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Abschied von der geregelten Arbeit

21-12-2017, 06:00

Den einen fixen Job, und das ein ganzes Leben lang – das gibt es immer seltener. Auf Österreichs Arbeitsmarkt vollzieht sich ein rasanter Wandel. Zwar spricht man immer noch vom "Normalarbeitsverhältnis", wenn jemand das ganze Jahr über vollzeitbeschäftigt ist. Das betrifft aber nur noch 51 Prozent aller unselbstständig Beschäftigten, geht aus der Lohnsteuerstatistik für 2016 hervor. Bei den Arbeitern, die stärker von saisonalen Kündigungen betroffen sind, liegt die Quote heute sogar nur noch bei 43 Prozent.

Der Trend ist eindeutig. 2004 waren immerhin noch 56,4 Prozent aller Arbeitnehmer ganzjährig und in Vollzeit tätig. Und: Österreich ragt international heraus, denn der EU-Wert liegt heute bei rund 60 Prozent. Woher kommt diese Zerbröselung der "normalen" Jobs?

- Teilzeit Erstmals arbeiteten im Vorjahr schon mehr Frauen Teilzeit als Vollzeit, sagt die Statistik. Laut Hauptverbandsdaten beträgt die Teilzeitquote an der Gesamtbeschäftigung 29 Prozent. Sie ist damit die höchste in der EU nach den Niederlanden. "Teilzeit ist gut, wenn sie freiwillig ist", sagt IHS-Arbeitsmarktexperte Helmut Hofer. Er gibt zu bedenken, dass viele dieser Frauen vorher gar nicht erwerbstätig waren. Ein Zeichen, dass der Arbeitsmarkt immer flexibler wird, ist die steigende Zahl der geringfügig Beschäftigten, die die 350.000er-Marke übersprang (siehe Grafik). Geringfügigkeit ist sehr oft auch ein Nebenjob.

Foto: /Grafik

- Job-Hopping Ungefähr ein Drittel der Beschäftigen in Österreich war zuletzt nicht ganzjährig beschäftigt, hatte also instabile Verhältnisse. Dabei kann eine saisonale Arbeit, ein Jobwechsel mit Auszeit oder eine Karenz der Grund für eine Unterbrechung sein. Oder Arbeitslosigkeit. Wie dynamisch der Arbeitsmarkt ist, zeigt die AMS-Statistik: Im Vorjahr standen 1,8 Millionen Beschäftigungsaufnahmen 1,7 Millionen Beendigungen gegenüber. Damit wird praktisch die Hälfte des Arbeitsmarktes jährlich komplett umgeschichtet. Das AMS betreute im Vorjahr 961.000 Menschen, die zumindest einen Tag arbeitslos waren – ein Rekordwert.

- Einzelkämpfer Firmengründung statt Festanstellung: 60 Prozent der Unternehmen in Österreich, konkret 305.000, bestehen aus einer einzigen Person. Ein großer Teil hat nur einen Auftraggeber – der Verdacht der Scheinselbstständigkeit liegt nahe. Ein Drittel der Ein-Personen-Unternehmen (EPU) kommt gerade so über die Runden. Ist die Entwicklung besorgniserregend? "Was ist die Alternative?", fragt Hofer. Für den Staat wären zwar viele Vollzeitstellen besser, aber nicht für eine produktive Wirtschaft.

"Die Zahlen spiegeln den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsökonomie wider", sagt WIFO-Experte Helmut Mahringer. In den neuen Jobs seien überdurchschnittlich viele Frauen in Teilzeit zu finden. Den Vormarsch der Atypischen sieht er differenziert. Gerade weil Österreich den Betrieben kaum Hürden für Kündigungen in den Weg legt, sind unbefristete Arbeitsverträge bei uns noch die Regel – in anderen Ländern Europas gibt es fast nur zeitlich befristete Jobs. Die Kehrseite: In instabilen Jobs wird weniger verdient.

