Wer studiert, hat es geschafft: Nicht nur in Österreich ist ein Universitätsabschluss ein Zeichen für Erfolg. Eine aussichtsreiche Karriere scheint vorprogrammiert. Eine Berufsausbildung hingegen ist hierzulande oft weniger hoch angesehen. Meist kristallisiert sich bereits in der frühen Schulausbildung eines Kindes heraus, welchen Ausbildungsweg es einmal einschlagen wird: Die klassischen Wege sehen entweder eine höhere Schulausbildung mit Matura und eventuell dem Besuch einer Hochschule vor oder man entscheidet sich dazu, nach der Pflichtschule eine Lehre zu beginnen, die dann beispielsweise mit der Meisterprüfung oder anderen Zusatzausbildungen aufgewertet werden kann.
Um das Image der beruflichen Ausbildung aufzuwerten und den Lehrberuf wieder interessanter zu machen, wird nun darüber diskutiert, die Meister-Ausbildung auf eine Stufe mit dem Bachelor-Studium zu setzen. Dadurch soll dem höheren Stellenwert einer akademischen Ausbildung in Österreich entgegengewirkt werden. In diese Richtung ging bereits eine Gesetzesnovelle, die mit 1. Mai 2017 in Kraft getreten ist: Der HTL-Ingenieur wurde innerhalb des nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) dem Bachelor gleichgesetzt. Doch damit nicht genug: Befürworter wollen die Lehrabschlussprüfung mit der AHS-Matura gleichsetzen und den Baumeister auf eine Stufe mit einer fünf-jährigen Universitätsausbildung (Master) bringen. Die Abteilung für Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich glaubt, dass hier in Österreich Aufholbedarf bestehe. Im Angloamerikanischen Raum sei es bereits der Fall, dass berufliche Abschlüsse im tertiären Bildungssektor eingegliedert sind.
Kritik und Sorge kommt vor allem aus dem universitären Bereich. Es wird befürchtet, dass durch die Gleichstellung von Meister und Bachelor auch die Zugangsbeschränken für ein weiterführendes Studium leichter werden und man mit der Meisterprüfung zum Master-Studium zugelassen werden kann. Konkrete Vorteile für Praktiker gibt es laut Experten aber dennoch: Auf europäischer Ebene werden Titel dadurch besser vergleichbar und das erspart mühsame Anerkennungen im Ausland.
Lukas Steinmeir hat vor kurzem seine Meisterprüfung in Kälte- und Klimatechnik abgelegt. Seither ist er berechtigt, einen Betrieb selbstständig zu führen, Lehrlinge einzustellen und auszubilden. Der 26-Jährige möchte sich später einmal seinen Traum der Selbstständigkeit erfüllen. "Es ist eine tolle Vorstellung, einen eigenen Betrieb zu haben und sein eigener Chef zu sein.‘‘ Die Akademisierung der Lehrberufe sieht er eher kritisch: "Ich kann keinen wirklichen Vorteil für mich hier in Österreich erkennen, wenn mein Meistertitel mit dem eines Uni-Absolventen gleichgestellt wird. Beides hat seine Daseinsberechtigung und zielt auf unterschiedliche Ausbildungen und Berufslaufbahnen ab. Und das ist auch gut so.‘‘ Es sei zwar häufig der Fall, dass man im Arbeitsalltag weniger hoch angesehen wird, als jemand der einen Studienabschluss in einem ähnlichen Bereich hat, dies störe ihn persönlich aber weniger: "Eindruck hinterlässt man dann eben mit praktischem Können.‘‘ Warum aber eigentlich diese Umstrukturierungen? Die Arbeiterkammer sieht die Gründe in der Wirtschaftsentwicklung: Die Stärken der österreichischen Volkswirtschaft sieht sie im mittleren Qualifikationssegment. Dieser Sektor, mit Lehre und Fachkräften, darf nicht aussterben und muss ähnliche Qualifikationsmöglichkeiten wie eine Hochschule bieten. Fakt ist: Sowohl berufliche, als auch universitäre Ausbildungen haben ihre Vor- und Nachteile. Gerade in Österreich sind hier von der Lehre mit Matura bis zu etlichen Zusatz- und Weiterbildungsmöglichkeiten viele Variationen möglich. - Barbara Heiss
Die EU empfiehlt ihren Mitgliedsstaaten die Einführung eines nationalen Qualifikationsrahmen, um eine Systematik in der jeweiligen Bildungslandschaft und einen einheitlichen europäischen Bildungsraum zu schaffen. Berufliche Abschlüsse werden in ein europaweites Kompetenzsystem eingeordnet: Meister und Ingenieur sollen zukünftig auf einer Stufe (6) mit Bachelor-Absolventen sein. Auf Stufe 4 stehen sich bald Lehrabschlüsse und die AHS-Matura gegenüber. Eine Stufe höher (5) befindet sich dann die HTL-Matura.