Nicht einmal mehr zwei Drittel (60 Prozent) der Arbeitnehmer in der EU sind laut jüngsten Zahlen der EU-Kommission regulär vollzeitbeschäftigt. In Österreich sind es gar nur noch 51 Prozent, wie der KURIER gestern berichtete. Die Jobs mit den klar geregelten Arbeitszeiten – sie werden in der modernen Arbeitswelt immer weniger, während die atypischen Arbeitsverhältnisse stark zunehmen.
Bereits die Hälfte aller neuen Arbeitsplätze in der Union waren in den vergangenen zehn Jahren Teilzeit- oder geringfügige Beschäftigungen, zumeist solche in der Plattform-Wirtschaft oder Gig-Economy. Die Rechtslage hinkt diesem Wandel der Arbeitswelt weit hinterher. Das hat auch die EU-Kommission erkannt, die nun eine neuen Gesetzesvorschlag vorlegt. Er löst die aus dem Jahr 1991 stammende Gesetzgebung ab, die laut EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen "bisher viele Menschen draußen gelassen hat. Wir hoffen nun, in der Union damit bis zu drei Millionen Arbeitnehmer zusätzlich zu erreichen." Beschäftigte, die weniger als acht Stunden pro Woche arbeiten (derzeit rund vier Millionen EU-Bürger), betrifft die neue Regelung allerdings nicht.
Foto: APA/AFP/THIERRY CHARLIER Mit einem Set an Mindeststandards, die alle EU-Mitgliedsländer binnen zwei Jahren nach Inkraftsetzung umzusetzen haben, soll vor allem die Transparenz und die Vorhersehbarkeit von Arbeitsverhältnissen verbessert werden. Was sind Rechte und Pflichten eines Arbeitnehmers – darüber muss der Arbeitgeber künftig unverzüglich Auskunft geben. "Was wir jetzt hinzufügen, ist Berechenbarkeit und Transparenz vom Tag Eins an. Für prekäre Beschäftigungsverhältnisse ist das sehr wichtig."
Probezeiten sollen demnach künftig nicht länger als sechs Monate dauern. Einschulung und Training muss der Arbeitgeber ermöglichen. Geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer sollen zudem die Möglichkeit erhalten, auch für andere Unternehmen zu arbeiten.
Auf Anfrage nach einer stabileren Beschäftigung muss der Arbeitnehmer binnen eines Monats, im längsten Fall nach drei Monaten eine schriftliche Antwort des Arbeitgebers erhalten. Generell sollen Informationen bezüglich Rechtsansprüchen für alle Arbeitnehmer, einschließlich jener, die über Plattform vermittelte Arbeiten verrichten, leichter zugänglich werden.
Besonderes Augenmerk aber legt Sozialkommissarin Thyssen im Gespräch mit dem KURIER auf die Planbarkeit: "Man muss als Arbeitnehmer nicht 24 Stunden sieben Tage die Woche jederzeit verfügbar sein, falls gerade der nächste Auftrag hereinkommt." Arbeiter mit wechselnden Schichtzeiten, etwa in der Gastronomie, sollen so frühestmöglich informiert werden.
Die Minimalrechte gelten verpflichtend für alle EU-Staaten. Darüber hinaus aber können sie mit ihren Sozialpartnern die Rechtsverbesserungen ausbauen. Vor der neuen Initiative hat die Kommission eine Konsultation durchgeführt, an der sich Gewerkschaften und Arbeitgeberseite beteiligt haben. "Unser Vorschlag liegt nun genau in der Mitte. Den Arbeitgebern könnte er unserer Erfahrung nach zu weit gehen, den Gewerkschaften wiederum wird es nicht reichen." Der Initiative müssen auch noch Rat und das Europäische Parlament zustimmen.
Einen Gesetzesvorschlag, der Arbeitnehmern besseren Zugang zu mehr sozialer Sicherheit geben soll, will die Kommission im kommenden März vorlegen.