Jetzt muss alles ganz schnell gehen. Je länger die NIKI-Flugzeuge am Boden stehen, desto kleiner werden die Chancen, die insolvente Billig-Airline wieder in die Luft zu bekommen. Der deutsche Masseverwalter Lucas Flöthner will daher einen Schnellverkauf durchziehen, einen so genannten "Fire Sale".
Man habe noch ein paar Tage Zeit, sagt der Insolvenzverwalter. Das ist nicht viel Zeit, um eine insolvente Fluggesellschaft zu verkaufen. Niki Lauda, der die Billig-Fluggesellschaft 2003 gegründet hatte und bis 2011 wieder schrittweise ausgestiegen war, plant Flöthner bereits heute, Freitag, in Berlin zu besuchen.
Gegenüber dem KURIER skizziert Lauda seinen weiteren Fahrplan. "Zuerst müssen wir schauen, was überhaupt verkauft wird. Die Situation hat sich ja geändert. Ich weiß ja zum Beispiel nicht einmal, wie viele Flugzeuge die Leasing-Geber NIKI noch gelassen haben."
Dann erst könne man über den Preis reden. Vom "alten" Offert über 170 Millionen Euro, bei dem die Übernahme der bis dahin aufgelaufenen Verbindlichkeiten von 61 Millionen Euro inkludiert war, dürfte das neue Angebot weit entfernt sein: "Mit einer Insolvenz wird’s immer billiger. Es macht einen großen Unterschied, ob die Airline fliegt oder am Boden steht."
Um Zeit zu sparen, würde Lauda sein Offert vorerst alleine abgeben, "um einen Neustart von NIKI schneller voranzutreiben". Seine Bedarfsfluggesellschaft "Lauda Motion" habe das notwendige Air Operator Certificate (AOC). Dieses Luftverkehrsbetreiberzeugnis ist in der EU die Voraussetzung für eine Airline-Betriebsgenehmigung.
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In weiterer Folge bräuchte Lauda natürlich Partner. Sein ursprüngliches Offert hatte er gemeinsam mit dem Reiseveranstalter Thomas Cook und dessen Ferienfluggesellschaft Condor abgegeben. Gut möglich, dass dieses Konsortium wieder zusammenfindet. Condor erklärte am Donnerstag, man prüfe weiterhin alle Optionen einschließlich des Kaufs von NIKI oder von Teilen davon. Das würde auch die Sicherung der Arbeitsplätze für den Flugbetrieb beinhalten.
Funktioniert alles reibungslos, könnte NIKI laut Lauda "Mitte Jänner wieder fliegen". Über eine staatliche Überbrückungshilfe denkt Lauda derzeit nicht nach. In der Regierung und bei der Gewerkschaft ist das jedoch sehr wohl ein Thema. Noch-Bundeskanzler Christian Kern betonte beim EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel, NIKI sei an sich ein überlebensfähiges Unternehmen. Die Regierung stehe zu Beratungen zur Verfügung, es werde aber "keine schnelle Lösung" geben. Es gehe darum, eine Übersicht zu bekommen, dann werde man sehen, ob es möglich sei, das Unternehmen aufzufangen.
Auch die ÖVP kann sich eine Staatshilfe vorstellen. "Man muss sich ergebnisoffen anschauen, unter welchen Bedingungen eine Unterstützung sinnvoll ist", sagt Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger. Eine Überbrückungshilfe dürfe nicht dazu dienen, das Ende der Airline zu verlängern, sondern müsse einen Neustart ermöglichen. Auch der beihilfenrechtliche Aspekt müsse geprüft werden. Am sinnvollsten wäre "eine private Lösung mit einem starken österreichischem Aktionär und Partnern". Damit ist wohl Lauda gemeint.
Laut Noch-Verkehrsminister Jörg Leichtfried gebe es sehr gute Gespräche mit Noch-Finanzminister Hans-Jörg Schelling über eine Zwischenfinanzierung. Die Stadt Wien steht für den Notfall mit einer Insolvenzstiftung für die Mitarbeiter bereit.
