Der deutsche Elektrokonzern Siemens (351.000 Mitarbeiter) verhagelt vielen seiner Mitarbeitern heuer das Weihnachtsfest. Wegen der Energiewende fehlen neue Aufträge für Großturbinen. Somit stehen in der Kraftwerks- und Antriebssparte (46.800 Mitarbeiter) mehrere Werke vor der Schließung. Wie das Unternehmen am Donnerstagnachmittag mitteilte, werden rund 6900 Jobs gestrichen; davon etwa die Hälfte in Deutschland.
Auch der Standort Wien ist von den Kürzungen betroffen. Wie viele der 10.200 Arbeitsplätze in Österreich wackeln, ist noch unklar. Es könnten aber zumindest mehr als hundert Arbeitsplätze betroffen sein.
Fix ist, dass zwei Werke im sächsischen Görlitz und in Leipzig mit insgesamt 920 Arbeitsplätzen von diesen Restrukturierungsmaßnahmen betroffen sind. Durch die geplante Zusammenlegung des in Erlangen und Offenbach angesiedelten Lösungsgeschäfts der Kraftwerkssparte (rund 47.000 Mitarbeiter) soll auch der Standort Offenbach mit rund 700 Beschäftigten vor dem Aus stehen. Für ein Werk in Erfurt prüft Siemens zudem mehrere Optionen, darunter auch den Verkauf.
Außerdem sollen 640 Arbeitsplätze in Mühlheim an der Ruhr und rund 300 Stellen in Berlin abgebaut werden. Die Maßnahmen sollten möglichst sozial verträglich gestaltet werden, teilte Siemens weiter mit.
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Seit längerem kämpft Siemens damit, dass vor allem große Gasturbinen für Kraftwerke zu adäquaten Preisen in Europa nicht mehr verkauft werden können. "Die Energieerzeugung befindet sich in einem Umbruch, der in Umfang und Geschwindigkeit so noch nie da gewesen ist. Der Ausbau und die Innovationskraft erneuerbarer Energien setzen andere Formen der Energieerzeugung zunehmend unter Druck", erklärte Siemens-Vorstand Lisa Davies. Die Einschnitte seien notwendig, fügte Personal-Chefin Janina Kugel hinzu, "um unser Know-how bei der Kraftwerkstechnologie, bei Generatoren und bei großen elektrischen Motoren nachhaltig wettbewerbsfähig halten zu können". Denn: Auch das Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe (44.800 Mitarbeiter) hat massive Probleme. In dieser Sparte werden Getriebe, Motoren, Antriebe und Kupplungen für die Öl-, Gas- und Bergbauindustrie produziert. Die Sparte ist stark von den Rohstoffpreisen abhängig. "Die Nachfrage nach großen elektrischen Motoren und Generatoren ist deutlich gesunken, eine Erholung ist nicht in Sicht", heißt es.
Schon vor Bekanntgabe der Kürzungspläne hatte die Siemens-Führung betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen. Die Gewerkschaft IG Metall sieht darin einen Bruch der geltenden Vereinbarung zur Standort- und Beschäftigungssicherung. Sie hat Widerstand gegen die Pläne angekündigt.
"Ein Stellenabbau in dieser Größenordnung ist angesichts der hervorragenden Gesamtsituation des Unternehmens völlig inakzeptabel", sagte IG-Metall-Vorstand Jürgen Kerner.
Erst vor wenigen Tagen hatte Siemens für heuer einen Jahresgewinn von netto 6,2 Milliarden Euro angekündigt. Personalchefin Kugel räumte ein, dass der Jobabbau deshalb nur schwer zu vermitteln sei. Aber, sagte Kugel: "Unternehmerische Verantwortung bedeutet, dass man nur dann Geschäftsbereiche quersubventionieren kann, wenn es konjunkturelle Einbrüche gibt – nicht, wenn es sich um ein strukturelles Problem handelt." Sonst würde man die langfristigen Gewinne "verwetten".
Zurück zur Energiewende: Diese habe Siemens in Europa, den USA und Asien genau beobachtet "und auch gut im Griff", sagte Spartenchef Willi Meixner. "Was uns völlig überrascht hat, war die Dynamik im Nahen Osten." So habe mit Saudi-Arabiens jüngster Ankündigung, keine fossilen Kraftwerke mehr zu bauen und eine Megacity komplett mit erneuerbarer Energie zu betreiben, keiner gerechnet.