Die Kaufkraft gestärkt, die Konsumlust wieder zurück: Die verheißungsvollen Prognosen ließen viele Händler schon im Sommer auf ein Top-Weihnachtsgeschäft hoffen. Wenige Tage vor dem Heiligen Abend ist von Vorfreude wenig übrig. Bis zum 16. Dezember liegen die Umsätze im stationären Einzelhandel gerade einmal ein Prozent über dem Vorjahresniveau, erhob – wie jedes Jahr – die KMU-Forschung im Auftrag der Wirtschaftskammer (WKÖ). Dank Internet-Umsätzen beträgt das Plus 1,5 Prozent. Läuft alles wie bisher, geht sich ein Weihnachtsumsatz von 1,65 Mrd. Euro aus. "Vor allem die Einkaufssamstage waren stärker als im Vorjahr, wobei nicht alle Branchen profitierten", fasst Handels-Spartenobmann Peter Buchmüller zusammen.
Mehr verkauft als 2016 haben bisher vor allem die Schuh- und Lederhändler und Sportartikler. Grund dürfte aber nicht Weihnachten, sondern schlicht das winterlich-kühlere Wetter gewesen sein, wie Ernst Gittenberger von der KMU Forschung zugibt. Das größte Minus verzeichneten die Spielwarenhändler, die immer mehr Kunden an Fremdhändler, etwa Supermärkte, verlieren. Der Lebensmitteleinzelhandel gewann dazu (siehe Grafik unten).
Bloße Umsatzverschiebungen wie diese werfen die Frage auf, wie aussagekräftig die jährliche Weihnachtsbilanz überhaupt ist. Ein kritischer Blick ergibt gleich mehrere Ungereimtheiten:
- Zeitraum
Das Weihnachtsgeschäft zieht sich immer mehr in die Länge, die Berechnung bleibt starr. Für die WKÖ spielt sich das Weihnachtsgeschäft nur im Dezember ab, definiert als "Mehrumsatz" gegenüber dem normalen Monatsumsatz. Völlig unberücksichtigt bleiben etwa die einkaufsstarken Aktionstage rund um den "Black Friday" am 24. November. Das Weihnachtsgeschäft im Online-Handel misst die WKÖ jedoch für den Zeitraum "Mitte November bis Mitte Dezember". Hier ist der Black Friday also enthalten, nicht aber Last-Minute-Bestellungen kurz vor dem Heiligen Abend. Kuriose Erklärung: Die Bestellungen werden ja schon vor Weihnachten getätigt.
- Datenbasis
Die Weihnachtsbilanz der WKÖ fußt auf Händlerumfragen bei rund 400 Geschäften und 100 Online-Shops, die zum Teil auch Umsätze (welche?) bekannt geben. Die Angaben werden dann auf das gesamte Monat hochgerechnet und zwecks Vergleichbarkeit zum Vorjahr "kalenderbereinigt". Dadurch ergeben sich zwangsläufig Unschärfen. Andere Umfragen ergeben andere Ergebnisse, wie Zahlen des (freiwilligen) Handelsverbandes zeigen. Dieser rechnet mit 1,7 Mrd. Euro Weihnachtsumsatz, was Gittenberger wiederum für "viel zu euphorisch"hält.
- Stationär/ Online
Obwohl 35 Prozent der Österreicher inzwischen Geschenke auch im Internet kaufen, entfällt noch immer rund 94 Prozent des Weihnachtskuchens (1,545 Mrd. Euro) auf den stationären Handel, der Online-Handel kommt nur auf 107 Mio. Euro. Wie ist das möglich? Ganz einfach, die WKÖ berücksichtigt nur inländische Web-Shops und lässt Umsätze, die über Amazon, Zalando & Co. ins Ausland fließen, einfach weg. Laut Schätzungen landet zumindest jeder zweite Online-Euro bei einem ausländischen Händler. "Wir können nicht alles erfassen", sagt Gittenberger. Dass trotz steigender Konkurrenz aus dem Web und anderen Branchen die Handelsbilanz Jahr für Jahr glänzt, ist daher fast ein Weihnachtswunder.
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Wer glaubt, dass der Ausverkauf immer früher beginnt, irrt. Er ist in einer Art Endlosschleife gefangen. Auf den Singles Day folgt der Woman Day, dann kommt der Black Friday, der Cyber Monday, irgendein Mid-Season-Sale und Spezialrabatt als Draufgabe. Man muss zuschlagen – sofort! Wer nicht kauft, verliert. Prozente nämlich.
Glaubt man den Händlern, wird diesen Advent wieder geshoppt, was das Zeug hält. Das ruft Konsumentenschützer auf den Plan. Sie weisen schon vor Weihnachten darauf hin, dass man nach Weihnachten kein gesetzliches Recht auf Umtausch hat. Und statt Bares Gutscheine bekommt. Mache schenken also gleich Gutscheine. Angeblich das beliebteste Geschenk der Österreicher. Jene, die sie anbieten, mögen sie auch. Schlicht, weil sie oft nicht eingelöst werden.
- Simone Hoepke