KURIER: Gibt es den geborenen Sieger?
Stephan Eberharter: Das hängt von der Definition ab. Ich setze Siegen mit Erfolg gleich. Es muss nicht immer gleich mit dem ganzen Großen, wie einem Olympiasieg, verknüpft sein. Siegen kann man im Beruf, im Privatleben, auf der großen und auf der kleinen Bühne. Wenn ich mir zum Ziel setze, das Haus winterfest zu machen und ich will um fünf damit fertig sein, ist das zwar ein kleines, aber auch ein Ziel. Daher ist es auch ein Erfolg, den man verbuchen kann, wenn man es geschafft hab.
Aber muss heute nicht alles immer ganz groß sein?
Heute muss alles top sein, man muss unter den besten Drei sein, sonst ist man nicht mehr dabei. Das ist die Meinung, die vorherrscht. Aber es ist doch klar: nicht jeder kann ein Weltmeister sein. Der eine will einfach seine Aufgabe gut machen und definiert das als Erfolg. Ein anderer hat seine Traumfrau gefunden, ein anderer steigt auf einen 8000er. Es hängt von uns ab, wie wir Erfolg definieren.
Wenn man nicht unter den Top Drei ist, fühlt man sich schnell als Verlierer.
Bei mir ist das anders. Ich bin 2004 von der großen Bühne abgetreten und ich habe mich dem Privatleben verschrieben. Das war bei mir 25 Jahre nicht vorhanden. Ich genieße mein Haus, das ich vor acht Jahren gebaut habe. Wenn bei mir privat alles gut läuft, bin ich zufrieden. Ich will kein Co-Kommentator beim ORF sein oder in einer Führungsposition bei einem Sportwarenhersteller.
Fehlt Ihnen nicht das Adrenalin? Der große Sieg?
Ich habe alles gewonnen. Das kann sich keiner vorstellen, welches Adrenalin das ist, wenn man in Kitzbühel oben steht und weiß, man muss da runter. Ich fahre jedes Jahr nach Kitzbühel und ich denke jedes Mal, es war ein Glück, dass mir nie etwas passiert ist. Daran hätte ich früher nie gedacht.
Wie wichtig sind Ziele im Leben?
Alle Ziele, egal wie groß oder klein sie sind, sind wichtig für unser Leben. Sie geben ihm Sinn. Wenn wir uns Dinge erarbeiten müssen, ist das etwas, worauf wir zurückschauen und stolz sind. Das Leben ist ja langweilig, wenn nichts passiert.
Was braucht es, um ganz nach oben zu kommen?
Einsatzbereitschaft. Es braucht den Willen, sich zu verausgaben, sich zu quälen, an die Grenzen zu gehen. Das kann nicht jeder. Manche wollen den leichten Weg gehen – die habe ich kommen und gehen sehen. Wenn man zu früh aufgibt, wird das nichts. Man muss es so lange probieren, bis man es kann. Und wieder aufstehen, wenn man fällt. Und: Die Umstände sind wichtig. Bekommt man von zu Hause aus die Chance? Passt die Umgebung? Wiener werden nicht die gleiche Chance haben, Skiweltcup-Läufer zu werden, wie Tiroler.
Wie wichtig sind die richtigen Begleiter?
Ich hatte auf dem Weg nach oben immer mit erfahrenen Leuten zu tun. Im Skigymnasium in Stams wissen sie genau, wie sie mit den Schülern umgehen. Sie sagen: "Schau’ so könnte es gehen, probiere es aus. Wenn es zu dir passt, dann mache es so weiter". Mir hat nie wer gesagt: "Du musst das so machen." Es ging ums Lernen aus Erfahrengen. Auch Teamfähigkeit gehört zum Erfolg. Man braucht eine Infrastruktur und Menschen, die einen unterstützen. Und die stärkste Konkurrenz im Team. Wenn du dich im Training gegen einen wie den Hermann Maier durchgesetzt hast, weißt du, du bist bereit.
Was ist gesunder Ehrgeiz? Und wo ist die Grenze zur ungesunden Verbissenheit?
Die Grenze zieht jeder selber. Jemand, der Olympiasieger werden will, wird sehr lange und verbissen daran arbeiten müssen. Wer sein Haus winterfest machen will, nicht.
Wie viel ist Kopfsache, wie viel ist Talent?
Der Geist trennt die Spreu vom Weizen. Die konditionelle Verfassung haben im Sport alle. Je mehr Erfolg man hat, desto stärker wird man auch mental.
Wie gehen Sieger mit einem Sieg dann um?
Wenn es läuft, dann läuft’s. Gerade im Sport sind Bewegungsabläufe automatisiert, du lässt es einfach passieren. Aber wenn es nicht mehr läuft, dann fängt die Birne zu denken an. Das ist das, was dir im Weg steht.
Stephan Eberharter wurde 1969 in Brixlegg geboren. Er besuchte das Skigymnasium in Stams, dann ging es bis ganz nach oben. Zwischen 1991 und 1996 musste er mehrere Niederlagen einstecken. Doch ihm gelang das Comeback. Er gewann u. a. eine olympische Goldmedaille, drei Weltmeistertitel und entschied mehrfach den Gesamtweltcup für sich. 2004 zog er sich zurück. Am 9. November spricht er um 13 Uhr bei der größten HR-Fachmesse Österreichs, der Personal Austria, in der Halle A der Messe Wien.