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Gutes neues Börsenjahr 2018: Bullen behalten die Oberhand

12-12-2017, 06:00

Die wachsenden Spannungen mit Nordkorea, die wütenden Proteste gegen die Verlegung der US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem – das sind nur zwei Beispiele für Krisenherde, die sich zu Flächenbränden entwickeln können. An den Börsen dieser Welt werden immer wieder aufflackernde Risiken allerdings so gut wie negiert. Die Investoren schrecken nicht zurück, sondern bleiben ihren Aktiendepots treu. "Angesichts der Tiefenentspannung an den Aktienmärkten könnte man sich wirklich fragen: Was haben die Anleger zur Beruhigung genommen?", meint Martin Lück, Leiter der Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock, dem größten Vermögensverwalter der Welt. Seine Antwort: Weil die Zinsen so tief sind. Investoren sehen keine Alternativen zu Aktien und bleiben auch bei geopolitischen Spannungen veranlagt. Dadurch bleiben auch die Kursschwankungen an den Börsen niedrig.

Ein zweiter, gewichtiger Grund für die Tiefenentspanntheit an den Aktienmärkten ist die Konjunktur. USA, Westeuropa, Osteuropa, Asien – überall läuft der Wirtschaftsmotor hochtourig. Die Unternehmensgewinne steigen und unterfüttern die anschwellenden Aktienkurse. Die Börsenbilanz dazu: Der Dow-Jones-Index in New York hat seit Jahresbeginn rund 23 Prozent zugelegt. In Frankfurt sind es knapp 15 Prozent, in Wien sogar mehr als 27 Prozent. Der japanische Nikkei kann ein Plus von 20 Prozent vorweisen und liegt aktuell auf dem höchsten Stand seit fast 26 Jahren.

Gibt es nach diesen Aufschwüngen noch Luft nach oben? Ja, sagt Experte Lück. Nur wenn sich die Konjunktur deutlich abschwächen sollte, würden Aktieninvestoren das Risiko anders betrachten. Das aber sei nicht in Sicht, die Wirtschaft laufe 2018 und auch 2019 weiter gut.

Schiefe Reform

Wie sehr die Steuerreform in den USA der dortigen Konjunktur helfen wird, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Die Optimisten gehen davon aus, dass die Reform die Wirtschaftskraft um 0,5 Prozent anschieben könnte. Martin Lück ist da skeptischer, er geht von 0,1 Prozent aus. Auch deshalb, "weil die Steuerreform komplett schief" sein werde. 60 Prozent der Steuerentlastungen würden Studien zufolge dem obersten 1,0 Prozent der Einkommen zugute kommen. Die Steuerersparnis für Präsident Trump und seinen Clan wird auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Viele kleinere Einkommen werden dafür stärker belastet: Die "State Tax", die in manchen Bundesstaaten anfällt, könne bei der Steuererklärung an den Bund nicht mehr geltend gemacht werden.

Trump werde die Steuerreform trotzdem als großen Erfolg verkaufen. Und auch die Amnestie für das Nach-Hause-Holen von Konzerngewinnen aus dem Ausland werde an den US-Börsen gut ankommen.

Mit einer Arbeitslosenquote von zuletzt 4,1 Prozent dürfen die USA praktisch Vollbeschäftigung vermelden. Der Lohnauftrieb bleibt aber überschaubar, die Inflation liegt schon lange unter der von der US-Notenbank Fed angestrebten Marke von zwei Prozent. "Der Zusammenhang zwischen Arbeitswelt und Lohnentwicklung ist nicht mehr so gegeben wie früher", sagt Lück. Das habe zum Teil mit der Kombination aus Globalisierung und Automatisierung zu tun. Und zum Teil auch damit, dass in den USA viele Jobs entstanden sind, die atypisch sind und wenig Qualifikation voraussetzen. In diesen Bereichen entstehe keine Lohnspirale nach oben.

Trotz einer gezügelten Inflation werde die US-Notenbank Fed unter ihrer Noch-Präsidentin Janet Yellen diesen Mittwoch den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf dann 1,25 bis 1,5 Prozent anheben. Nächstes Jahr werden weitere zwei bis drei kleine Schritte folgen. Das sollte für die Aktienmärkte kein Problem sein, weil die Investoren dies ohnehin erwarten.

In der Eurozone bleiben Zinsen noch für lange abgeschafft. "Ein erster Schritt ist Mitte 2019 möglich", meint Lück. Er geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank dann den Leitzins weiterhin bei 0,0 Prozent belassen wird, aber den "Strafzins" für die Banken von 0,4 auf 0,2 Prozent reduzieren wird. So könnte EZB-Chef Mario Draghi, dessen Amtszeit Ende Oktober 2019 endet, als Null-Zins-Präsident in die Euro-Geschichte eingehen.

Pro Aktien

Tiefe oder gar keine Zinsen sprechen auch weiterhin für Aktien, so Lück. Seine Prognose: Im noch jungen Börsenjahr 2018 könnten sich die Aktienkurse in den USA besser entwickeln als in Europa, falls die Steuerreform "eine künstliche Outperformance" auslöse. Im Rest des Jahres könnte Europa dann aufholen, weil die europäische Konjunktur wirklich gut laufe. Bei Aktien aus Asien sieht Lück "noch sehr viel Potenzial". Die Nachfrage aus China nach Waren aus der Region strahle aus, auch auf Japan. "Dort wachsen die Unternehmensgewinne stark."

Die Aussichten für Osteuropa sieht BlackRock inzwischen positiver. Vor einem halben Jahr habe man noch geschätzt, dass die Hälfte des robusten Wachstums durch EU-Töpfe finanziert sei. "Jetzt sieht man aber, dass das Wachstum vom Konsum getragen ist." Gut für einen Aufschwung auf breiter Basis.

Insgesamt werde 2018 ein recht gutes Aktienjahr werden, die Kurse werden aber doch stärker schwanken als in den vergangenen Monaten.

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