Während die Einkommen der normal Beschäftigten von 2000 bis 2015 real um 7,1 Prozent stiegen, stagnierten jene der instabilen Jobs (+0,3 Prozent). Und: "Zu viel Flexibilisierung kann zu Missbrauch verleiten", so Mahringer. So gebe es Firmen, die Mitarbeiter über die Weihnachtsfeiertage kündigen und beim AMS parken. Das WIFO plädiert für Anreizmodelle, sodass dann höhere Beitragszahlungen fällig würden.

Sozialstaat-Finanzierung

Politisch stellt sich auch die Frage nach der künftigen Finanzierung des Sozialstaates, schließlich hängt ein Großteil der Einnahmen am Faktor Arbeit. Die steigende Beschäftigung sei an sich ein gutes Zeichen, meinen die Experten, und noch gäbe es ja auch genügend stabile Arbeitsverhältnisse. Die Digitalisierung beschleunigt jedoch die Verschiebung weg vom Angestelltenverhältnis hin zur atypischen Beschäftigung. Durch neue Arbeitsformen wie "Crowdworking" gerät auch der klassische, sozialrechtlich abgesicherte Arbeitnehmerbegriff ins Wanken. Mit Patchwork-Arbeit und Mini-Einkommen wird der Sozialstaat auf Dauer jedenfalls nicht finanzierbar sein.

Wer hat eigentlich von der großen Steuerreform mit den neuen Steuerstufen profitiert? Erwartungsgemäß die kleinen und mittleren Einkommen, geht aus der Auswertung der Lohnsteuerstatistik  2016 durch die Statistik Austria hervor.  Insgesamt blieb den 6,8 Mio.  Lohnsteuerpflichtigen (4,4 Mio. Arbeitnehmer und  2,4 Mio. Pensionisten) im Vorjahr um 4,38 Mrd. Euro mehr im Geldbörsel. Das entspricht einer durchschnittlichen Steuerentlastung von 638 Euro pro Person. Der weitaus größte Anteil der Entlastung, nämlich 77,7 Prozent oder 3,4  Mrd. Euro, entfiel auf die Personen mit einer Bemessungsgrundlage zwischen 18.000 und 60.000 Euro, also auf   kleine und mittlere Einkommen. Es handelte sich dabei um 2,9 Millionen Personen bzw. 42,3 Prozent aller Lohnsteuerpflichtigen.

Den neuen Höchststeuersatz von  55 Prozent –  um fünf Prozentpunkte mehr als  zuvor –  zahlten nur 197 Personen. Sie verdienten   jeweils mehr als eine Million Euro und führten sieben Millionen Euro an Lohnsteuer ab. 2,4 Mio. Lohnsteuerpflichtige zahlten gar keine Steuer, weil sie weniger als 11.000 Euro verdienten.   
LohnschereDie Statistik zeigt auch eine wachsende Lohnschere zwischen den Geschlechtern. So sind  Frauen  in den untersten Einkommensgruppen überproportional vertreten. Im Vorjahr verdienten 27 Prozent der Arbeitnehmerinnen weniger als 10.000 Euro und fast die Hälfte blieb unter der 20.000-Euro-Grenze.

Auf der anderen Seite entfielen  drei Viertel der Bruttobezüge von mehr als 50.000 Euro auf Männer. Einkünfte jenseits der 200.000 Euro sind fast nur noch Männersache. Die hohe Teilzeitbeschäftigung bei den Frauen erklärt die Unterschiede nur zum Teil, denn   auch bei  ganzjährig Vollzeitbeschäftigten klafft eine große Lücke. So kamen bei den Angestellten  die Männer   auf durchschnittlich 3074 Euro netto im Monat,   die Frauen auf 2154 Euro.  Das ergibt eine Lohnschere von knapp 30 Prozent.  Hier zeigen sich vor allem Branchenunterschiede.

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