben Straffreiheit ein, wenn sie den Manipulationsschutz bis Mitte März zumindest bestellt hatten. Kontrolliert werde das nicht so genau, ist zu hören. Betriebsprüfer seien schon zufrieden, wenn überhaupt eine Registrierkassa vorhanden sei.
Das Finanzministerium verweist darauf, dass "nur vorsätzliches Fehlverhalten" bestraft werde. Der Strafrahmen beträgt bis zu 5000 Euro. Im Vorjahr führten die Behörden rund 25.000 Kassen-Überprüfungen durch, die verhängten Strafen betrugen österreichweit 10.000 Euro. "Generell wird die Registrierkassenpflicht von den heimischen Unternehmen sehr gut umgesetzt", sagt eine Ministeriumssprecherin. Bis dato gebe es eine Viertelmillion registrierter Kassen. Wie viele noch fehlen, könne noch nicht ausgewertet werden.
Das Ministerium rechnet heuer mit Umsatzsteuer-Mehreinnahmen u.a. durch die Registrierkassenpflicht von rund 1,3 Mrd. Euro. Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Uni Linz hält die Prognosen für überzogen. Er ging im März von höchstens 200 Mio. Euro an Mehreinnahmen aus. Im Vorjahr nahm die Finanz wegen des verspäteten Starts der Kassenpflicht am 1. Mai statt der budgetierten 900 nur 300 Mio. Euro ein.
Auf einer Schifffahrt nach Europa beobachtet James Ritty aus Dayton, Ohio, eine Maschine, die die Umdrehungen der Schiffsschrauben zählt. Der Amerikaner ist Barbesitzer und sieht sich schon länger mit einem teuren Problem konfrontiert. Immer wieder stecken sich seine Mitarbeiter Einnahmen in ihre eigenen Taschen. Ritty fehlt die Kontrolle.
Von seiner Auslandsreise zurückgekehrt, setzt er sich gemeinsam mit seinem Bruder, einem Mechaniker, daran, die Technik vom Schiff in die Bar zu bringen und entwickelt so die erste Registrierkasse. Die Angestellten können, angelehnt an die Schiffstechnik, einzelne Geldbeträge verbuchen. 1883 meldet das Brüderpaar das Patent an. Ihre Erfindung taufen sie „Ritty‘s Incorruptible Cashier“ (zu deutsch: „Rittys unbestechlicher Kassier“).
Doch weil das Geschäft anfänglich nicht floriert und ihn auch der Barbetrieb sehr einnimmt, beschließt Ritty, seine Anteile an Geschäftsleute aus Ohio zu verkaufen. Diese entwickeln das Produkt weiter und ergänzen auch die bis dato fehlende Geldlade. 1884 übernimmt der nunmehrige Allein-Eigentümer John H. Patterson, es folgt die Umbenennung zur National Cash Register Company (kurz: NCR).
Bald wird die NCR Marktführer in den USA. Heute gilt die National Cash Register Company als weltweit führendes Technologieunternehmen. Neben Kassensystemen für die Gastronomie hat das Unternehmen unter anderem auch Geldautomaten, Einzelhandelssysteme und andere IT-Dienstleistungen in seinem Portfolio. 2015 beschäftigt es etwa 32.600 Mitarbeiter weltweit.
James Ritty profitierte finanziell nie vom Erfolg seiner Erfindung, der Ärger darüber blieb beim Barmann aus Ohio aber anscheinend aus. Denn er habe, so erzählt man sich in Dayton, den erfolgreichen Käufer seines Patents und dessen Produktionsstätte immer wieder gerne besucht.