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Wer sagt noch "Habe die Ehre"?

11-08-2017, 06:00

Die Rechtschreib-Bibel Duden ist seit 1880 das niedergeschriebene Abbild unserer Gesellschaft. Alle drei bis fünf Jahre kommt ein neuer Band heraus, ergänzt um aktuelle Wort-Kreationen und moderne Rechtschreib-Schöpfungen. Diese Woche war es wieder so weit. Das dicke gelbe Buch mit den schwarzen Lettern ging in seine 27. Auflage. Um 5000 neue Wörter reicher. Neu dabei sind etwa: Fake News, Flüchtlingskrise, Hasskriminalität, Selfie, liken, tindern, Emoji, Hygge – alles Ausdrücke unserer Zeit. Mit diesem Update kommt der neue Duden auf insgesamt 145.000 Stichwörter – das sind fünfmal so viele wie im Urduden aus 1880. Wie kann das sein?

Sprache lebt

Sprache ist dynamisch. Sie wandelt sich, wird breiter, Wörter sterben aus, neue – man nehme nur die innovativen Bereiche der Medizin oder Technik her – werden kreiert. "Dass sich unsere Sprache verändert, merken wir hauptsächlich am häufigen Gebrauch der Anglizismen. Wir sagen supporten statt unterstützen, downloaden statt runterladen", analysiert Hans Christian Luschützky, Linguist am Institut für Sprachwissenschaft an der Universität Wien. Er gibt zwei Beispiele, wie deutsche Begriffe aus unserem Wortschatz und Wörterbuch langsam verschwinden: "Früher sagte man Orangenhaut. Dann Cellulitis. Heute ist das englische Cellulite Usus." Oder: "Wann haben Sie das letzte Mal jemandem mit ,Habe die Ehre‘ gegrüßt? Das ,Hi‘ hat vieles verdrängt."

Kritisieren will das der Sprachwissenschaftler nicht. Es sei nun mal der Lauf der Dinge. "Man sieht in der Geschichte: Das Gallische war bedroht, das Etruskische war bedroht – Sprachen sterben aus." Die Deutsche Sprache sehe er trotz der Anglizismen aber nicht untergehen. "Immerhin haben wir 100 Millionen Menschen, die sie pflegen. Die kann man nicht so leicht umformen."

Sprachen der Welt

Nicht überall nimmt man Veränderung von Sprache so locker. Manche Länder schützen sich per Gesetz vor Anglizismen: In Frankreich ist man so stolz auf die eigene Sprache, dass man bei amtlichen oder öffentlichen Botschaften oder Werbungen Strafen für die Verwendung von Anglizismen verhängt hat. Auch in der Slowakei gibt es Sprach-Einschränkungen. Ganz resolut verteidigt aber Island seine Landessprache. International geläufige Begriffe wie Telefon oder Computer müsste man dort tatsächlich erst einmal im Wörterbuch nachschlagen. Denn in der isländischen Landessprache heißen sie: Sími und Tölva.

Eigene Wörter zu schützen setzt auch ein politisches Zeichen, sagt Sprachwissenschafter Luschützky: "Wer sich Internationalismen öffnet, erhöht die Durchlässigkeit ins Land, macht die Sprache zugänglicher, Menschen aus dem Ausland lernen sie leichter. Die Alternative ist die Isolation."

Schöner schreiben ist besser

Kommen wir zurück nach Österreich. Auch hier gibt es ein eigenes Standard-Nachschlagewerk, das die Wörter auslegt: das Österreichische Wörterbuch. Christiane Pabst ist hier Chefredakteurin und verantwortet, was für unseren Sprachgebrauch und die Ausbildung von Kindern erhalten bleiben soll. Das Buch zählt mehr als 93.000 Wörter, alle vier Jahre wird es aktualisiert. Sie sagt: "Was im Umlauf ist, sich in der Gesellschaft verankert hat, wird ins Wörterbuch aufgenommen. Aber wir sind keine Sprachpolizei, wir verbieten keine Ausdrücke. Wir geben eine Hilfestellung."

Und diese brauche es immer wieder. Vor allem im Business, wie Judith Wolfsberger, Gründerin und Chefin des writers’studio, weiß. "Schreibfehler sind unsexy. Das schnelle Medium eMail hat die Toleranz-Schwelle für Fehler zwar ein bisschen gesenkt, Rechtschreibfehler geben aber nie ein gutes Bild ab." Auf den durchschnittlichen Angestellten, so Wolfsberger, käme heute sehr viel mehr Schreibarbeit als früher. Deshalb bringt sie Menschen in Seminaren und Workshops das Verfassung guter Texte näher. Denn sie findet: "Wer gut schreibt, hat mehr Einfluss und Möglichkeiten im Job."

Von guter Rechtschreibung allein hinge ein guter Text – egal ob eMail, Anbot oder die Master-Arbeit – aber nicht ab. Die Anleitung der Schreib-Expertin: Einfach mal schreiben, sich vom Gefühl für den Text leiten lassen. Am Ende den Check machen: Sind alle Elemente, die es braucht, enthalten? Macht die Struktur Sinn? Wichtig seien kurze, leicht verständliche Sätze. Im letzten Schritt erst nimmt man den Duden zur Hand, kontrolliert die Rechtschreibung.

Und die Expertin plädiert: Egal ob Deutsch, mit Anglizismen oder auf Isländisch, "ein guter Text ist immer authentisch. Ich muss den Menschen hinter den Wörtern spüren können."

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