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Tiefe Gräben in der Wohnbaupolitik

30-10-2017, 06:00

"Wenn ich einen Lotto-Sechser mach’, will ich trotzdem nicht aus der Wohnung raus, in der ich seit 35 Jahren wohne und in der meine Tochter aufgewachsen ist", sagt Karoline Schrammel (61). Für die Bewohnerin des Josef-Bohmann-Hofs in Wien-Donaustadt ist die (primär von der ÖVP angestoßene) Debatte, ob es für Mieter im Gemeindebau eine Einkommensobergrenze geben sollte, vor allem eines: "Blödsinn." Blieben die stadteigenen Wohnungen nur den Ärmsten vorbehalten, bestehe die Gefahr der Gettoisierung, meint sie.

Warum Mieter "bestraft" werden sollten, sobald sie sich ein gewisses Einkommen erarbeitet haben, leuchtet auch Wolfgang Grimm nicht ein. Für den 70-jährigen Mieterbeirat, der ein paar Stiegen weiter wohnt, hat jeder das Recht, hierzu wohnen – Jungfamilien, Pensionisten, Arbeiter, Angestellte oder Künstler, wie Schauspieler Erwin Leder.

Der mag dank Rollen in "Das Boot", "Schindlers Liste" oder "Underworld" zwar so manchem nicht als klassischer Gemeindebau-Mieter erscheinen. Er fühlt sich hier aber zu Hause, empfindet seine 90 große Dachgeschoß-Wohnung, für die er 650 Euro (exkl. Strom und Heizung) bezahlt, als "Riesenglück" und kann sich nicht vorstellen, jemals wieder auszuziehen. Zumal er die Wohnung, in die er 1985 mit seiner Familie zog, zwei Mal renoviert hat. "Wenn jemand hier seinen Hauptwohnsitz hat, darf es keine Einkommensobergrenze geben", meint Leder. "Das sind ja keine Sozialwohnungen."

Rot gegen Schwarz

Zwischen den Rathausparteien tun sich punkto Wohnungspolitik jedenfalls ideologische Gräben auf. Während die ÖVP eine Anpassung der Gemeindebaumieten bei höheren Einkommen fordert, weigert sich die SPÖ strikt, die Einkommensverhältnisse der Mieter laufend zu überprüfen. Bei der Vergabe von geförderten Miet- oder Gemeindewohnungen ist das Haushaltseinkommen freilich sehr wohl Thema. So darf das Jahres-Netto-Einkommen einer Person 44.700 Euro nicht überschreiten. Bei zwei Personen liegt die Grenze bei 66.610 Euro.

Liegt das Einkommen über der zulässigen Grenze, solle der Mieter nach Ansicht der ÖVP drei Optionen haben: eine Anpassung der Miete an marktübliche Konditionen, die Möglichkeit, die Wohnung zu kaufen oder auszuziehen. Durch Letzteres werde die Wohnung frei für "wirklich sozial Bedürftige", argumentiert Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel. Die durch Mieterhöhung oder Verkauf anfallenden Mehreinnahmen sollten für den geförderten Wohnbau zweckgebunden werden, meinen die Stadtschwarzen.

Auch NEOS und Grüne können sich Einkommenschecks im Gemeindebau vorstellen – allerdings will man weder da noch dort Besserverdienenden das Wohnrecht verwehren. "Die Miete sollte im sozialen Ausmaß aber angepasst werden", meint NEOS-Wohnbau-Sprecher Stefan Gara. Wo genau diese Obergrenze liegt, haben die Pinken allerdings noch nicht definiert. In dieselbe Kerbe schlagen die Grünen. Auch sie fänden höhere Mieten für Besserverdiener fair.

Ungewohnt einig sind sich SPÖ und FPÖ. Man sei gegen einen Einkommenscheck für im Gemeindebau lebende Wiener, heißt es im Büro von Vizebürgermeister Johann Gudenus. "Einerseits weil Menschen in ihrem gewohnten sozialen Umfeld bleiben dürfen sollen. Andererseits damit es zu keiner Gettoisierung kommt und eine gute soziale Durchmischung erhalten bleibt."

Auf letztere pocht auch die SPÖ. "Wir wollen sozialen Aufstieg erleichtern und nicht bestrafen", erklärt Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig, warum man Mieter nach Lohnerhöhungen nicht zur Kasse bieten will. Und auch ein Verkauf von Gemeindebau-Wohnungen kommt für Rot nicht infrage. Das Modell der ÖVP spiele bloß der privaten Immobilienwirtschaft in die Hände.

Zudem wären von einer Überprüfung mehr als 80 Prozent der Bevölkerung betroffen, da auch der Genossenschaftsbereich oder geförderte Eigentumswohnungen herangezogen müssen, argumentiert Ludwig. Von einem Wohnraum-Mangel könne bei 220.000 Gemeindebau-Wohnungen in Wien ohnehin nicht die Rede sein.

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