Die jüngsten Veröffentlichungen der "Paradise Papers" könnten der rechtskräftig abgeschlossenen geben. Auf der Karibik-Insel Aruba hatte BAWAG-Investor Wolfgang Flöttl in den 90er Jahren sieben Firmen, die bisher auch dem damaligen Gerichtsgutachter Fritz Kleiner unbekannt waren. Nun will die Justiz die neuen Informationen ansehen, auch ein Rechtshilfeverfahren ist möglich.
Es geht um den Verbleib der BAWAG-Gelder: Während Flöttl behauptet, er habe mehrere Male einen Totalverlust mit den ihm von der Bank anvertrauten Millionen erlitten, behauptet Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner seit Jahren, Flöttl habe das Geld nicht verloren, sondern zumindest zum Teil in die eigene Tasche gesteckt.
Nun wurde im Zuge der "Paradise Paper"-Veröffentlichungen bekannt, dass Flöttl im Jahr 1990 binnen eines Monats sieben Gesellschaften auf Aruba gegründet hatte, deren Direktor er selber war. Erst 1999 und 2000 hatte er demnach diese Gesellschaften wieder aufgelöst. Damit erfolgte die Auflösung erst nach dem angeblichen "Totalverlust" von insgesamt über einer Milliarde Euro BAWAG-Gelder. Wozu die Gesellschaften dienten, blieb offen. Flöttls Anwalt Herbert Eichenseder verteidigt seinen Mandanten gegen wie er formulierte "uralte Behauptungen". Flöttl hat stets alle Vorwürfe, er hätte sich Geld eingesteckt, zurückgewiesen.
Strafrecht-Sektionschef Christian Pilnacek erklärte gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio: "Wir werden uns diese Informationen natürlich ansehen und die Staatsanwaltschaft Wien wird dann ihre Schlüsse daraus ziehen". Die Firmendaten sind bekannt, die Geschäfte der Aruba-Firmen allerdings nicht. Die österreichische Justiz könne versuchen, das im Rechtshilfeweg aufzuklären, erwägt Pilnacek. Vielleicht ergebe sich durch die neuen Informationen auch im Refco-Verfahren, wo die Staatsanwaltschaft seit vielen Jahren ermittelt, ein neuer "Ermittlungsansatz", meint der Sektionschef.
Für Flöttls Anwalt Eichenseder ist die Sache hingegen klar: Flöttl sei freigesprochen. Im BAWAG-Verfahren habe der damalige Staatsanwalt Georg Krakow sogar einen US-Staatsanwalt eingeschaltet - aber "es ist nichts herausgekommen, was für Flöttl negativ wäre", so der Verteidiger.
Auch Ex-BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner hat sich zu den jüngsten Enthüllungen über bisher unbekannte Firmen von Flöttl in der Karibik geäußert. "Das überrascht mich nicht", sagte Elsner Montagvormittag zur APA. Elsner behauptet seit Jahren, Flöttl habe die verlorenen BAWAG-Millionen nicht verspekuliert sondern gestohlen. Der Beschuldigte weist alle Vorwürfe zurück. Nun sehe er in den neuen Fakten Beweise für seinen Standpunkt, so der heute 82-Jährige Elsner.
Elsner wiederholte im APA-Gespräch auch seine Vorwürfe gegen die österreichische Justiz und gegen seinen früheren Arbeitgeber. "Das hätte schon längst erhoben gehört von der Staatsanwaltschaft, und auch die BAWAG macht nichts", kritisiert der Ex-Banker. "Das ist alles höchst verwunderlich".
Auch Elsner-Anwalt Andreas Stranzinger ist nach Durchsicht der Dokumente, die auf Flöttl lauten, alarmiert: "Der Zeitraum ist hochbrisant." Flöttl spekulierte im Auftrag der BAWAG zunächst von 1988 bis 1994, unter seinem Vater Walter Flöttl, dem damaligen BAWAG-General. Die Geschäfte warfen Gewinn ab. 1995 begannen die Karibik-Geschäfte neuerlich und liefen bis 1999 - diesmal unter BAWAG-General Elsner. Dabei wurden die Geschäfte bekanntlich zum Fiasko. Stranzinger verweist gegenüber dem ORF auf einen Widerspruch, da Flöttl sagte, ich bin pleite, und tatsächlich hätten aber Gesellschaften auf Aruba existiert. Mit diesen neuen Unterlagen könne er den noch offenen Wiederaufnahme-Antrag Elsners weiter füttern.
Elsner war im BAWAG-Prozess wegen Untreue zur Höchststrafe von zehn Jahren Haft verurteilt worden. Elsner verbrachte unter Anrechnung der U-Haft insgesamt viereinhalb Jahre im Gefängnis, ehe er im Juli 2011 aufgrund einer schweren Erkrankung als haftunfähig eingestuft und entlassen wurde. Flöttl hatte keinen einzigen Tag hinter Gittern verbracht, er wurde bei der Wiederholung des Prozesses rechtskräftig freigesprochen und lebt in New York. Elsner hat einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt.
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) drängt auf eine "schwarze Liste" für Steuersünder-Länder. Es sei zwar schon viel geschehen, "aber offensichtlich noch nicht genug. Wir brauchen Resultate, keine Ankündigungen und werden mit allen betroffenen Staaten, wo es Steueroasen gibt, Gespräche führen."
Schelling am Montag vor der Sitzung der Eurogruppe in Brüssel: "Wer nicht mitmacht, wird auf der schwarzen Liste landen. Diese Sprache wird jeder verstehen."Derzeit sei das Problem, dass eine Steueroase schließe und eine andere aufmache. Daher "muss man die Maßnahmen verhärten, damit auch jene, die sich nicht an OECD-Regeln beteiligen, keinen automatischen Informationsaustausch haben, auf die schwarze Liste kommen. Damit alle bereit sind, Steuerschlupflöcher zu schließen. Die Anstrengungen müssen erhöht werden."
Der scheidende Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hofft angesichts des jüngsten Steuerskandals "Paradise Papers" auf Fortschritte im Kampf gegen Steuerbetrug. Es seien viele Vorschläge gemacht worden. Er setze auf eine schwarze Liste von nichtkooperativen Ländern, sagte Dijsselbloem Montag vor der Sitzung der Eurogruppe in Brüssel.
Außerdem müsse es Verhaltensregeln bei zwischengeschalteten Unternehmen geben. Jedenfalls habe sich die Welt geändert, so Dijsselbloem.