Angeblich gibt es neben Lauda noch weitere Interessenten. NIKI-Geschäftsführer Oliver Lackmann sagte, die ersten Gespräche seien bereits geführt worden und sehr "dynamisch" verlaufen. Namen wurden am Donnerstag noch nicht verraten.
Laut dem Masseverwalter haben rund 350.000 ausgestellte Einzeltickets ihre Gültigkeit verloren. Dazu kommen rund 410.000 Flugscheine, die über Reisebüros und -veranstalter gebucht wurden, aber noch nicht ausgestellt sind.
Inzwischen sind die Rückholaktionen für Passagiere, die im Ausland sitzen, angelaufen. Darunter sind knapp mehr als 5000 Passagiere, die nach Österreich zurückgeholt werden sollen. Derzeit wird versucht, die Passagiere auf Flügen anderer Airlines unterzubringen. Sollten diese nicht genügend freie Sitzplätze haben, werde man zusätzliche Charterflüge bei der AUA in Auftrag geben.
In den kommenden 14 Tagen müssen insgesamt rund 40.000 Passagiere ihre Heimreise antreten, 15.500 davon haben ihre Flüge selbst gebucht.
Die Lufthansa-Tochter AUA holt Ersatzflieger aus den Hangars. Im traditionell buchungsschwachen Winter werden mehr Flugzeuge gewartet, daher können diese leichter eingesetzt werden. Im Sommer hätte die AUA diese freien Kapazitäten nicht.
Auch der deutsche Reiseveranstalter TUI organisiert bereits ebenso wie Condor Ersatzflüge für die NIKI-Pechvögel.
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Die AUA ruft Piloten, Flugbegleiter und Techniker von NIKI auf, sich zu bewerben. AUA-Chef Kay Kratky sucht mehrere hundert Mitarbeiter und verspricht den NIKI-Mitarbeitern ein beschleunigtes Verfahren. Auch in der Verwaltung seien 20 Jobs frei.
Die schwer verunsicherte Belegschaft hatte am Donnerstag eine Betriebsversammlung. Weil die Büros von NIKI am Flughafen in Wien-Schwechat wegen des großen Andrangs zu wenig Platz boten, musste die Versammlung in einen unterirdischen Verbindungsgang verlegt werden.
Tausende Passagiere, deren Heimflug mühsam wird. Noch mehr Passagiere, die um ihre Tickets zittern müssen. 1000 Mitarbeiter, die nicht wissen, wie es mit ihren Jobs weitergeht. Die deutschen Steuerzahler, die zur Kasse gebeten werden und die Lufthansa, die viel Geld abschreiben muss. Schöne Weihnachten!
Die Schuldigen für dieses Horror-Szenario sind bereits gefunden. Die EU-Wettbewerbskommission sekkierte die Lufthansa mutwillig so lange, bis Europas größter Airline-Konzern gar nicht anders konnte, als sein Angebot für NIKI zurückzuziehen.
Das stimmt nur nicht. NIKI, der wertvollste Teil der kaputten Air-Berlin-Gruppe, wurde sehenden Auges an die Wand gefahren. Von der Mutter Air Berlin, von der Lufthansa und dem deutschen Insolvenzverwalter.
Allen Beteiligten war klar, dass eine Übernahme durch die Lufthansa die kartellrechtlich heikelste Variante ist und harte Auflagen verordnet werden – wir reden immerhin von Marktanteilen bis zu 90 Prozent. So locker, wie die deutsche Regierung (vor der Bundestagswahl) eingesackt wurde und Kanzlerin Merkel den Deal favorisierte, ging es bei den Wettbewerbshütern nicht ab. Die Kommission darf einen solchen Deal nie durchwinken, sonst würde sie ihre Existenzberechtigung verlieren. Warum mit der Lufthansa, die kaum Slots abgeben wollte, dann auch noch exklusiv verhandelt wurde, hat einigen Erklärungsbedarf. Die AUA-Mutter war obendrein so überheblich, die Kommission mit steigenden Ticketpreisen zu provozieren. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt und vielleicht kann NIKI gerettet werden. Das wäre auch im Sinne des Wettbewerbs.