KURIER: Die Kinderbetreuung ist in jedem Bundesland anders geregelt. In Oberösterreich soll sie nachmittags ab Februar etwas kosten. Die Sorge von Müttern: dass sie am Nachmittag deshalb komplett verschwindet.
Andreas Baierl: Interessant ist, dass die Mutter, die den offenen Brief an Landeshauptmann Thomas Stelzer diesbezüglich geschrieben hat, sogar etwas zahlen würde. Ihr geht es vorrangig um die Betreuungsmöglichkeit und weniger um die Kosten. In vielen Ländern kostet die Kinderbetreuung. In Großbritannien sind die Beiträge etwa exorbitant und trotzdem kriegen die Menschen Kinder und gehen arbeiten. Grundsätzlich sind die Kosten und die Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen zwei getrennte Dinge. In Deutschland wurde die Verfügbarkeit durch einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz geregelt. Rechtsanspruch bedeutet nicht, dass Kinderbetreuung gratis ist, gibt den Eltern aber eine bessere Planungssicherheit.
Die ist in Österreich nicht gegeben?
Da Gruppen in Österreich nur ab einer Mindestkinderanzahl eröffnet werden, hängt die Verfügbarkeit mit den Kosten indirekt zusammen. Es gibt also keine Sicherheit für einen Platz.
Wie werden Angebot und Nachfrage koordiniert?
Die Gemeinde erhebt den Bedarf und schafft ein entsprechendes Angebot. In der Praxis gibt es aber viele Herausforderungen. Etwa: Wie wird der Bedarf erhoben? Gehe ich zum Bürgermeister, wenn ich einen Platz brauche? Interessant ist, dass der Bedarf steigt, wenn das Angebot da ist. Wenn nicht, arrangieren sich Familien und ziehen um, dorthin, wo es das Angebot gibt.
Wieso wird die Debatte meist ideologisch geführt?
Weil es einen sehr persönlichen Teil des Lebens betrifft. Und weil die Ziele der Familienpolitik in Österreich wage sind. Deutschland führte zwischen 2009 und 2013 eine Evaluierung der familienpolitischen Maßnahmen durch. Und wer eine Wirkung nachweisen will, muss auch Ziele definieren. Diese lauteten: wirtschaftliche Stabilität und soziale Teilhabe von Familien, gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wohlergehen und Förderung der Kinder und die Verwirklichung von Kinderwünschen. Bei der Wirkungsanalyse hat sich herausgestellt, dass die öffentliche Förderung der Kinderbetreuung die einzige Maßnahme ist, mit der alle familienpolitischen Ziele erreicht werden können.
In Österreich gibt es keine erklärten Ziele?
Österreich hat ähnliche Ziele, aber sie wurden noch nicht evaluiert. Die Vergleichbarkeit innerhalb Österreichs ist nicht einfach, die Betreuungseinrichtungen für Unter-Dreijährige haben etwa unterschiedliche Namen: in Wien heißen sie Kinderkrippen, in Kärnten Kindertagesstätten und in Oberösterreich gibt es Krabbelstuben.
Was brauchen Eltern, damit sie die Kinder gerne in Fremdbetreuung geben?
In erster Linie soll sich das Kind wohlfühlen und gefördert werden. Rahmenbedingungen wie ein niedriger Betreuungsschlüssel, gut ausgebildetes Personal, leichte Erreichbarkeit, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das erfüllt wird.
Wollen Frauen ihre Kinder in den ersten drei Jahren daheim betreuen? Was zeigen da Studien?
Es gibt Erhebungen, in der Praxis ist die Fragestellung aber schwierig. Eltern möchten gerne möglichst viel Zeit mit ihren Kindern verbringen. Eine Familie muss aber auch wirtschaftlich überleben und die Eltern wollen sich beruflich und persönlich verwirklichen. Insgesamt ist bei den Unter-Dreijährigen ein kontinuierlicher Anstieg der Betreuungsquoten zu beobachten, je nach Bundesland auf unterschiedlichem Niveau.
Warum hinken manche Bundesländer, wie Vorarlberg, hinterher?
Interessant ist, dass Vorarlberg in der Betreuung der Unter-Dreijährigen bis 2002 Schlusslicht war. Seither weisen sie aber den steilsten Anstieg auf. Bei den Unter-Dreijährigen sind mittlerweile die Steiermark mit einer Betreuungsquote 14,2 Prozent und Oberösterreich mit 15,4 Prozent Schlusslicht. Wien verzeichnet mit 44,3 Prozent die höchste Betreuungsquote.
Warum ist es ein Problem, wenn Frauen länger zu Hause bleiben und Teilzeit arbeiten?
Es ist kein Problem, aber es erschwert die Geschlechtergleichstellung, in der Kinderbetreuung und im Beruf. Zusätzlich verschlechtert es die finanzielle Eigenständigkeit der Frauen langfristig, vor allem durch eine geringere Pension.