"Nach der Krise kann auch vor der Krise sein", warnt EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger. Daher sei "jetzt", nach der Überwindung der Finanzkrise in der EU, der ideale Zeitpunkt, tief greifende Reform anzustoßen, "wie Europa und die Eurozone für mögliche künftige Krisen und Schocks wetterfest gemacht werden kann". Mit Spannung war am Mittwoch in Brüssel die Vorlage der Kommissionspläne zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion erwartet worden. Dass dies just am Nikolaus-Tag geschah, hatte den Reformplänen bereits spöttisch die Bezeichnung "Nikolauspaket" eingetragen. Überraschungen fanden sich im Paket nicht. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte schon im September die Linien der Pläne vorgezeichnet:
Umwandlung des Eurorettungsschirms ESM zu einem Europäischen Währungsfonds (EWF)
Dieser Vorschlag findet unter EU-Mitgliedsstaaten und politischen Parteien fast aller Ausrichtungen die breiteste Zustimmung. Bisher wurde der ESM nur zur Finanzierung von Kreditprogrammen für Not leidende Eurostaaten (Stichwort Griechenland) eingesetzt. Ab 2019 könnte er zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut und der Kontrolle des EU-Parlaments unterstellt werden. "Die Schaffung eines Europäischen Währungsfonds könnte künftige Krisen zuverlässiger abwenden, weil dort eine Art Frühwarnsystem für potenzielle Krisenländer betrieben werden könnte", meint dazu ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas.
Um in dringenden Fällen rascher entscheiden zu können, sollen künftig Mehrheitsbeschlüsse genügen - also keine Einstimmigkeit mehr nötig sein. Schließlich soll der EWF „im Laufe der Zeit“ neue Finanzierungsinstrumente entwickeln, um für Stabilität im Währungsraum zu sorgen
Europäischer Finanz- und Wirtschaftsminister, aber kein eigener Euro-Budgetraum
Massiver Widerstand aber regt sich bereits gegen die Idee eines EU-Wirtschafts- und Finanzministers. "Wenn es denn nicht nur ein neuer Posten sein soll, müsste so ein Finanzminister dann wirklich mit neuen, umfassenden Kompetenzen ausgestattet werden, bis hin zu einem Veto-Recht bei nationaler Budget-Politik", meint dazu Gernot Haas, Vertreter der Österreichischen Industriellenvereinigung in Brüssel. Gegen so viel Machtzuwachs eines EU-Kommissars aber dürften die Mitgliedsstaaten Sturm laufen. Und für Haas ebenso wie für nahezu alle Staaten mit konservativen Regierungen steht generell fest: Alles, was sich nach vermehrten Transferleistungen von reicheren an ärmere EU-Saaten anhört, stellt "eine rote Linie" dar. Mit Skepsis sieht man daher Vorschläge für „neue Haushaltsinstrumente für ein stabiles Euro-Währungsgebiet“ innerhalb des Unionsrahmens. Damit könnten Mitgliedsstaaten mit finanziellen Anreizen aus dem EU-Budget bei Strukturreformen unterstützt werden. Auch soll Neumitgliedern das Einsteigen in den Euroraum erleichtert werden. Zudem ist von einer „Stabilisierungsfunktion“ die Rede, die EU-Länder, die von Schocks erschüttert werden, in ihrer Investitionstätigkeit unterstützen soll.
Budget der Euroländer
Auf Pläne, ein eigenes Budget der 19 Euro-Länder einzuführen, hat die Kommission hingegen verzichtet. Genau dies aber sei nötig, fordert Evelyn Regner, SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament: "Nur mit einem gemeinsamen Eurozonenbudget, finanziert durch eine Finanztransaktionssteuer und eine Gemeinsame Steuerbemessungsgrundlage, das wir für öffentliche Investitionen in Krisenregionen nutzen und einem schrittweisen Übergang in eine gemeinsame Schuldenfinanzierung, können wir die Angleichung der Lebenschancen in der EU verwirklichen und sie so stärken."