"Der Brexit, das ist der Weiße Elefant im Raum", sagt Wilhelm Molterer, Geschäftsführender Direktor des Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (EFSI) und früherer Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB). An die zehn Milliarden Euro werden nach dem Ausscheiden Großbritanniens jährlich im nächsten Haushalt der EU fehlen. Doch das allein wird die künftige Zusammensetzung des Budgets nicht prägen, meint der ehemalige österreichische Vizekanzler (ÖVP). "Es wird nicht nur einfach ein Budget minus Briten sein, es gilt ganz neue Fragestellungen und Prioritäten zu klären." Verteidigung und Sicherheit etwa fielen unter jene politischen Zielsetzungen, die im Hinblick auf das ab 2020 geltende Budget diskutiert werden müssten. Ebenso wie die Migrationsfrage, der Kampf gegen den Klimawandel, die Wettbewerbsfähigkeit der EU und die Digitalisierung. "Wenn wir einen stärkeren europäischen Beitrag zur Lösung dieser Probleme und Aufgabenstellungen wollen, dann müssen wir der EU das entsprechende Rüstzeug an die Hand geben", sagt Molterer im KURIER-Interview. "Ein Element, dies zu erreichen, ist das Budget."
Erste Szenarien der EU-Kommission kursieren bereits. Doch die großen politischen Weichenstellungen, wie der europäische Haushalt künftig gestaltet sein wird, dürften in der zweiten Hälfte 2018 gestellt werden – zur Zeit des österreichischen Ratsvorsitzes. "Das wird für die österreichische Präsidentschaft eine der ganz großen Aufgaben", führt Molterer aus, schränkt aber ein: "Österreich kann dabei zwar nicht direkt Einfluss nehmen, hat aber die Aufgabe, alle Themen, die auf der Agenda stehen, und dazu gehört dann auch der Brexit, voranzutreiben."Einhellig postulieren sämtliche Politiker in Österreich, dass man als Nettozahler nicht gewillt sei, fürs nächste EU-Budget mehr einzuzahlen. Molterer nimmt dazu nicht Stellung, sondern antwortet: "Frühere Budgets waren gekennzeichnet von der Frage: Wer gibt wie viel, und wer empfängt wie viel. Aber jetzt stellen sich ganz andere Fragen". Und er verweist auf den früheren EU-Kommissar Mario Monti, der gewarnt hatte: Im Budget-Streit zwischen Nettozahlen und Nettoempfängern existiere in Europa eine Bruchlinie, die der EU veritable politische Probleme bereiten könne.
Denkbar sei ja auch, so Molterer, die Eigenmittel für das EU-Budget zu erhöhen. Dies sei etwa durch die Einführung einer Transaktionssteuer oder einer einheitlichen Körperschaftssteuer möglich. Ein bestimmter Prozentsatz davon, so der EFSI-Chef, könnte dann ins EU-Budget fließen.
Mit Sicherheit aber ist damit zu rechnen, dass sich die gesamte Förderstruktur des EU-Budgets verändern wird, und auch der Haushalt insgesamt gekürzt wird. Im aktuellen Mehrjahresbudget (2014 bis 2020) machen allein die Mittel für Struktur- und Agrarpolitik rund drei Viertel des gesamten EU-Budgets aus. Durchgesickerte Szenarien der Kommission lassen rigorose Kürzungen erwarten – auch mit spürbaren Folgen für Österreich. Mindestens 500 Millionen an Förderungen könnten verloren gehen, im schlimmsten Fall stehen sogar EU-Mittel in Höhe von knapp Milliarden Euro auf dem Spiel.