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"Mitarbeiter werden nicht weniger verdienen"

10-12-2017, 06:00

KURIER: Die Politik ermöglicht einen Arbeitstag bis zu 12 Stunden. Die Sozialpartner haben ja nichts zusammen gebracht. Christoph Leitl: Das ist richtig. Die Sozialpartner hätten bis 30. Juni Zeit gehabt und waren sehr nahe an einer Einigung. Diese wurde jedoch von einigen Teilgewerkschaften torpediert. In einer Demokratie ist es eine ganz normale Vorgangsweise, dass dann die Regierung entscheidet.

Sie geben das Versagen der Sozialpartner so offen zu?

Ja. Man muss sich auch selbst eingestehen, dass die Sozialpartnerschaft in vielen Bereichen viel zusammen bringt, aber in einigen Bereichen nicht. Das war auch bei der Angleichung der Arbeiter an die Angestellten der Fall. Das war ebenfalls ein ur-sozialpartnerschaftliches Thema, wurde aber über die Politik entschieden.

Sind das nicht Beweise dafür, dass sich die Sozialpartnerschaft eben doch überholt hat?

Nein, ganz im Gegenteil. Die neue Regierung will in der Bildungspolitik Maßnahmen umsetzen, die die Sozialpartner erarbeitet haben. Es ist ein Treppenwitz der Politik, dass in der vorherigen Koalition nichts gelungen ist, diese Koalition jetzt aber Vorschläge der Sozialpartner umsetzt. Zum Beispiel das zweite Vorschuljahr oder dass die Pflichtschule erst endet, wenn die Grundkenntnisse in Rechnen, Schreiben und Lesen erreicht sind.

Sie lenken von den ureigenen Sozialpartner-Themen ab. Nein, wie viele Leute haben bei den Lohnverhandlungen einen heißen Herbst vorausgesagt. Wir konnten den sozialen Frieden auch 2017 erhalten.

Das alleine ist als Existenzberechtigung längst zu wenig. Die Sozialpartner müssen die Zukunft mitgestalten.

Genau das ist mein Zugang. Daher fordere ich seit langem eine Standort-, eine Zukunfts- und eine Digital-Partnerschaft.

Das ist in der Öffentlichkeit aber noch nicht angekommen. Es besteht sicher noch Handlungs- und Entwicklungsbedarf. Wenn wir jetzt von der Digitalisierung reden, sind gerade die großartigen Bildungseinrichtungen der Sozialpartner, Wifi und Bfi, bestens geeignet, den Menschen in einer sich verändernden Zeit die zusätzlichen Qualifikationen zu vermitteln. Da gibt es sicherlich noch viel zu tun.

Als Unternehmervertreter müssen Sie über den 12-Stunden-Tag sehr glücklich sein.Es wird das beschlossen, was heute in der Praxis längst der Fall ist. Dass gearbeitet wird, wenn Arbeit anfällt. Das betonen die Gewerkschaften selbst ja auch. Die Regierung hat gleichzeitig klar gestellt, dass die Normal-Arbeitszeiten bleiben, dass die Kollektivverträge bleiben und Überstunden weiterhin extra entlohnt werden.

Die große Sorge der Arbeitnehmer ist aber, dass künftig nicht die Überstunden wegfallen, sondern die Zuschläge, und sie daher weniger verdienen.

Erstens sollen 12-Stunden-Tage die Ausnahme sein. Und zweitens werden die Überstundenzuschläge so bemessen wie heute. Es wird keine Einkommenseinbußen geben, das möchte ich klarstellen. Die Mitarbeiter werden nicht weniger verdienen. Einkommenseinbußen wird es nur dann geben, wenn die Beschäftigten durch starre Regelungen gezwungen werden, nicht zu arbeiten. Unsere Umfragen haben gezeigt, dass zwei Drittel der Menschen in den Betrieben Verständnis dafür haben, dass Aufträge abgearbeitet werden sollen. Es geht ja um ihre Jobs. Wenn die Betriebe daran gehindert werden, wandern die Aufträge woanders hin.

Die Mitarbeiter wollen also flexibler arbeiten?

Ja, und sie wollen verdienen. Wenn man die Leute abhält, zu arbeiten, wenn Arbeit da ist, dann gefährdet man ihre Jobs. Dann begeht man Lohnraub, weil man ihnen die Überstundenzuschläge vorenthält.

Wenn alles so großartig ist für die Beschäftigten, warum tobt die Gewerkschaft?

Das reihe ich schon unter beginnende Oppositionspolitik ein. Letzten Endes geht es heute nicht so sehr um die Fragen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern darum, was die Konsumenten wollen. Die rasche Bedienung ihrer Wünsche. Die Konsumenten warten nicht, bis ein Betrieb wegen der Arbeitszeitregelungen ihre Wünsche erfüllen kann, sondern bestellen elektronisch. Zwei Drittel der Mitarbeiter haben dafür Verständnis, sie sind gescheiter als manche Interessenvertreter. Die Betriebe brauchen die Flexibilisierung und die Konsumenten wollen sie. Ein Betrieb lebt immer noch von seinen Kunden.

Kritiker meinen, vom 12-Stunden-Tag würden hauptsächlich Großunternehmen profitieren. Stichwort Großspenden für Sebastian Kurz.Im Gegenteil. Großbetriebe haben längst mit ihren Betriebsräten ihre Arbeitszeit-Regelungen vereinbart. Zum Handkuss kommen die Kleinen ohne Betriebsräte. Sie werden mit drakonischen Strafen belegt – wenn sie mit Zustimmung der Mitarbeiter die Arbeit erledigen, wann sie anfällt. Es geht nicht darum, mehr und länger zu arbeiten, sondern flexibler. Man muss endlich die Grauzonen beseitigen und die Anforderungen einer veränderten Arbeitswelt legal erfüllen können.

Burn-Out-Experten warnen vor längeren Arbeitszeiten. Macht länger arbeiten krank? Dann müsste es in Schweden wesentlich mehr Burn-Outs geben als in Österreich. Und dann müsste die Burn-Out-Rate in unseren Krankenhäusern und bei der Polizei drastisch höher sein, weil es dort einen 13-Stunden-Tag gibt.

Wäre noch das Argument der Familien-Unfreundlichkeit.

Ich habe selbst bei unseren Sozialpartner-Verhandlungen vorgeschlagen, dass man Zeitausgleichspolster ansammeln kann, um sie dann zu verwenden, wenn man Freizeit braucht. Eine Verkäuferin in einem Supermarkt kann zum Beispiel im Sommer, wenn weniger los ist, mehr Zeit für ihre Kinder verwenden und muss dafür nicht Urlaub nehmen. Die neue Regelung ermöglicht familienfreundlichere Arbeitszeit-Modelle.

Braucht die Sozialpartnerschaft neue Akteure?

Wir tauchen ein in die digitale Welt mit völlig neuen Herausforderungen. Daher haben wir in der Wirtschaftskammer den Übergang auf die nächste Generation, die mit dieser neuen Welt aufgewachsen ist, vorbereitet. Auch in der Arbeiterkammer passiert Ähnliches. Das zeigt, dass die Sozialpartnerschaft in der neuen Zeit neu aufgestellt wird.

Was halten Sie von der FPÖ-Forderung nach einer Volksabstimmung über die Kammer-Pflichtmitgliedschaft?

Ich scheue überhaupt keine Volksabstimmung. Die Vertrauenswerte in die Sozialpartner und auch in die Kammern sind so hoch, dass die Politik von solchen Werten nur träumen kann.

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