Anders als Unternehmer urteilen heimische Rechtsexperten über die österreichische Bürokratie vergleichsweise milde. Vielfach gibt es Lob, kritisiert werden fast nur Details. So würde nicht die Verwaltung selber, sondern die Rechtsmittel Verfahren in die Länge ziehen, sagt Bernhard Raschauer, emeritierter Universitätsprofessor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Die Genehmigung für den Umbau einer Pizzeria bekomme man oft in weniger als drei Monaten. "Schwierig wird es, wenn der Nachbar Rechtsmittel einlegt", sagt Raschauer. Dann könne es Jahre dauern.
Das Anlagenrecht sei also nicht das Hauptproblem – sofern es sich nicht um UVP-pflichtige Projekte handle, doch seien diese ohnehin in der Minderheit. In den Berichten der Volksanwaltschaft gehe es heutzutage bei Problemen mit der Bürokratie meist nicht um Anlagengenehmigung und Arbeitsrecht, sondern um Sozialhilfe und Finanzen.
Aufwendig werde es nur, wenn es um Kontrollen des Arbeitnehmerschutzes, Meldepflicht oder generell Richtlinien, die den laufenden Betrieb betreffen, gehe. "Die tägliche Lebensmittelkontrolle, der Arbeitsinspektor oder die Finanzkontrolle binden Kapazitäten", sagt Raschauer. Die einzelne Fachbehörde bekomme nicht mit, was kumuliert alles auf dem Rücken der Gewerbetreibenden ausgetragen werde.
Positiv bei den Verwaltungsabläufen – abgesehen von Ausreißern – sei, dass Antragsteller gut beraten werden, die Behörden Sachverständnis hätten und Unterlagen besprochen würden. "Das wird oft zügig abgearbeitet", sagt Raschauer. Sobald ein Verfahren jedoch zum Verwaltungsgerichtshof käme, könne ein Jahr "wie nichts" vergehen. "Mit den Bezirkshauptmannschaften und den Magistraten kann man vernünftig reden, aber wehe man kommt in die Fänge der Verwaltungsgerichtsbarkeit", sagt Raschauer. Ein Richter habe es nicht eilig. Viele Verwaltungsrichter, die dieses Amt erreicht haben, würden aufatmen und ihre Freiheit genießen, sagt der Rechtsexperte. "Da sind schnell ein paar Monate vergangen, bis es zu einer Verhandlung kommt."
Die Richter hätten viele Fälle zu bearbeiten, der Druck, rasch vorzugehen, halte sich aber in Grenzen. Ein normaler Verwaltungsbeamter würde viel früher disziplinarisch verwarnt werden, Richter nicht. "Die Raschheit sollte in einem Rechtsstaat schon ein Thema sein", sagt Raschauer.
Absolut top dagegen sei Österreich bei der ELAK, der elektronischen Aktenführung. "Da sind wir besser als Deutschland und die Schweiz", sagt Raschauer. Auch die Gewerbeanmeldung, bei der man nur kurze Zeit später im Gewerberegister eingetragen sei, sei sensationell. Auch seien sämtliche Rechtsvorschriften gut auffindbar, ob Bundes- oder Landesrecht, Gesetze oder Verordnungen. Gut standardisiert sei auch die Unternehmensgründung, man könne in Österreich "blitzschnell" gründen und bekäme sofort die Sozialversicherungsnummer, Steuernummer, Gewerbeberichtigung – und die Kammermitgliedschaft. "Das kann man alles am Bildschirm machen, man braucht nicht zum Amt zu gehen. Das wird nicht genug hervorgehoben", sagt Raschauer.
Die österreichische Bürokratie genießt international einen guten Ruf, sagt Manfried Welan, ehemaliger Präsident der österreichischen Rektorenkonferenz, heute Universitätenkonferenz. Im Vergleich zu den rund 200 Staaten der Erde sei die Korruption gering. "Die Unkündbarkeit hoher Beamter führte dazu, dass Minister kamen und gingen, aber Hofräte und Sektionschefs blieben, was zu Stabilität, Kontinuität und Professionalität geführt hat", sagt Welan. Die österreichische Bürokratie würde sich in der Heimat einen besseren Ruf verdienen. In Österreich dürfe die staatliche Verwaltung nur auf Grund von Gesetzen ausgeübt werden, gleichzeitig werde die Verwaltung mehrfach kontrolliert. Das sei nicht in allen Ländern so. "Die Bürokratie ist die Fortsetzung der Monarchie in der Republik, bis heut’ sieht man das bei Titeln, wie Oberrat oder Sektionsrat", sagt Welan.
"Bei internationalen Managern gilt die österreichische Bürokratie als verlässlich, präzise und klar", sagt Verwaltungsexperte Manfred Matzka. Nicht nur im E-Government, sondern auch im Serviceangebot für die Wirtschaft sei Österreich spitze. "Wir sind den Franzosen kilometerweit voraus, und ein paar hundert Meter vor den Deutschen", sagt Matzka. Vieles werde international kopiert, das Grundbuchsystem wurde praktisch auf den ganzen Balkan exportiert, das elektronische Aktensystem ELAK wurde von Bayern, aber auch von Ägypten übernommen. Auch den Griechen griffen die Österreicher beim Thema Steuern unter die Arme.
Die Hemmnisse lägen im Detail, hier sei vieles zu kompliziert. "Das hängt mit dem Föderalismus zusammen, der einen hohen Stellenwert hat", sagt Matzka. So sei das Baurecht Ländersache, das Gewerberecht eine Angelegenheit des Bundes und der Umweltschutz betreffe Bund und Länder. Zwar gebe es viele Fördersysteme für die Wirtschaft, doch schaffe das wiederum Komplexität und Intransparenz. "Es ist schwer, an Förderungen heranzukommen", sagt Matzka.