Die Lufthansa liefert sich um die Übernahme der österreichischen Billigairline NIKI mit der EU-Wettbewerbskommission ein Match von seltener Härte. Die Fluglinie mit 870 Mitarbeitern und 21 geleasten Maschinen ist der attraktivste Teil der insolventen Air Berlin.
Niki Lauda beobachtet das Gezerre zwischen der AUA-Mutter und Brüssel mit Wohlgefallen. Seine Chancen, die von ihm gegründete und sukzessive an Air Berlin verkaufte Airline wieder zurück zu bekommen, werden immer besser. Der dreifache Formel-1-Weltmeister hatte gemeinsam mit dem Reiseveranstalter Thomas Cook und dessen Ferienfluggesellschaft Condor ein Angebot gelegt, wurde aber ebenso wie die British-Airways-Gruppe von der Lufthansa ausgebootet.
"Wir haben nach wie vor höchstes Interesse", bestätigt Lauda gegenüber dem KURIER. Er erwarte, dass sein Konsortium vom Air-Berlin-Generalbevollmächtigen Frank Kebekus wieder zur Angebotslegung eingeladen werde. Das "alte" Offert, das "sehr kompetitiv war", müsse freilich evaluiert und neu aufgestellt werden, "denn wir wissen ja nicht, was inzwischen bei NIKI passiert ist". Kebekus war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Lauda wurde bereits vor zwei Wochen von der Teamleitung der Kommission telefonisch ausführlich befragt, ob er nach wie vor Interesse habe und ob er die Übernahme auch technisch stemmen könne. Denn unter einem neuen Eigentümer bräuchte NIKI dringend die operationelle Hilfe einer Airline, da alle wichtigen Funktionen für den Flugbetrieb von Air Berlin durchgeführt wurden. Mit Hilfe seiner Business-Jet-Gesellschaft Lauda Motion und von Condor wäre man technisch sofort dazu in der Lage, argumentiert Lauda.
Laudas-Konsortium hatte ursprünglich 170 Millionen geboten, inklusive der Übernahme der Verbindlichkeiten von NIKI über 61 Millionen. Die Lufthansa will für NIKI und große Teile der Air Berlin insgesamt 210 Millionen zahlen. Jetzt wollen die Deutschen, hört man, den Kaufpreis für NIKI um knapp 30 Millionen Euro drücken.
Europas größter Airline-Konzern pocht plötzlich auf Gewährleistung. Man habe erst kürzlich erfahren, berichten Insider, dass es für alle NIKI-Mitarbeiter eine Beschäftigungsgarantie bis Ende 2019 gibt. Diese Arbeitsplatz-Sicherheit war der Belegschaft Anfang 2017 zugesagt worden. Damals hätte NIKI noch Teil einer großen Ferienflug-Gesellschaft mit dem deutschen Reise-Riesen TUI werden sollen.
Die AUA-Mutter versucht schon seit längerem, die EU-Kommission unter Druck zu setzen. Die Brüsseler Behörde dürfte am 7. Dezember erstmals entscheiden. Falls die Kommission den Deal nicht durchwinkt, sondern eine vertiefte Prüfung anordnet, die bis zu 90 Werktage dauern kann, droht die Lufthansa laut Reuters damit, NIKI pleite gehen zu lassen.
Laut deutschen Medien könnten die Kartellwächter den NIKI-Deal überhaupt untersagen. Die Kommission hat sich bis dato offiziell noch nicht geäußert.
NIKI benötigt angeblich bis zum Wochenende eine Zwischenfinanzierung von rund 35 Millionen Euro, um den Flugbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Lufthansa soll allerdings erst die Hälfte überwiesen haben.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Lufthansa in der mittlerweile emotional sehr aufgeladenen Atmosphäre mit einer Insolvenz von NIKI spielt. Thorsten Dirks, Chef der Lufthansa-Billigtochter Eurowings, hatte vor wenigen Wochen in Wien erklärt, NIKI pleite gehen zu lassen, sollte das Wettbewerbsverfahren mit Jahresende 2017 noch nicht abgeschlossen sein oder die Übernahme untersagt werde. Das sei aber, schränkte er ein, nicht im Interesse der Lufthansa. Im Gegensatz zu anderen Interessenten habe man bereits viel Geld investiert.
Konzern-Boss Carsten Spohr wollte sich am Mittwoch jedenfalls zu einem kurzfristig anberaumten Gespräch mit EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager treffen.
Am Flughafen Wien hätte die Lufthansa nach einer NIKI-Übernahme de facto ein Monopol. Gemeinsam mit den Töchtern AUA, Eurowings, Swiss und Brussels hätte Europas größter Airline-Konzern bei den Passagieren einen Marktanteil von 70 Prozent. Bei den Flugbewegungen käme die Lufthansa-Gruppe auf 72 Prozent. Bei den Slots (Start- und Landefenster) in den von Airlines besonders begehrten ersten beiden Morgenspitzen hätten Lufthansa & Co. einen Marktanteil von rund 86 Prozent.
Die heimische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat in ihrer Stellungnahme an die Kommission heftige Bedenken angemeldet. BWB-Chef Theo Thanner forderte bereits Auflagen, wie etwa ein ständiges Preismonitoring.