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"Viele Manager sind ahnungslos"

14-12-2017, 15:41

Gregor Demblin, seit einem Unfall mit 18 Jahren querschnittsgelähmt, ist inzwischen erfolgreicher Unternehmensberater. In sein Unternehmen MyAbility, das er mit Partnern führt, sind soeben Investoren aus Deutschland und der Schweiz eingestiegen. Im KURIER-Gespräch erzählt er, warum die Wirtschaft gut daran tut, Menschen mit Behinderung zu inkludieren und warum er sich Veränderungen nicht aus der Politik sondern aus der Wirtschaft erwartet.

KURIER: Herr Demblin, MyAbility lebt seit heuer ohne staatliche Unterstützung. Wie geht das?

Gregor Demblin: Ich sehe MyAbility als ein Vehikel, um aus der Wirtschaft heraus Chancengleichheit zu erreichen. Wir bieten Beratung und Schulungen an. Die Behindertenbewegung setzt traditionell auf Lobbying und Menschenrechte. Sie ist von der Politik abhängig. Da muss man Kompromisse finden. Das hat mich frustriert. Die Wirtschaft bietet mehr Möglichkeiten.

Welche denn?

Da geht es um Jobs und Einkommen. Aber mindestens genauso wichtig sind barrierefreie Dienstleistungen: Geld abheben beim Bankomaten, Zug fahren, Freunde im Kaffeehaus treffen, einkaufen. Ob das barrierefrei ist oder nicht, entscheidet darüber, ob ich dabei bin.

Wie machen Sie das Thema für die Wirtschaft interessant?

15 Prozent der Bevölkerung haben eine Behinderung. Das sind 15 Prozent der Kunden, 15 Prozent der Mitarbeiter. Das heißt: Unternehmen sind massiv betroffen. Und. Und es ist ein Zukunftsthema, weil die Menschen älter werden und der Anteil der Behinderten steigt.

Für die Unternehmen bedeutet barrierefrei höhere Kosten ...

Vorurteile gegen Menschen mit Behinderung gibt es: Sie leisten weniger, Unternehmen müssen neue Klos einbauen etc. Aber das ist der falsche Denkansatz. Denn im Durchschnitt erwerben zwei Prozent der Mitarbeiter pro Jahr eine Behinderung – durch Unfall oder Krankheit. Die Mitarbeiter sind also schon im Unternehmen.

Wissen das die Führungskräfte?Nein, viele sind ahnungslos. Mitarbeiter versuchen ihre Behinderung zu verbergen. 95 Prozent der Behinderungen sind nicht sichtbar. Was bringt die Inklusion von Behinderten den Unternehmen?Es gibt drei Bereiche: die Kunden, die Mitarbeitern mit Behinderung und die Ausgleichstaxe. Der letzte Punkt ist allerdings verschwindend gering. In Österreich gibt es wenig Zahlen zu dem Thema. Wir verweisen daher auf eine Studie aus Großbritannien. Sie besagt im wesentlichen, dass Behinderte dort für Produkte und Dienstleistungen im Jahr 700 Milliarden Pfund ausgeben. 78 Prozent dieser Kunden würden laut Studie wegen Barrierefreiheit den Anbieter wechseln. Das heißt: Unternehmen können Kunden dazu gewinnen, wenn sie Behinderte nicht ausschließen. Der andere große Bereich ist jener der Mitarbeiter: Wenn Menschen aus Angst den Job zu verlieren, ihre Behinderung verstecken müssen, geht viel Effizienz und Motivation verloren. Und das ganz Spannende: Die Motivationssteigerung betrifft nicht nur die Behinderten sondern auch andere Mitarbeiter. Sie sehen, dass es dem Unternehmen nicht nur ums Geld geht, sondern, dass es auch eine Sinnperspektive gibt.

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