Möglichst wenig bis gar keine Steuern zu bezahlen ist längst fixer Bestandteil der Geschäftsstrategie vieler global agierender Unternehmen. Amerikanische Konzerne sind ganz besonders gefinkelt darin, zeigt der soeben erschienene Report Das US-Institute on Taxation and Economic Policy (ITEP) und die US-Konsumentenschutzorganisation U.S. PIRG Education Fund nehmen darin die Steuervermeidungsstrategien der 500 größten Firmen in den USA (Fortune-500) unter die Lupe.
Wichtigste Ergebnisse: Immerhin 366 der Top-500 betreiben eine oder mehrere Tochtergesellschaften an einem Offshore-Finanzplatz, die meisten davon auf Bermuda oder den Cayman Inseln. Als Fluchtorte an Bedeutung gewonnen haben Singapur und Hongkong. Die populärsten Steueroasen in Europa sind die Niederlande, Luxemburg, Schweiz und Irland. In insgesamt 9755 Offshore-Gesellschaften werden 2,6 Billionen Dollar (2,2 Billionen Euro) gehortet – und damit an der Finanz vorbeigeschleust. Der Betrag ist laut ITEP doppelt so hoch wie 2009 und beweist, dass das Steuerflucht-Business besser denn je gedeiht.
Ein Viertel der 2,6 Billionen entfällt auf nur vier Konzerne: Apple, Pfizer, Microsoft und General Electric. Allein Spitzenreiter Apple soll 246 Mrd. Dollar in Steueroasen gebunkert haben, unter anderem in Irland. Bekanntlich fordert die EU dort eine Nachzahlung von 14,5 Mrd. Dollar, aber Irland will das Geld nicht eintreiben. Der Sportartikelriese Nike betreibt 54 Tochtergesellschaften weltweit und zahlt für zwölf Mrd. Dollar Auslandsumsatz laut Report gerade einmal 1,4 Prozent Steuern. Der Pharmariese Pfizer richtete 157 Offshore-Niederlassungen ein, die US-Bank Goldman Sachs sogar 905.
Es könnten auch noch mehr sein. ITEP nimmt an, dass US-Firmen 90 Prozent ihrer Tochtergesellschaften so konstruieren, dass diese gar nicht dem Konzern zurechenbar sind. Diese Verschleierung lasse die US-Börsenaufsicht sogar teilweise zu.
Längst nicht nur Konzerne reiten das Offshore-Vehikel, auch Superreiche schaffen sich damit nach wie vor elegant den heimischen Fiskus vom Leib. Über zwischengeschaltete Aktiengesellschaften, Holdings und Stiftungen würden 60 bis 65 Prozent des weltweiten Reichtums gehalten, schätzt der französische Ökonom Gabriel Zucman. Im Interview mit der kritisiert der Experte den laschen Kampf der EU gegen die Steuervermeidung. Es müsste viel härtere Sanktionen gegen Banken und Staaten geben, wenn diese nicht ausreichend kooperieren.
Der beschlossene Datenaustausch hätte nur kleine Fische getroffen, nicht jedoch die Superreichen. "Rund 80 Prozent des Vermögens in Steueroasen gehören den reichsten 0,1 Prozent der Haushalte", schätzt Zucman, "60 Prozent den 0,01 Prozent ganz oben – Menschen, die mehr als 50 Millionen Dollar Nettovermögen besitzen." Die Vermögensverwaltungsindustrie wolle weniger Kunden, aber extrem reiche, an denen man hohe Gebühren verdiene, so Zucman.