Die Siemens-Führung hat am Donnerstag die Betriebsräte über die anstehenden Einschnitte in der Kraftwerks- und in der Antriebssparte informiert. Am Vormittag kamen Mitglieder des Managements mit den Arbeitnehmervertretern im Wirtschaftsausschuss des Konzerns zusammen.
Bereits seit Wochen wird über die Streichung mehrerer tausend Stellen sowie mögliche Werksschließungen und -verkäufe spekuliert. Eine Veröffentlichung der konkreten Pläne wurde für den Donnerstagnachmittag erwartet. Siemens-Personalchefin Janina Kugel wird nach der Info für die Betriebsräte auch die Öffentlichkeit informieren.
Arbeitnehmervertreter befürchten das massivste Sparprogramm bei dem Konzern seit Jahren. Vorab war über 3.000 bis 4.000 gefährdete Arbeitsplätze spekuliert worden.
Siemens leidet in der Kraftwerkssparte mit weltweit rund 30.000 Beschäftigten unter einem Nachfrageeinbruch vor allem bei großen Gasturbinen, der Preisverfall und Überkapazitäten mit sich bringt. Konzernchef Joe Kaeser hatte deshalb in der Sparte bereits Jobs gekappt, doch reichten die Einsparungen offenbar nicht aus. Wenn das Geschäftsfeld eine Zukunft haben solle, müsse man reagieren, sagte Kaeser in der vergangenen Woche bei der Bilanz-Pressekonferenz und stimmte die Beschäftigten bereits auf "schmerzhafte Einschnitte" ein. Weitere Jobs wackeln im Geschäftsfeld Prozessindustrie und Antriebe, das ebenfalls bereits ein Sparprogramm durchläuft.
Widerstand gegen die Pläne kommt vom Betriebsrat und der IG Metall, die auch die bei Siemens bestehenden Vereinbarungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung mit dem Titel "Radolfzell II" in Frage gestellt sehen. Damit sollen die Beschäftigten vor betriebsbedingten Kündigungen geschützt werden.
Betriebsrat und IG Metall machen seit Wochen Front gegen die Pläne. "Das, was wir momentan erleben bei Siemens - das ist für mich so ein Zeichen, wie man eigentlich in Deutschland oder auch in der Metall- und Elektroindustrie nicht miteinander umgehen sollte", sagte Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler am Rande der aktuellen Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie in Schweinfurt. Bei Siemens müsse man sich "langsam, aber sicher die Frage stellen: Will das noch ein integrierter Technologiekonzern bleiben, oder geht es nur noch darum, die Aktionäre zu befriedigen?"
Siemens sei momentan eine Baustelle, die ihm sehr viel Sorgen mache. Die Beschäftigten müssten nun für ihre Interessen eintreten und dem Management sagen, dass das, was jetzt passiert, so nicht gehe.
Mahnungen an das Management kamen auch aus der Politik. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) appellierte angesichts der drohenden Einschnitte an den Konzern, für Standorte in Ostdeutschland eine Perspektive zu schaffen. Es sei offensichtlich geplant, nicht nur Arbeitsplätze bei Siemens abzubauen, sondern komplette Standorte zu schließen. "Das wäre natürlich ein erheblicher Einschnitt insgesamt in die Industrielandschaft Ostdeutschlands", sagte Müller. Er sehe Unternehmen in der Pflicht, sich des Problems bewusst zu sein.
Für den Fall, dass es doch dazu kommt, kündigte IG-Metall-Vorstand und Siemens-Aufsichtsrat Jürgen Kerner massive Gegenwehr der Arbeitnehmervertreter an. "Wir werden dann eine Diskussion über kreative Wege des Widerstands beginnen müssen", sagte Kerner der Wirtschaftswoche. "Dazu könnten auch die Verweigerung von Mehrarbeit und Sonderschichten über einen längeren Zeitraum gehören."
Auch die Überlegungen des Unternehmens, Jobs an Standorte in strukturschwachen Regionen vor allem in Ostdeutschland zu verlagern, sieht man bei Arbeitnehmervertretern kritisch. Das sei ein Versuch, Unfrieden zwischen den einzelnen Standorten zu stiften, heißt es.
Siemens ist auch in Österreich vertreten, neben der Zentrale von Siemens Österreich in Wien gibt es mehrere Werke.